Kann ich jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangen?
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, sobald das Beschäftigungsverhältnis endet (§ 109 Abs. 1 der Gewerbeordnung, GewO). Dieser Anspruch besteht aber nur für das einfache Arbeitszeugnis Es enthält nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit. Dafür fehlt die Bewertung der Leistungen und des Sozialverhaltens. Deshalb sollten Arbeitnehmer IMMER ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen – per Mail. Es ist aussagekräftiger und wird von Personalern bei der Bewerbung erwartet.
Für das qualifizierte Arbeitszeugnis besteht jedoch eine Holschuld. Bedeutet: Sie müssen es aktiv anfordern. Das sollten Sie schriftlich tun. Idealerweise mit einem Vorlauf von drei bis vier Wochen, bevor das Arbeitsverhältnis endet. Für die Anforderung reicht ein einfacher Zweizeiler per Mail. Hierfür finden Sie im Folgenden gleich zwei Beispiele und Muster für die Formulierungen.
Wann kann ich ein vorläufiges Arbeitszeugnis anfordern?
Sobald die Kündigung ausgesprochen ist, können Sie sofort ein „vorläufiges“ Arbeitszeugnis anfordern. Das ist – ähnlich wie das Zwischenzeugnis – im Präsens formuliert und kann später noch angepasst werden. Der Vorteil ist aber, dass Sie sich damit schon bewerben können und dadurch Zeit sparen.
Arbeitszeugnis anfordern Frist: Wann verjährt der Anspruch?
Wer seinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis wahrnehmen will, sollte damit nicht zu lange warten. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (§195 BGB) endet die „regelmäßige Verjährungsfrist“ nach 3 Jahren für den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Entscheidend hierfür ist nicht das Enddatum des Beschäftigungsverhältnisses, sondern das jeweilige Jahresende. Wer also zum Beispiel am 31. Mai 2022 kündigt, hat noch bis zum 31. Dezember 2025 einen Arbeitszeugnis Anspruch.
Bei den Arbeitszeugnis Fristen sind für das qualifizierte Arbeitszeugnisse neben dem Arbeitsvertrag auch der Tarifvertrag, gesetzliche Vorgaben oder aktuelle Rechtsurteile zu beachten. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat zum Beispiel die Verjährungsfrist in einem Urteil auf ein Jahr verkürzt (Az 4 Sa 714/99). Wer sichergehen will, sollte sein Zeugnis daher innerhalb eines Jahres anfordern.
Welche Bedeutung hat das Zeugnis bei der Bewerbung?
Der Anspruch ist ein zweischneidiges Schwert. Personaler erwarten oft Zeugnisse bei der Bewerbung. Es besitzt einen ähnlichen Stellenwert wie der Lebenslauf oder das Bewerbungsschreiben. Alle drei Dokumente zusammen bilden den Kern vollständiger Bewerbungsunterlagen. Fehlt das Arbeitszeugnis, wirft das möglicherweise Zweifel an der Ehrlichkeit eines Kandidaten auf.
Wie das Arbeitszeugnis anfordern nach Kündigung – per Mail?
Idealerweise fordern Sie das Arbeitszeugnis zusammen mit der schriftlichen Eigenkündigung und Ihrem Kündigungsschreiben an. Das Muster einer Formulierung könnte so lauten:
Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt meiner Kündigung und das genannte Datum, an dem der Arbeitsvertrag endet. Ferner bitte ich darum, mir ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen.
Arbeitszeugnis anfordern: Muster
Für den Fall, dass Ihnen gekündigt wurde, können Sie ebenfalls das qualifizierte Arbeitszeugnis anfordern. Schriftlich und zum Beispiel mit folgender Formulierung:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bitte ich um die Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses für meine Beschäftigung vom TT.MM.JJJJ bis TT.MM.JJJJ.Mit freundlichen Grüßen
Max Muster
Kostenloser Download: Arbeitszeugnis anfordern
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Trotz Anforderung kein Zeugnis: Was tun?
