Mobbingtagebuch führen: 3 gute Gründe
Mobbing ist ein ernstzunehmender Angriff, den Sie nicht verdrängen oder ignorieren sollten. In einem Mobbingtagebuch halten Sie alle Vorfälle fest, bei denen Kollegen (oder Ihr Chef) Sie persönlich angehen.
Für das Führen eines Mobbingtagebuchs gibt es gleich mehrere gute Gründe:
Reflexion
Durch die Beschäftigung mit dem Thema lassen Sie den Vorfall noch einmal Revue passieren. Mit etwas zeitlichem Abstand fallen Ihnen womöglich Aspekte auf, die Ihnen in der akuten Situation entgangen sind. Das Ereignis lässt sich einordnen, bewerten und reflektieren. Das Schreiben hilft gleichzeitig beim Verarbeitungsprozess.
Mobbing ist für Betroffene ein oft traumatisches und belastendes Erlebnis. Das Tagebuch kann Ihnen helfen, Abstand zu gewinnen und mit der Situation besser klarzukommen.
Dokumentation
Mobbing erfolgt systematisch und wiederholt über einen längeren Zeitraum. Es ist schwierig, sich im Detail an alle Aussagen, Aktionen und Beteiligten zu erinnern sowie mögliche Zeugen zu benennen. In einem Mobbingtagebuch können Sie alle Informationen zu jedem einzelnen Vorfall genau festhalten.
Es ist eine umfangreiche Dokumentation und gleich doppelt wichtig: Sie können Ihrem Arbeitgeber gegenüber das Mobbing belegen und im Falle einer Kündigung dem Arbeitsamt beweisen, dass die Situation am Arbeitsplatz unerträglich war. Gemeinsam mit einem ärztlichen Attest können Sie so eine dreimonatige Sperre beim Arbeitslosengeld verhindern.
Aktion
Das Mobbingtagebuch hilft Ihnen dabei, aus der Opferrolle herauszukommen und selbst aktiv zu werden. Sie haben schwarz auf weiß dokumentiert, wer Sie zu Unrecht attackiert hat. Damit wird es für Ihr Gegenüber schwer, die Angelegenheit als Missverständnis oder falsche Erinnerung darzustellen.
Das gibt Ihnen nicht nur Selbstbewusstsein, Sie halten auch etwas Konkretes in der Hand, um juristische Schritte einleiten zu können. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung können Sie präzise darlegen, was sich wann zugetragen hat.
Die 100 typischen Mobbinghandlungen
Was genau ist Mobbing eigentlich? Eine der am häufigsten zitierten Definitionen ist die des Diplompsychologen Heinz Leymann. Er sieht darin „…eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“ (Zitiert nach Axel Esser)
Der Pionier der Mobbingforschung erstellte einen Grundlagenkatalog mit 45 Mobbinghandlungen und teilte diese in fünf Kategorien:
- Angriffe auf Möglichkeiten, um sich mitzuteilen
- Angriffe auf soziale Beziehungen
- Angriffe auf das soziale Ansehen
- Angriffe auf die Qualität der beruflichen sowie Lebenssituation
- Angriffe auf die Gesundheit
Dieser Grundlagenkatalog wurde von dem Diplompsychologen Axel Esser in Zusammenarbeit mit dem Juristen Martin Wolmerath ergänzt, so dass daraus eine Liste mit 100 typischen Mobbinghandlungen wurde. Esser betont, dass diese Liste nicht als endgültig zu betrachten ist, da eine unendliche Fülle an möglichen Mobbinghandlungen existiert.
Mobbingtagebuch: Vorlage zum Download
Ein Mobbingtagebuch sollte möglichst einfach und übersichtlich sein. Auf einen Blick sind alle wichtigen Informationen ersichtlich. Ein digitales Mobbingtagebuch ist leichter zu führen, handschriftlich kann es authentischer wirken.
Unsere kostenlose Vorlage zeigt, wie ein Mobbingtagebuch aussehen kann. Sie können die Datei herunterladen und direkt ausfüllen – oder ausdrucken und als chronologischen Ordner führen:
Mobbingtagebuch Vorlage (Word)
Wie wird das Mobbingtagebuch gestaltet?
Es gibt keine exakten oder gar rechtlichen Vorgaben, wie Ihr Mobbingtagebuch aussehen muss. Inhalt und Aufbau können Sie selbst entscheiden. Wichtig dafür sind vor allem zwei Aspekte: Es muss für Sie praktikabel sein und das Mobbingtagebuch muss alle notwendigen Informationen enthalten.
Achten Sie darauf, dass Sie so exakt und detailliert wie möglich die jeweiligen Vorkommnisse notieren. Orientieren Sie sich dabei an einigen zentralen Fragen:
- Wann ist es passiert? (Datum, Uhrzeit, Ort)
Notieren Sie exakt, wann und zu welcher Uhrzeit sich ein Vorfall zugetragen hat. Manche Mobbingattacken finden außerhalb des Büros und der Arbeitszeit statt, daher ist der Ort ebenfalls wichtig. - Was ist passiert?
