Tagträume: Ursachen & Psychologie: gut oder schlecht?

Für Psychologen sind Tagträume ein wichtiges Fenster zur Seele. Dass unsere Gedanken regelmäßig abschweifen, ist sogar gesund und hat zahlreiche Vorteile – auch im Job. Die Psychologie und Ursachen hinter Tagträumen – und Tipps, wie Sie diese besser nutzen…

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Definition: Was sind Tagträume?

Tagträume (Englisch: daydreams oder mind-wandering) sind bildhafte Fantasien oder Gedankenspiele, die wir bei vollem Bewusstsein erleben, die aber mit nächtlichen Träumen vergleichbar sind. Sie treten auf, wenn sich die Aufmerksamkeit von äußeren Reizen abwendet und dem zuwendet, was uns im Inneren beschäftigt.

Manche Tagträume lassen sich bewusst steuern – zum Beispiel, wenn wir an den nächsten Urlaub denken oder uns vorstellen im Lotto zu gewinnen. Die meisten Tagträume entfalten sich jedoch ohne unser zutun, indem wir den Gedanken erlauben, abzuschweifen.

Typische Merkmale von Tagträumen

  • Träumen bei vollem Bewusstsein
  • Können teilweise willentlich gesteuert werden
  • Handeln oft von Wünschen, Beziehungen, zukünftigen Ereignissen

Laut Studien um den Harvard-Psychologen Daniel Gilbert verbringen wir bis zu 50 Prozent unserer Wachzeit mit Tagträumen – also deutlich mehr Zeit als mit den Träumen im Schlaf.

Unterschiede: Tagträume vs. Nachtträume

Es gibt mehrere wichtige psychologische Unterschiede zwischen Tagträumen und nächtlichen Träumen:

Tagträume

Nachtträume

Wachzustand REM-Phase im Schlaf
praktisch & realitätsnah komplex & fiktiv
teils steuerbar unkontrollierbar
Inhalt: bewusste Sorgen Inhalt: unbewusste Emotionen
Bezug: nahe Zukunft Bezug: jüngste Vergangenheit
unterstützen Planung & Problemlösung verarbeiten Erlebnisse & Wissen

Eine Studie von Benjamin Baird Universität von Kalifornien in Santa Barbara) kommt zu dem Ergebnis, dass Tagträumer im Schnitt 41 Prozent mehr Lösungen finden als Personen, die sich rein analytisch einem Problem nähern.

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Ursachen: Wie entstehen Tagträume?

Laut Jonathan Schooler, einem Psychologie-Professor an der Universität von Santa Barbara, haben Tagträume vor allem zwei Ursachen:

  1. Überforderung

    Das Gehirn braucht etwa alle 90 Minuten eine Pause. Dann lässt die Konzentration spürbar nach, das Gehirn ist nicht mehr aufnahmefähig. In dieser Zeit der mentalen Regeneration schweifen die Gedanken regelmäßig ab.

  2. Unterforderung

    Wer sich einer Aufgabe widmet, die nicht die volle Aufmerksamkeit benötigt, nutzt das Gehirn den Freiraum, um Dinge zu verarbeiten, die das Unterbewusstsein beschäftigen. Häufig kreisen die Gedanken dann um zukünftige Ereignisse, beispielsweise Ziele, die wir noch erreichen wollen – oder Entscheidungen, die noch zu treffen sind.

In der Psychologie haben Tagträume in erster Linie die Funktion einer Art Ausgleichsmechanismus des Gehirns. Sie sorgen dafür, dass die körpereigenen Ressourcen und Kapazitäten richtig genutzt werden. Dasselbe passiert übrigens auch unter der Dusche oder beim Spazierengehen.

Tagtraum Beispiel

Eines der bekanntesten Tagträume Beispiele ist die Geschichte des deutschen Chemikers Friedrich August Kekulé von Stradonitz. Der Legende nach entschlüsselte er dabei die Struktur des Benzolmoleküls.

Im Tragtraum tanzten die Kohlenstoff- und Wasserstoffatome vor seinen Augen; eine Schlange erschien, biss sich selbst in den Schwanz und bildete einen Ring. Daraufhin ordneten sich auch die Atome zu einer Ringstruktur… Die Geburtsstunde der organischen Chemie.

Weitere Beispiele für Tagträume?

Tagträume können vielfältig sein und spiegeln oft Sehnsüchte und Erwartungen wider. Hier weitere Beispiele für mögliche Inhalte:

  • Durchspielen von hypothetischen Situationen
  • Überwinden von Hindernissen im Alltag
  • Fantasien vom beruflichen Durchbruch und Erfolg
  • Planen des nächsten Traumurlaubs
  • Imaginieren des ersten Treffens mit der großen Liebe
  • Vorstellen einer idealen Beziehung oder Freundschaft
  • Gedanken an Hochzeit oder Geburt eines Kindes

Generell gilt: Die meisten Tagträume haben positive Inhalte und Themen.

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Vorteile: Sind Tagträume gut oder schlecht?

