Fürsorgepflicht Arbeitgeber: Schutzpflicht für Arbeitnehmer

Jeder Arbeitgeber trägt Verantwortung für seine Arbeitnehmer. Durch die Fürsorgepflicht ist das Unternehmen verpflichtet, Gesundheit und Wohlergehen der Angestellten zu schützen. Dazu zählen körperliche und seelische Unversehrtheit ebenso wie der Schutz des Eigentums der Mitarbeiter. Aber wie weit reicht die Fürsorgepflicht? Wir erklären, was Arbeitgeber tun müssen, welche rechtliche Grundlage es für die Pflicht zur Fürsorge gibt und was passiert, wenn Unternehmen ihre Fürsorgepflicht verletzen…

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Was ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?

Die Fürsorgepflicht ist in Deutschland eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag zwischen Mitarbeiter und Unternehmen. Demnach ist der Arbeitgeber verpflichtet, Bedingungen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, um Mitarbeiter vor körperlichem, seelischem und materiellem Schaden zu schützen. Dazu zählen zum Beispiel Gefahren für Leib und Leben etwa auf Baustellen, aber auch psychische Beeinträchtigungen durch Diskriminierung oder Mobbing.

Gesetzliche Grundlage der Fürsorgepflicht

Hinter der Fürsorgepflicht steht kein einzelnes Gesetz. Sie ergibt sich zwar unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag und steht der Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber. Sie basiert aber letztlich auf dem Prinzip von Treu und Glauben sowie verschiedenen Gesetzen und Regelungen. Neben § 618 Bürgerliches Gesetzbuch fließen folgenden Gesetze in die Fürsorgepflicht ein:

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Wozu ist der Arbeitgeber verpflichtet?

Allgemein müssen Arbeitgeber die Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern und so die Gesundheit der Angestellten schützen. Diese Schutzpflichten umfassen verschiedene Schutzmaßnahmen und Vorkehrungen.

Schutzpflicht zur Gesundheit

Der Arbeitgeber muss „vermeidbare“ Gesundheitsschäden seiner Arbeitnehmer abwenden. Beispiele sind der Schutz vor Passivrauch, die Absicherung von Baustellen oder Atemschutzmasken für Labormitarbeiter. Laut § 5 des Arbeitsschutzgesetzes muss das Unternehmen dazu die „mit der Arbeit verbundene Gefährdung“ ermitteln und alle erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen. Eine Gefährdung kann dabei verschiedene Ursachen haben:

  • Gestaltung und Einrichtung des Arbeitsplatzes.
  • Physikalische, chemische und biologische Einwirkungen.
  • Gestaltung, Auswahl und Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie der Umgang damit.
  • Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken.
  • Unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.
  • Psychische Belastungen bei der Arbeit.

Fürsorgepflichten zum Schutz der Arbeitsumgebung

Zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zählt auch die Einrichtung des Arbeitsplatzes sowie des Arbeitsumfelds. Beide sind so zu gestalten, dass Mitarbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt sind. Das umfasst Räume ebenso wie Vorrichtungen oder Geräte, die der Arbeitnehmer bei der Arbeit nutzen muss. Geregelt werden dabei unter anderem die Beleuchtung, Belüftung und Raumtemperatur in Arbeitsräumen, die Beschaffenheit von Pausen-, Bereitschafts– und Sanitärräumen sowie die von Bildschirmen und Telearbeitsplätzen.

Die Arbeitsstättenverordnung sieht zum Beispiel vor, dass Arbeitsräume ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben müssen. Allerdings gibt es einige Ausnahmen von dieser Regelung – zum Beispiel für produzierende Betriebe.

Unterrichtungspflicht als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen unterweisen. Die Unterweisung muss speziell auf den Arbeitsplatz oder Aufgabenbereich ausgerichtet sein und VOR der Aufnahme der Tätigkeit erfolgen sowie regelmäßig wiederholt werden.

Es reicht also nicht aus, Schutzhelme oder Atemschutzmasken kommentarlos bereitzustellen. Überdies haben Arbeitnehmer das Recht, sich je nach den Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.

Fürsorgepflichten zum Schutz vor Datenmissbrauch

Teil des Arbeitsschutzes und der Fürsorgepflicht ist der allgemeine Persönlichkeitsschutz. Danach muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die personenbezogenen Daten seiner Mitarbeiter vor Datenmissbrauch geschützt sind. Diese Datenschutzpflicht erlischt auch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Datenschutz geht soweit, dass es Arbeitgebern nicht gestattet ist, mithilfe von sogenannten Keyloggern zu überwachen, was die Beschäftigten auf ihren Dienstrechnern eingeben („Keylogger-Urteil“ des Bundesarbeitgerichts). Das stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar.

