Präsenzpflicht: Wirklich sinnvoll?
An deutschen Arbeitsplätzen ist Präsenzpflicht weiterhin Normalität. Trotz umfangreicher digitaler Möglichkeiten, den positiven Erfahrungen aus dem Corona-Lockdown und entgegen den Wünschen zahlreicher Arbeitnehmer setzen Unternehmen auf die Devise: Mitarbeiter gehören ins Büro, um zu arbeiten. Aber ist das sinnvoll?
Einige Argumente sprechen gegen eine Präsenzpflicht. Studien und Umfragen zeigen, dass Mitarbeiter weniger produktiv sind, wenn sie zwangsweise an den Arbeitsplatz geschickt werden. Selbstständige Organisation im Homeoffice steigert hingegen die Produktivität und Motivation. Selbst Fehltage sollen sich reduzieren, wenn die Anwesenheitspflicht nachlässt.
Weitere Gründe gegen eine Präsenzpflicht:
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Mehr Stress
Für Arbeitnehmer ist erzwungene Anwesenheit purer Stress. Die geringere Flexibilität führt zu Druck, gleichzeitig haben Mitarbeiter das Gefühl, kontrolliert zu werden und unter Beobachtung zu stehen.
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Schlechtere Kommunikation
Chefs glauben, dass Kollegen im Büro besser kommunizieren und Informationen austauschen. Ein Irrtum! Untersuchen zeigen, dass die Kommunikation besonders aktiv ist, wenn eben nicht alle Mitarbeiter am Arbeitsplatz sind. Es wird häufiger telefoniert, wichtige Daten per Mail weitergegeben und Wissenswertes zum aktuellen Projekt geteilt. Bei Präsenzpflicht wird deutlich weniger miteinander kommuniziert.
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Weniger Selbstständigkeit
Mitarbeiter in Telearbeit lernen ganz automatisch eine selbstständigere Arbeitsweise. Sie müssen sich organisieren, Prioritäten setzen, Deadlines einhalten – alles in Eigenregie und ohne ständige Kontrolle des Chefs. Bei Präsenzpflicht greift hingegen der Vorgesetzte häufig regulierend ein und es droht Mikromanagement.
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Größere Unzufriedenheit
Mitarbeiter wünschen sich Freiheiten und eigenständige Zeiteinteilung. Fehlen diese, sinkt auch die Zufriedenheit im Job. Es kommt zu schlechter Stimmung, das Betriebsklima leidet und letztlich lässt auch die Loyalität nach.
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Mieses Employer Branding
Arbeitgeber wollen attraktiv sein, um Talente und begehrte Fachkräfte anzulocken. Präsenzpflicht passt jedoch nicht in dies Bild. Das Employer Branding leidet, weil viele Arbeitnehmer nach flexibleren Arbeitszeitmodellen suchen.
Wirkung von Präsenz im Job
Trotz all dieser Gründe und Argumente hat Präsenz im Job weiterhin große Wirkung – gerade auf den Chef. Unabhängig von der tatsächlichen Leistung werden anwesende Mitarbeiter oftmals als produktiver und engagierter wahrgenommen. Das kann letztlich sogar den Ausschlag für Beförderungen oder eine Gehaltserhöhung geben.
Es braucht somit ein komplettes Umdenken und eine neue Einstellung zur Arbeit außerhalb des betrieblichen Arbeitsplatzes.
Präsenzpflicht: Abmachung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen
Die schlechte Nachricht für Mitarbeiter: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Telearbeit oder Homeoffice. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, dies Modelle anzubieten. In der Politik wird aber bereits seit einiger Zeit über einen gesetzlichen Anspruch diskutiert – bisher aber ohne konkrete Ergebnisse. Auch im Rahmen der Corona-Maßnahmen kann es zu Anordnungen kommen, dass Mitarbeiter vermehrt zuhause arbeiten sollen.
Ansonsten braucht es eine Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber. Im individuellen Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung können entgegen der Präsenzpflicht flexible Arbeitsorte geregelt sein. Als Angestellter brauchen Sie immer eine solche Form der Zustimmung. Selbstständig können Sie nicht entscheiden, dass Sie im Homeoffice arbeiten.
Andersherum kann Ihr Arbeitgeber Sie auch nicht einseitig an den heimischen Arbeitsplatz verbannen. Auch dafür braucht es eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder Ihre explizite Zustimmung.
Vereinbarungen immer schriftlich festhalten
Wird von der Präsenzpflicht abgewichen, sollte dazu immer eine schriftliche Vereinbarung vorliegen. In dieser werden wichtige Aspekte wie die Zahl der Arbeitstage im Homeoffice, die dort geltenden Arbeits- und Pausenzeiten sowie die Vorgaben zur Erreichbarkeit des Arbeitnehmers am heimischen Schreibtisch geregelt. Auch Fragen zu Arbeitsmitteln und der Dokumentation der Arbeit kann ein inhaltlicher Punkt sein.