Tagträume bieten zahlreiche Vorteile für die mentale Gesundheit und kognitive Leistungsfähigkeit – Beispiele: Tagträume…

    Kreativität & Problemlösung

  • fördern Weitsicht und vorausschauendes Denken.
  • begünstigen die Entwicklung kreativer Ideen.
  • ermöglichen unerwartete Verbindungen zwischen Konzepten.
  • führen oft zu neuen Einsichten und innovativen Lösungen.
  • Stressabbau & Entspannung

  • dienen als mentale „Mini-Auszeit“ vom Alltag.
  • können Blutdruck und Stress senken – ähnlich wie Meditation.
  • bieten einen Rückzugsort zur inneren Einkehr.
  • erhöhen kurzfristig die Konzentrationsfähigkeit.
  • Kognitive Funktionen & Produktivität

  • ermöglichen das Durchspielen zukünftiger Szenarien.
  • verhindern Tunnelblick und Betriebsblindheit.
  • steigern Leistungskraft und Produktivität.
  • Selbstreflexion & Verarbeitung

  • unterstützen die Selbstreflexion.
  • helfen bei der Verarbeitung von Erlebnissen und Emotionen.
  • erhöhen das Verständnis für eigene Wünsche und Bedürfnisse.

Tagträume sind weit mehr als nutzloses Gedankenkino! Sie sind eine wichtige Ressource für unser seelisches Wohlbefinden und unsere kognitive Leistungsfähigkeit. Die Psychologin Kalina Christoff von der Universität von British Columbia bestätigt, dass beim Tagträumen ein ganzes Netzwerk an Hirnarealen – das „Default Network“ – aktiv ist.

Wie kann ich Tagträumen üben?

Kurz mal ein- und abtauchen in eine andere Welt, in der alles möglich ist? Den Gedanken freien Lauf lassen? Das lässt sich trainieren und fördern: Sorgen Sie zunächst für Entspannung und eine positive Grundstimmung. Anschließend versuchen Sie jeden Gedanken loszulassen.

Dabei hilft besonders Bewegung an der frischen Luft. Wählen Sie für die mentale Auszeit zugleich einen günstigen Zeitpunkt, an dem Sie für 10-20 Minuten ungestört sind.

Tagträume nutzen im Job?

Angesichts vieler positiver Effekte raten Wissenschaftler dazu, Tagträume öfter und gezielt einzusetzen – vor allem dann, wenn wir im Job eine Blockade erleben und nicht weiterkommen. Dann sollten Betroffene Arbeit ruhen lassen und sich ablenken – zum Beispiel auf einen Block kritzeln. Das gibt den Gedanken den Raum, um abzuschweifen und mittels Tagträumen das Problem zu lösen.
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Das Genie Albert Einstein, der Regisseur Woody Allen and die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling waren und sind bekennende Tagträumer und verdanken nach eigenen Angaben diesen Träumen ihre besten Ideen!

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Psychologie: Können Tagträume gefährlich sein?

Tagträume sind grundsätzlich ungefährlich. Zwar sind Sie während der Gedankenreise abgelenkt. Unfälle aufgrund von Tagträumen sind aber selten – viel seltener, als beispielsweise durch den berüchtigten Sekundenschlaf.

Tritt das Tagträumen exzessiv auf und nimmt es einen großen Teil des Tages ein, kann es jedoch Anzeichen für eine psychische Erkrankung sein – zum Beispiel ein drohender Burnout oder eine Depression.

Was ist maladaptives Tagträumen?

Zwar bietet das Tagträumen zahlreiche Vorteile für Psyche und Gehirn. Zu viel Nachdenken und Abdriften kann allerdings auch zur Prokrastination führen – also dem Aufschieben wichtiger Aufgaben.

Von maladaptivem Tagträumen (auch: zwanghaftem Tagträumen) spricht die Psychologie, wenn das Nachdenken und die täglichen Träume zur Sucht werden und sich Betroffene in ihre Traumwelt oder in eine Art Parallelwelt flüchten, um der Realität zu entkommen. Maladaptives Tagträumen kann aber wie andere Zwangsstörungen durch eine Verhaltenstherapie geheilt werden.

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Häufige Fragen zu Tagträumen

Wer regelmäßig Tagträume erlebt, hat meist noch Fragen dazu. Wir beantworten die häufigsten:

Sollte ich auf meine Tagträume hören?

Nicht alle Tagträume enthalten sinnvolle Informationen. Ignorieren sollten Sie diese aber auch nicht. In den abschweifenden Gedanken stecken oft hilfreiche Lösungen für bisher ungelöste Probleme. Zudem werden darin eigene Ziele und Wünsche bildlich dargestellt, wodurch uns diese erst bewusst werden.

Kann ich Tagträume gezielt hervorrufen?

Auf Knopfdruck lassen sich Tagträume nicht erzeugen. Wir können aber günstige Voraussetzungen schaffen – indem wir uns ablenken, Gedanken loslassen oder Aufgaben erledigen, bei denen wir mental abschalten.

Lassen sich Tagträume unterbrechen?

Weil das Tagträumen bei vollem Bewusstsein passiert, können wir diesen Zustand jederzeit unterbrechen – teilweise geschieht das auch von außen – zum Beispiel wenn wir durch Telefonklingeln plötzlich in die Realität zurückgerissen werden. Allerdings ist es schwer, an einen unterbrochenen Tagtraum anzuknüpfen.

Ist Tagträumen manifestieren?

Tagträumen ist eher visualisieren als manifestieren. Es ist eine Form, sich eigene Wünsche, Ziele oder Absicht bewusster zu machen und in Gedanken durchzuspielen. Durch diese Szenarien werden sie noch nicht zur Wirklichkeit – aber wir treffen anschließend meist bessere Entscheidungen.


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