Fürsorgepflichten zum Schutz vor sexueller Belästigung

Laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten am Arbeitsplatz vor Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen schützen. Das schließt auch den Schutz vor sexueller Belästigung ein.

Sollte er davon erfahren, kann der Arbeitgeber gegen den Täter eine Abmahnung oder – je nach Schwere – eine fristlose Kündigung aussprechen. In jedem Fall muss er aufgrund seiner Fürsorgepflicht ab Kenntnis dagegen aktiv werden.

Fürsorgepflichten zum Schutz des Eigentums

Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Eigentum seiner Beschäftigten eine Obhut- und Verwahrungspflicht. Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht muss er geeignete (abschließbare) Aufbewahrungsmöglichkeiten (Spinde oder Schränke) bereitstellen. Geschützt sind dadurch private Gegenstände, die der Arbeitnehmer zwingend benötigt und in den Betrieb mitnehmen muss. Typisch sind Schlüssel, Ausweis, Fahrkarten, Bargeld, Straßenkleidung, Arbeitskleidung, Materialien und Werkzeuge.

Nicht geschützt sind hingegen unnötige oder übermäßige Wertsachen – zum Beispiel teurer Schmuck oder ein Umschlag mit viel Bargeld. Ob der Arbeitgeber im Schadensfall haftet, ist allerdings vom Einzelfall abhängig und davon oder zumutbare Schutzmaßnahmen nicht getroffen wurden.

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Fürsorgepflicht gilt auch im Homeoffice

Die Digitalisierung stellt Arbeitgeber und ihre Fürsorgepflicht vor besondere Herausforderungen. Etwa beim Führen virtueller Teams oder Mitarbeitern im Homeoffice.

Auch wenn keine Präsenzpflicht besteht, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass übliche Arbeitszeiten eingehalten und regelmäßig nicht überschritten werden. Heißt: Mehr als acht Stunden täglich (in Ausnahmefällen zehn) dürfen Arbeitnehmer nicht arbeiten. Auch müssen laut § 5 ArbZG elf Stunden ununterbrochene Ruhezeit gewährleistet sein. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht, kann die Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 15.000 Euro behaftet sein.

Kein Ausschluss der Fürsorgepflicht

Der Arbeitgeber kann seine Fürsorgepflichten nicht einfach per Arbeitsvertrag einschränken oder aufheben (§ 619 BGB). Ein solcher Passus wäre rechtswidrig und ungültig. Mehr noch: Wird dem Arbeitgeber zum Beispiel eine gesundheitlich bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bekannt, muss er das im Rahmen seiner Fürsorgepflicht berücksichtigen.

Heißt konkret: Dem oder der Arbeitnehmerin dürfen keine Arbeiten mehr zugewiesen werden, die die Gesundheit weiter gefährden könnten oder die mittels eines ärztlichen Attests ausgeschlossen wurden.


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Was passiert bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht?

Handelt es sich um klare Verstöße gegen die Fürsorgepflicht, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich drei Möglichkeiten, um einen Erfüllungs- beziehungsweise Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber durchzusetzen:

  1. Zurückbehaltungsrecht

    Der Arbeitnehmer hat das Recht auf Arbeitsverweigerung, solange Gefahren für Leib und Leben drohen – oder wenn zwei volle Monatsgehälter nicht gezahlt wurden. Arbeitnehmer können auf Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Arbeitsplatzes und die Entfernung der unmittelbaren Gefahr klagen.

    Überdies können Sie den Verstoß bei der zuständigen Aufsichtsbehörde anzeigen. Im Fall des Ausbleibens der Bezahlung ist das Zurückbehaltungsrecht allerdings eingeschränkt, wenn die Arbeitsverweigerung das Unternehmen in den Ruin treiben könnte.

  2. Schadensersatz

    Werden Fürsorgepflicht oder Schutzvorschriften verletzt und kommt es deswegen zu einem Arbeitsunfall, können die Betroffenen einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Für Letzteres muss es nicht einmal zu einem tatsächlichen körperlichen Schaden kommen.

    Kommen Wertgegenstände abhanden, die der Obhutspflicht des Arbeitgebers unterstanden (zum Beispiel, weil kein abschließbarer Spind zur Verfügung gestellt wurde), steht dem Arbeitnehmer ebenfalls Schadenersatz zu. Das gilt allerdings nur für Wertgegenstände, die im Rahmen der Arbeit erforderlich sind.

  3. Kündigung

    Sind die Zustände am Arbeitsplatz unzumutbar, besteht überdies die Möglichkeit zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer. Kündigungsfristen müssen dann nicht einhalten werden. Jedoch kann der Mitarbeiter dazu verpflichtet sein, seinen Chef vorher auf etwaige Missstände hinzuweisen und ihm die Chance zur Beseitigung zu geben.

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