Solch eine Vereinbarung schafft Klarheit und ist ein wichtiger Nachweis über die Absprache. Rein mündliche Vereinbarungen sind sonst leicht zu widerrufen, weil Sie als Mitarbeiter nichts in der Hand haben. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied hingegen, dass Arbeitgeber eine Vereinbarung über Telearbeit nicht einfach einseitig aufheben dürfen. Es müssen die Interessen des Arbeitnehmers mitberücksichtigt werden. Mehr noch: Das Gericht wertete die Aufhebung des Vertrags als Versetzung – dabei hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht.
Gesetzliche Präsenzpflicht in verschiedenen Berufen
Typische Büroaufgaben lassen sich von nahezu überall erledigen, doch ist eine Präsenzpflicht in manchen Berufen unabdingbar. Handwerker können schlecht aus dem Homeoffice arbeiten und auch in anderen Jobs braucht es Anwesenheit. Teilweise sind die Präsenzpflichten für Berufe sogar gesetzlich vorgeschrieben:
Präsenzpflicht für Apotheker
Ein Apotheker muss seine Apotheke „persönlich leiten“ – so steht es in der Apothekenbetriebsordnung. Dazu zählt auch die Beaufsichtigung von Betrieb und Personal. Pharmazeutisch-technische Assistenten dürfen nur unter Leitung eines Apothekers tätig sein. Das setzt dessen körperliche Anwesenheit voraus. Anders formuliert: Wird in der Apotheke gearbeitet, besteht Präsenzpflicht für den Apotheker selbst.
Verstöße können mit einem Bußgeld geahndet werden. So wurde ein Apotheker aus Hagen zu einer Strafe von 200 Euro verurteilt, weil er nicht in seiner Apotheke anwesend war, seine Mitarbeiter in dem Zeitraum aber weiterhin Rezepte herausgaben und apothekenpflichtige Medikamente verkauften.
Präsenzpflicht für Ärzte
Auch für Ärzte besteht eine Präsenzpflicht. Ein Vertragsarzt ist verpflichtet, am Vertragsarztsitz seine Sprechstunden zu halten. Er muss seine Leistungen persönlich erbringen, offene Sprechstunden abhalten und auch außerhalb der Sprechstunden in dringenden Fällen oder für Hausbesuche erreichbar sein. Das kann allerdings auch über einen Notfalldienst geregelt sein.
Die Präsenzpflicht gilt auch für Fachärzte, Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendtherapeuten in den Zeiten, in denen kein ärztlicher Notdienst eingerichtet ist.
Präsenzpflicht für Studenten
Während Corona war der Hörsaal leer, doch gibt es ohnehin Diskussionen um die Präsenzpflicht. Dürfen Hochschulen ihre Studenten zur Anwesenheit verpflichten? Pro-Argument: Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass Abwesenheit in der Uni den Lernerfolg mindere. So würden gerade leistungsschwache Studenten von einer Anwesenheitspflicht profitieren. Pauschale Präsenzpflichten können hingegen unverhältnismäßig sein.
Teilweise kann Präsenz aber durchaus angeordnet werden. So kann die persönliche Teilnahme an bestimmten Seminaren kontrolliert werden und auch der Prüfungserfolg an diese nachweise gekoppelt sein. Wer nicht erscheint, kann dann ein Modul nicht erfolgreich abschließen.
Präsenzpflicht für Lehrer
Für Lehrer besteht eine Präsenzpflicht, um Unterricht vor der Klasse zu geben. Zwar zeigt die Corona-Pandemie, dass digitale Lösungen denkbar sind, doch gilt außerhalb davon eine Anwesenheitspflicht in der Schule. Tatsächlich kann die Pflicht zur Anwesenheit sogar auf Nicht-Unterrichtsstunden ausgeweitet werden. So heißt es in der Allgemeinen Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer in NRW:
Lehrerinnen und Lehrer können, soweit sie während der allgemeinen Unterrichtszeit der Schule (die Zeit, in der die ganz überwiegende Zahl der Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden) nicht im Unterricht eingesetzt sind, durch die Schulleiterin oder den Schulleiter bei Bedarf im Rahmen des Zumutbaren mit anderen schulischen Aufgaben betraut werden. Sie können im Einzelfall zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet werden, wenn Aufgaben in der Schule, insbesondere kurzfristig wahrzunehmender Vertretungsunterricht, dies erfordern.
Auch die Schulleiterin oder der Schulleiter muss in der Regel während der allgemeinen Unterrichtszeit in der Schule anwesend sein (§ 30 Absatz 1). Ist das nicht möglich, braucht es eine Vertretung.
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