Beschreiben Sie möglichst genau, was passiert ist. Beispiel: „Ich wurde nach der Mittagspause von Kollegin [Vorname, Nachname] aus heiterem Himmel beschuldigt, sie bestohlen zu haben, da ihr Schal nicht mehr an der Garderobe hing.“ - Wer war daran beteiligt?
Hier geht es in erster Linie um die Personen, von denen Sie gemobbt wurden. Aber auch möglichen Beobachter und Zeugen sollten Sie aufschreiben. Versuchen Sie sich auch zu erinnern, wie andere auf die Situation reagiert haben. Konnten Sie anhand der Reaktionen erkennen, ob jemand Ihnen Glauben schenkte? - Wie haben Sie darauf reagiert?
Auch Ihr eigenes Verhalten gehört ins Mobbingtagebuch. Haben Sie sich verteidigt? Der Anschuldigung widersprochen? Bestimmte Maßnahmen ergriffen (Vorgesetzten angesprochen, Betriebsrat oder Anwalt kontaktiert)? Welche Gefühle und Gedanken beschäftigten Sie dabei? Zum Beispiel: „Ich habe mich geschämt, fühlte mich gedemütigt, mir fehlten die Worte, ich fühlte mich hilflos, mir brach der Schweiß aus, ich hatte einen Knoten in der Magengegend…“ - Welche späteren Auswirkungen gab es?
Wie ging es Ihnen im Verlauf des Tages und in der nächsten Zeit nach dem Vorfall? Mögliche Konsequenzen sind eine Krankschreibung, Schlafstörungen oder andere körperliche Auswirkungen wie Bauchschmerzen, Ess- und Verdauungsstörungen, Herzrasen, Bluthochdruck… Gab es am nächsten Tag ein Nachspiel (Chef bittet um Gespräch ins Büro, andere Kollegen sprechen Sie darauf an)?
Was wird im Mobbingtagebuch aufgeführt?
Was gehört in ein Mobbingtagebuch? Grundsätzlich alles. Sie führen es nicht für sich allein, sondern Sie schaffen Beweise. Sinn und Zweck eines Mobbingtagebuchs ist es, über einen längeren Zeitraum alles zu notieren, was einem Dritten eine Vorstellung über die Arbeitsatmosphäre verschafft. Dazu gehören Vorfälle jeglicher Art: Verbalattacken, Ausgrenzung, Lästern oder auch Mails, in denen Sie attackiert werden.
Ihr Mobbingtagebuch sollte nicht nur die konkreten Mobbingattacken enthalten. Ein Gespür für die Häufung und Schwere solcher Vorkommnisse ergibt sich auch aus Einträgen von Tagen, an denen nichts passiert ist – weil der Mobbende beispielsweise im Urlaub, auf Dienstreise oder krank war. In diesem Fall notieren Sie das Datum und halten fest, wer und warum (sofern Sie es wissen) fehlte.
Wichtiger Hinweis: Bleiben Sie in Ihren Notizen unbedingt sachlich! Vermeiden Sie Sarkasmus oder gehässige Bemerkungen Ihrerseits über die mobbende Person, das schadet im Zweifelsfalle Ihrer Glaubwürdigkeit!
Problematik bei der Mobbingklage
Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen Mobbings, geht es um Schadenersatzansprüche. Sie als Kläger müssen beweisen, dass der Schadenersatzanspruch gerechtfertigt ist. Sie sollten dafür Ihr Mobbingtagebuch für mindestens 6 Monate mit tagesgenauer Darstellung aller Vorfälle führen. Das zeigt das Ausmaß und ist notwendig, damit der Beklagte zu den Vorwürfen Stellung nehmen kann.
Fehlt es an diesen Aufzeichnungen, haben Sie als Betroffener wenig Chancen vor Gericht. Liegt jedoch ein sorgfältig geführtes Tagebuch vor, hört sich das Gericht den Kläger persönlich an und prüft, ob die Vorwürfe schlüssig sind und ob der Kläger glaubwürdig ist.
Zeugenaussagen: Wenig Chancen bei Bossing
Auch werden vor Gericht Zeugen befragt. Wer von seinem Chef gemobbt wird (siehe: Bossing), hat dabei leider schlechte Karten. Kollegen sind meist nicht bereit, gegen den eigenen Chef auszusagen oder werden vorab bereits unter Druck gesetzt.
Aber auch in anderen Fällen gibt es Aussagen für und gegen den Vortrag des Klägers. In diesem Fall gilt bei Gericht: Wenn der Kläger die Vorwürfe nicht beweisen kann und es Aussagen für und gegen die Vorwürfe gibt, wird die Klage abgewiesen.
Chancen: Beweismittel helfen
Besser sieht es aus, wenn Beweismittel wie beleidigende Mails, Briefe oder Messenger-Nachrichten vorliegen. In den meisten Fällen aber läuft das Mobbing unterschwellig ab und es sind keine greifbaren Beweise vorhanden. Die seelischen Verletzungen können oftmals auch nicht medizinisch nachgewiesen werden. Gerade durch diese belastende Situation fällt es dem Mobbingopfer schwer, einen länger andauernden Prozess durchzuhalten.
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