Sollte der Arbeitgeber trotz schriftlicher Anforderung kein Arbeitszeugnis ausstellen, suchen Sie bitte zunächst das persönliche Gespräch. In den meisten Fällen ist dies kein böser Wille. Weigert sich der Arbeitgeber jedoch oder kommt trotz wiederholter Aufforderung Ihrem Anspruch nicht nach, können Sie ihm eine schriftliche Mahnung per Einschreiben schicken. Um den Vorgang zu verkürzen, empfehlen wir, hierbei gleich ein Arbeitszeugnis Muster (formuliert in Ihrem Interesse) mitzuschicken.
Sollte der Arbeitgeber auch auf das Mahnschreiben nicht reagieren, müssen Sie nach Ablauf Ihrer gesetzten Frist das Arbeitszeugnis leider gerichtlich einklagen. Die Aussichten stehen zwar gut, lästig ist das trotzdem. Idealerweise holen Sie sich hierfür Unterstützung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Wie sieht ein korrektes Arbeitszeugnis aus?
Formal haben Arbeitnehmer das Recht auf ein individuelles Zeugnis, das „wahr“ und „wohlwollend“ formuliert ist. Können sie nachweisen, dass das Zeugnis von einer Vorlage stammt, können sie ein neues anfordern. Das Arbeitszeugnis muss zudem schriftlich ausgestellt werden. Als Arbeitnehmer haben Sie überdies Anspruch auf einen fehlerfreien, knitterfreien, sauberen Ausdruck auf Firmenpapier. Außerdem muss das Zeugnis vom bisherigen Personalverantwortlichen unterschrieben werden. Bei Managern und Vorständen vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates; bei Geschäftsführern vom Gesellschafter oder dessen Vertreter; bei Mitarbeitern von deren Vorgesetzten oder dem Personalchef.
Ein korrektes Arbeitszeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Darüber hinaus können Sie verlangen, dass im Zeugnis die Leistungen und sein Sozialverhalten bewertet werden (qualifiziertes Zeugnis). Freiwillig ist dagegen die sogenannte Schlussformel. Sie enthält den Trennungsgrund, Dank und Bedauern über das Ausscheiden sowie positive Zukunftswünsche. Fehlt die Schlussformel gilt das bei Personalern als Negativ-Zeichen in der Bewerbung. Auch sollte das Arbeitszeugnis nicht mehr als zwei, maximal drei DIN A4 Seiten umfassen. Zu viele Seiten wecken den Verdacht, das Zeugnis sei pure Lobhudelei und selbst geschrieben.
Wie ist das Zeugnis aufgebaut?
Generell gibt es kein allgemeingültiges Muster für den Aufbau eines Arbeitszeugnisses. Bewährt hat sich aber folgende Struktur:
- Briefkopf Arbeitgeber (oder Firmenpapier)
- Überschrift („Arbeitszeugnis“)
- Stammdaten Arbeitnehmer (Name, Geburt, Beschäftigungsart & -dauer)
- Tätigkeitsbeschreibung (Aufgaben, Erfolge)
- Leistungsbewertung (Einsatz, Kompetenz, Arbeitsweise)
- Sozialverhalten (Vorgesetzte, Kollegen, Kunden)
- Austrittsgrund
- Schlussformel & Zukunftswünsche
- Ort, Datum & Unterschrift
Wann muss das Arbeitszeugnis korrigiert werden?
Wer mit seinem Arbeitszeugnis unzufrieden ist, sollte zunächst das direkte Gespräch mit dem Chef suchen und um Korrektur bitten. Zeigt sich der Arbeitgeber uneinsichtig, sollten Sie einen schriftlichen Widerspruch formulieren. Darin führen Sie alle Passagen auf, die Sie beanstanden und schlagen Alternativformulierungen vor. Erfolgt dennoch keine Korrektur, können Sie innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Zeugnisses eine Zeugnisberichtigungsklage einreichen.
