Nebenjob Prostitution: Wie manche ihr Studium finanzieren

Studenten sind chronisch knapp bei Kasse. Helfen können Bafög, Unterstützung der Eltern, Studienkredite, Stipendien oder ein Job während des Studiums. Viele Studenten entscheiden sich für die letzte Variante, wobei Kellnern, Aushilfsjobs, Büroarbeiten oder Tätigkeiten als studentische Hilfskraft zu den Klassikern zählen.

Es gibt allerdings noch weniger populären Weg sein Studium zu finanzieren: die Prostitution als Nebenjob. Ein schwieriges Thema, das unterschiedliche Reaktionen hervorruft – und mindestens genauso viele Fragen offen lässt: Wer entscheidet sich zur Prostitution? Was sind die Beweggründe und wie geht man im späteren Leben damit um?

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Nebenjob Prostitution: Weiter verbreitet als gedacht

Ein Nebenjob ist für viele Studenten Alltag. Umfragen zufolge gehen zwischen 60 und 75 Prozent der Studenten einer nebenberuflichen Tätigkeit nach, um das eigene Budget aufzubessern oder die Finanzierung des Studiums überhaupt erst möglich zu machen.

Ein Teil davon hat sich für den Nebenjob Prostitution entschieden. Wie groß dieser Anteil ist, lässt sich nur grob schätzen, wie es zum Beispiel die Forscher des Studienkollegs Berlin getan haben. In ihrer Studie „Nebenjob: Prostitution“ stellten sich die Autoren vor allem die Frage: Gibt es Studenten, die mit Sexarbeit ihr Studium finanzieren – und falls ja: Was treibt sie an?

Sexarbeit: Rund 2 Prozent der Studenten

Um zu einer Antwort zu gelangen, befragten sie rund 3250 Berliner Studenten und Studentinnen. Das Ergebnis: 3,7 Prozent der Teilnehmer sind oder waren in unterschiedlichen Bereichen der Sexarbeit tätig.

Manch einer könnte jetzt vermuten, dass dies eine Besonderheit der Metropole Berlin sei und auf andere Städte und den bundesweiten Durchschnitt so nicht übertragbar. Doch selbst wenn man die ermittelte Quote fast halbiert und lediglich mit zwei Prozent der Studenten rechnet, die der Prostitution im Nebenjob nachgehen, bedeutet dies in Deutschland bei ungefähr 2,75 Millionen immatrikulierten Studierenden, dass rund 55.000 Studenten und Studentinnen in der Prostitution beschäftigt sind oder waren.

Neben der unerwartet hohen Zahl überrascht auch die insgesamt hohe Offenheit der in der Studie befragten Studierenden: Rund 33 Prozent – also jeder dritte Befragte – konnte sich vorstellen, selbst in der Sexarbeit und Prostitution tätig zu werden, um das Studium zu finanzieren oder Geld dazu zu verdienen.

Nebenjob als Dienstleistung

Tatsächlich entscheiden sich nicht nur Studenten für den Nebenjob Prostitution. Auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die schon seit einigen Jahren im Berufsleben stehen, können sich die zusätzliche Beschäftigung im Erotikbereich vorstellen. So berichtet beispielsweise die Kolumnistin Eva Morgenstern auf „Bento“ von ihrer Motivation:

Ich sehe mich als Dienstleisterin. Sowohl in meinem bürgerlichen Hauptberuf, als auch in meinem gesellschaftlich verpönten Nebenjob mache ich Menschen zufrieden. Dabei genieße ich regelmäßig eine gut bezahlte und manchmal ganz schön aufregende Abwechslung vom Büroalltag.

Welche Bereiche gehören zur Prostitution?

Generell wird unter Prostitution in erster Linie ein sexueller Kontakt gegen Bezahlung verstanden. Betrachtet wurden in der oben genannten Studie allerdings neben der Prostitution im engeren Sinne auch Begleitdienste mit und ohne sexuelle Kontakte, sowie Striptease, Webcam-Dienste und andere Dienstleistungen wie etwa erotische Massagen.

Die Verteilung der Nebentätigkeiten sah dann so aus (Mehrfachnennungen möglich):

  • 50 Prozent der Befragten betreiben Prostitution im engeren Sinne.
  • 40 Prozent bieten Begleitservices mit der Möglichkeit sexueller Interaktion an (Escort).
  • Mehr als 20 Prozent arbeiten im Bereich Striptease oder Webcam-Dienste.
  • Weniger als 20 Prozent entscheiden sich für die Möglichkeit eines Begleitservices ohne sexuelle Kontakte.

