REST-Moment: Ideen beim Löcher in die Luft starren
Von wegen Zeitverschwendung! Zerstreuung und Ablenkung können unser kreatives Denken ähnlich fördern wie der REM-Schlaf. Manche Gedanken reifen sogar erst so zur vollen Pracht. Und das ganz einfach durch das sogenannte Random Episodic Silent Thinking – zu deutsch: „Zufälliges episodisches stilles Denken“.
Müßiggang, Nichtstun und Löcher in die Luft starren genießen nicht gerade das beste Image. Schon gar nicht im Job. Der Tagträumer steht mit dem Faulenzer und Tunichtgut häufig auf einer Stufe. Produktiv ist eben nur, wer die Ärmel hochkrempelt, beschäftigt aussieht und was schafft.
Schöne Theorie. Ist aber Quatsch
Aktionismus geht so. Produktivität und Kreativität aber funktionieren genau anders. Temporäre Faulheit, Muße, Abschweifung, den Gedanken nachhängen und beim Verklären zuschauen – das alles ist tatsächlich Opium für unsere grauen Zellen.
Wer neue Ideen entwickeln will, braucht geradezu das freie Assoziieren und sogenannte „divergente Denken“, das ziellose vor sich hin Sinnieren und Den-Kopf-frei-machen. Davon ist zum Beispiel auch Rainer Holm-Hadulla, Kreativitätsforscher und Psychologie-Professor an der Uni-Heidelberg, überzeugt. Statt unser Denken zur Lösung konkreter Aufgaben zu drängen, habe das träumende Gehirn eine viel bessere Chance, Verbindungen verschiedener Areale herzustellen und so neue Kombinationen – und Innovationen – hervorzubringen, weiß er. Wir verknüpfen dabei buchstäblich alte Gedanken zu neuen Ideen. Eine Bedingung dafür sei allerdings, „dass die Inhalte bereits im Gedächtnis abgespeichert sind“, sagt Holm-Hadulla.
Unser Gehirn braucht die Stille
Auch andere Studien, wie etwa die um Nancy C. Andreasen von der Universität von Iowa, bestätigen die positiven Effekte des Random Episodic Silent Thinking: Wissenschaftler um Imke Kirste vom Duke University Medical Center konnten nachweisen, dass unser Gehirn in der Zeit der abschweifenden Stille neue Zellen im Hippocampus bildet – einer Region, die zentral ist für unser Gedächtnis und das Lernen.
Schon zwei Minuten stille Zeit am Tag reichen aus, um uns in dieser mentalen Pause zu regenerieren. Noch mehr Ruhe schadet aber auch nicht.
Voraussetzungen für REST-Phasen
Um diesen Standby-Modus des Gehirns zu erreichen, müssen allerdings ein paar Voraussetzungen erfüllt sein und die richtigen Rahmenbedingungen für diese freie Kreativität geschaffen werden. Sie gehen im Grunde schon aus dem Begriff „Random Episodic Silent Thinking“ hervor:
- Sie müssen abschalten
Und zwar buchstäblich: Handy aus, E-Mail-Postfach deaktivieren, Telefon ausstöpseln, vielleicht sogar grelles Licht ausschalten. Die üblichen Störquellen jedenfalls müssen abgeschaltet werden. Danach kommen Sie selbst zur Ruhe und „schalten ab“ – vulgo: Sie entspannen. Am besten ein paar Minuten richtig tief durchatmen und ein paar Entspannungsübungen anwenden. - Sie brauchen Stille
Auch hier gilt dasselbe wie oben schon erwähnt: Tür zu, Fenster zu, Störquellen eliminieren. Wobei es nicht wörtlich darum geht, dass Sie um sich herum kein Geräusch mehr hören. Im Büro und auf der Arbeit wird sich das nie ganz vermeiden lassen, im Wald auch nicht. Es sollten nur nicht die üblichen Lärm- und Stressquellen sein, dafür deutlich mehr Ruhe als sonst. Absolute Stille schadet allerdings auch nicht. - Sie benötigen Ablenkung
Hierin verbirgt sich das eigentliche Grundprinzip der REST-Technik. Zerstreuung und Ablenkung sind essenziell für das spätere Aha-Erlebnis. Nur so zwingen Sie Ihr Denken dazu, die gewohnten Bahnen und Muster zu verlassen und geben dem Geist freien Lauf. Wer sich hinsetzt und krampfhaft versucht, an nichts zu denken, erreicht meist dasselbe: nichts. Am besten also, Sie verlassen den gewohnten Ort, gehen raus, wandern eine runde um den Block oder im Grünen. Hauptsache, weg vom Schreibtisch und von der Routine.
Rast fürs Gehirn: Wo Sie REST-Momente erleben können
Das Genie Albert Einstein, der Regisseur Woody Allen and die Autorin Joanne K. Rowling waren und sind nicht nur bekennende Fans des Tagträumens. Nach eigenen Angaben verdanken alle drei diesem Gedankenschweifenlassen ihre besten Ideen. Auch der Hirnforscher Andreas Fink konnte mithilfe von Hirnscans zeigen, dass ein langsamer Hirnrhythmus für kreative Prozesse wichtig ist.
Sogenannte Alphawellen ließen sich vor allem bei Menschen während des Tagträumens messen. In diesem Zustand war ihre Erinnerungs- und Lernfähigkeit besonders erhöht. Während des Abschweifens sammelte ihr Geist unwillkürlich Millionen Informationen, die er neu verknüpfen konnte – und voilà, heraus kam dabei meist eine neue und kreative Idee.
Default Mode Network
Was die einen „Random Episodic Silent Thinking“ nennen, ist in der Hirnforschung auch als „Default Mode Network“ (auch „Ruhezustandsnetzwerk“) bekannt. Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich bestimmte Hirnregionen, die vor allem dann aktiv werden, wenn unsere Oberstube gerade nicht viel zu tun hat und nicht sonderlich durch äußerliche Reize stimuliert wird.
Dazu haben Sie im Alltag mehr Gelegenheiten als viele denken. So gibt es gleich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, einen REST-Moment zu provozieren und zu erleben. Über alle haben wir auf Karrierebibel.de schon ausführlich geschrieben, zum Beispiel:
Es gibt natürlich noch mehr Gelegenheiten. Manche erleben REST-Momente beim Angeln, andere beim Bügeln oder Prokrastinieren, wieder andere beim U-Bahn-Fahren, beim Musikhören oder Konzertbesuch. Hauptsache, unsere Gedanken bekommen die Chance, am Bewusstsein vorbei zu verarbeiten und neue Assoziationen herzustellen – bis der Groschen fällt.
Diesen Heureka-Moment nennen Kreativitätsforscher übrigens „Illumination“ – eine Art Erleuchtung durch den Geistesblitz. Wollen Sie auch erleben? Dann geben Sie Ihrem Gehirn einfach mal wieder eine Rast!
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