Einen Anspruch auf Zeugnisberichtigung haben Sie bei:
- Formalen Fehlern (Papierform, Unterschrift, etc.)
- Inhaltlichen Fehlern (falsche Daten, Aufgaben)
- Schreibfehlern (Namen, Rechtschreibung)
Bei den Noten muss der Zeugnisinhalt nur korrigiert werden, wenn Ihre Zeugnisnote schlechter als 3 („befriedigend“) lautet. Generell besitzt der Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum. Schlechtere Zeugnisse hat er aber zu begründen und zu beweisen. Die Beweislast für ein „gutes“ beziehungsweise „sehr gutes“ Zeugnis liegt dagegen beim Arbeitnehmer (BAG-Urteil, 9 AZR 584/13). Der Anspruch auf Zeugniskorrektur verfällt übrigens nach 15 Monaten.
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Wie viel kostet eine Zeugnisklage?
In erster Instanz vor dem Arbeitsgericht tragen beide Parteien die Anwaltskosten selbst. Diese richten sich nach dem Streitwert – meist ein Bruttomonatslohn. Für die Klagevertretung kann sich ein Fachanwalt für Arbeitsrecht dennoch lohnen. Der prüft vor dem Rechtsstreit das Zeugnis auf inhaltliche und formale Fehler und kann Änderungswünsche oft besser durchzusetzen. Wer vorhat zu kündigen, sollte vorher über eine Rechtsschutzversicherung nachdenken. Fehlen die Mittel dafür, können Sie bei Gericht Beratungs- oder Prozesskostenhilfe beantragen.
Was darf nicht im Zeugnis stehen?
Generell verboten sind im Arbeitszeugnis Aussagen über Krankheiten, Schwangerschaft, Elternzeit, Gehalt, Nebentätigkeiten (außer bei Verstoß) oder Straftaten (ohne Arbeitsbezug). Auch (versteckte) Hinweise auf Gewerkschaftstätigkeit, Betriebsratsmitgliedschaft oder Parteizugehörigkeit sind im Arbeitszeugnis verboten. Der Kündigungs- oder Trennungsgrund darf ebenfalls nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Arbeitnehmers im Arbeitszeugnis stehen. Das gilt auch für Angaben zu nicht bestandenen Prüfungen (z.B. beim Ausbildungszeugnis).
Ebenfalls im Arbeitszeugnis verboten:
- Selbstverständliches
Wer Selbstverständlichkeiten betont – zum Beispiel der sichere Umgang mit MS Word im Sekretariat -, sorgt subtil für einen schlechten Eindruck, Motto: „Mehr war nicht.“ (Landesarbeitsgericht Köln, Az 9 Ta 325/10). - Krakelige Unterschrift
Im konkreten Fall ähnelte die Unterschrift des Chefs nicht seiner üblichen Signatur. „Unzulässig“, urteilte das Landesarbeitsgericht Hamm (Az 4 Ta 118/16). Die Unterschrift muss des sonst üblichen ähneln. Nur so sei die Echtheit des Arbeitszeugnisses zweifelsfrei. - Negative Hinweise
Im Arbeitszeugnis stand: „Gerne stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber von ABC hinsichtlich Nachfragen über die Qualität der für uns geleisteten Arbeit zur Verfügung.“ Das riecht schon nach heimlicher Kritik. Das Arbeitsgericht Herford ließ die Formulierung streichen (2 Ca 1502/08).
Muss das Zeugnis korrigiert werden, muss ein komplett neues Arbeitszeugnis ausgestellt werden. Diese muss zudem genauso datiert werden wie das ursprüngliche Zeugnis. Achten Sie darauf, dass wirklich alle Korrekturen erfolgt sind und das Zeugnis im Wortlaut auch nicht (heimlich) schlechter ausfällt. Neuen Fehlern können Sie jederzeit erneut widersprechen und Korrektur verlangen.