Wie entsteht der Kontakt in die Branche?

Die ersten Assoziationen zum Thema Prostitution sind vermutlich Bordelle, runtergekommene Hotels, Straßenstrich und Rotlicht-Viertel in Bahnhofsnähe. Damit hat die Nebenbeschäftigung von Studenten allerdings meist nichts zu tun.

Der erste Kontakt zur Branche entsteht in vielen Fällen durch Bekanntschaften, beispielsweise weil man jemanden kennt oder während des Studiums oder auf einer Studentenparty kennenlernt, der selbst in der Branche arbeitet.

Dieser persönliche Kontakt erleichtert zugleich den Einstieg in das horizontale Gewerbe. So zeigt die oben erwähnte Studie auch, dass Studenten sich umso häufiger selbst vorstellen können, als Prostituierte zu arbeiten, wenn sie jemanden kennen, der dieser Tätigkeit nachgeht.

Einstieg über Anzeigen und Internet

Andere finden über Anzeigen in Zeitungen oder im Internet den Einstieg. Verlockend sind dabei die oft gute Bezahlung fürs erotische Chatten, Telefonieren oder strippen vor der Webcam.

Es gibt inzwischen sogar spezielle Apps, in denen Aufträge ausgeschrieben werden: Interessenten geben an, wonach sie suchen und wie viel sie bezahlen wollen. Darauf können wiederum Dienstleistungsanbieter antworten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen – oder auch nicht. Ein virtueller Marktplatz für Begleitung und Sex gegen Bezahlung – alles ganz professionell.

So sagt auch Mechthild Eickel, Vorstandsmitglied eines Zusammenschlusses von Beratungsstellen für Sexarbeiter im „Tagesspiegel“:

Gerade junge Leute gehen lockerer und unaufgeregter mit dem Thema um. Studentinnen sind meistens selbst in der Lage, zu sagen, was sie wollen oder nicht.

Nebenjob Prostitution: Welche Motivation steht dahinter?

Keine Frage, für die meisten Außenstehenden hat diese Form der Erwerbstätigkeit noch immer ein Schmuddel-Image: „Wie kann man sich bloß für einen Nebenjob in der Prostitution entscheiden? Das ist doch unter dem Niveau eines Akademikers und schon gar nicht tauglich für den Lebenslauf! Und wer weiß, womöglich rutschen die Prostituierten gar gänzlich ins Milieu und in ein Drogenumfeld ab?!“

Einschlägige Geschichten von derart gescheiterten Existenzen gibt es regelmäßig in der Belletristik und im Fernsehen. Es passt einfach nicht ins Bild, dass da jemand einem geregelten Job nachgeht oder tagsüber fleißig in der Uni sitzt, Vorlesungen besucht und für Klausuren büffelt – und abends freiwillig in ein sexy Outfit schlüpft, sich mit fremden Menschen trifft und seinen Körper verkauft.

Welche Motivation steckt also dahinter?

Wenig überraschend: Einer der Hauptgründe ist ganz schnöde – Geld. Gerade für Studenten sind die Verdienstaussichten ein wichtiger Aspekt, um die Kosten des Studiums decken zu können. Gut betuchte Kunden lassen sich die Begleitung für einen Abend oder für eine Nacht einiges kosten. Bei entsprechendem Niveau sind durchschnittliche Stundenlöhne von mehr als 100 Euro keine Seltenheit. Welcher andere Studentenjob bietet das schon?

Es ist nicht nur der Wunsch nach dem schnellen Geld, der reizt. Nicht wenige treibt ebenso die eigene Neugier an. Der Wunsch, aus dem eigenen, vielleicht eher langweiligen Leben auszubrechen, die eigenen (sexuellen) Grenzen auszuloten oder diese auch einmal zu überschreiten und gesellschaftliche Regeln zu brechen.

In einem Interview mit der „ZEIT“ sagt zum Beispiel die 25-Jährige Annabell (deren Name geändert wurde):

Mir war einfach langweilig, und ich war neugierig.

Ausschlaggebend ist oft die Kombination aus beidem: Die Aussicht hohe Bezahlung bei vergleichbar geringem Zeitaufwand – und das (sexuelle) Abenteuer, das sich dabei viele erhoffen.

Prostitution als Nebenjob: Keine reine Frauensache

Wer glaubt, Prostitution sei eine Domäne von Studentinnen, irrt. Die Studie „Nebenjob Prostitution“ kam zu dem Resultat, dass die Anteile der Geschlechter nahezu gleichmäßig verteilt sind. Es gehen fast genauso viele Männer wie Frauen einem Nebenjob in der Prostitution nach.

Unterschiede gibt es allerdings in der sexuellen Orientierung, besonders bei den männlichen Teilnehmern der Studie. So gaben 51 Prozent der Studenten, die als Sexarbeiter tätig sind, an, homosexuell oder bisexuell zu sein. Laut Studie gibt es dafür zwei Gründe:

  • Zunächst – ganz wirtschaftlich betrachtet – beeinflusst die Nachfrage das Angebot. Die Kunden, sowohl von weiblichen als auch männlichen Sexarbeitern, sind fast ausschließlich Männer. Die Nachfrage von Frauen ist hingegen gering.
  • Der zweite Grund sei die Einstellung zur Prostitution selbst. Der Austausch von Sex gegen Geld besitze in der Schwulen-Szene einen anderen Stellenwert mit vergleichsweise hoher Normalität, schreiben die Autoren der Studie.

Prostitution: Immer noch ein Tabu-Thema?

Immer wieder bekommt das Thema Prostitution große Aufmerksamkeit durch autobiografische Romane oder anonyme Kolumnen in den Medien. Nachhaltig am Image geändert hat sich dadurch aber wenig. Das horizontale Gewerbe bleibt für viele ein Tabu-Thema und ein beruflicher Bereich am Rande der Gesellschaft.

Nur wenige haben das Selbstvertrauen, offen dazu zu stehen, womit sie sich Geld dazuverdienen. Die überwiegende Mehrheit versucht entweder (auch gegenüber der eigenen Familie), damit gänzlich im Verborgenen zu bleiben oder erfindet kurzerhand einen anderen, anerkannteren Job, um zu erklären, woher das Geld kommt.

Einfach ist das nicht. Denn die Sexarbeiter selbst sehen sich oft ganz anders. So schreibt etwa Eva Morgenstern in ihrer Sex-Kolumne:

Ich fühle mich weder beschmutzt, noch beschämt, noch habe ich das Gefühl, meinen Körper oder gar meine Seele zu verkaufen.

Hure: Mehr Schimpfwort als Beruf

Schließlich handele sie aus eigener Entscheidung heraus – freiwillig und ohne finanziellen Zwang. Allerdings wissen viele Betroffene auch um die Gefahr, in eine Schublade gesteckt zu werden. „Hure“ ist eben nach wie vor mehr Schimpfwort als Berufsbezeichnung.

Nebenjob Prostitution: Wie wirkt sich das auf die Karriere aus?

Insbesondere für Hochschul-Absolventen in spe hat der Nebenjob Prostitution keine langfristige Perspektive. Die Zielsetzung ist für die meisten klar: Spätestens mit dem Ende des Studiums endet auch die gewerbsmäßige Sexualität – raus aus dem Rotlicht, rein ins Neonlicht der Berufswelt.

So lauten zumindest die Vorsätze. Was viele allerdings unterschätzen, ist der Gewöhnungseffekt: Das hohe Honorar, der mitunter abwechslungsreiche Lebenswandel – all das ermöglicht einen vergleichsweise hohen Lebensstandard. Entsprechend schwer fällt vielen dann der Schritt zurück in die meist routinierte Ödnis des Arbeitsalltags. Insbesondere als Berufseinsteiger mit noch wenig Gehalt und Verantwortung.

Nur wenige schaffen den Absprung

Das bestätigt auch Alexandra Aden in einem Interview mit der „WELT“ und rät anderen Frauen von dem Weg, den Sie einst selbst gewählt hat, heute ab:

Sie sollten erst einmal versuchen, einen anderen Job zu finden. Die Gefahr, dass man sich als Teilzeithure an das Geld gewöhnt und den Absprung nicht schafft, ist einfach zu groß.

Im besten Fall gelingt der Absprung und Neuanfang im eigentlich gelernten Beruf mit dem Studienabschluss. Wie vielen das gelingt – darüber gibt es leider noch keine Studien. Und leichter wird es durch den Nebenjob sicher nicht. Schließlich handelt es sich bei der Prostitution um eine Position, deren Erfahrungen, Qualifikationen und Referenzen wohl nie im Lebenslauf angegeben werden (können).


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