Was besagt das Rubikon-Modell – einfach erklärt?
Das Rubikon-Modell erklärt psychologisch, warum wir manche Ziele erreichen, andere nicht. Viele kennen das Phänomen der Neujahrsvorsätze: Man will mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport treiben, endlich für die Prüfung lernen oder sich zur Hausarbeit aufraffen. Doch der anfängliche Elan verpufft schnell.
Das Modell unterscheidet vier Phasen eines solchen Vorhabens: die Abwägephase, die Planungsphase, die Handlungsphase und die Bewertungsphase. Alle Phasen sind entweder mit Motivation oder Volition verbunden. Um diese Bewusstseinslagen besser zu verstehen, erläutern wir beide Begriffe.
Definition von Motivation und Volition
Als Motivation bezeichnet man die Gesamtheit aller Beweggründe, die jemanden zu einer Entscheidung bewegen. Es läuft ein emotionaler Prozess ab, wenn Sie sich Ziele setzen und diese bewerten. Dementsprechend stark (oder gering) sind Sie motiviert und danach richtet sich Ihr Verhalten in Bezug auf das Ziel.
Mit Volition ist die Willenskraft gemeint, mit der ein Mensch zielgerichtet seine Motive, Gedanken und Gefühle aktiv umsetzt. Um also Ziele zu erreichen, braucht es beides.
Aufbau: Rubikon-Modell der Handlungsphasen
Klar ist, dass Sie in die Aktion gehen müssen, wenn Sie etwas erreichen wollen. Nur wie genau hängen Wünsche, Ziele, Motivation und Handlung zusammen? Wie lässt sich das Ganze unter motivationspsychologischen Gesichtspunkten erklären? Heckhausen und Gollwitzer verdeutlichen dies anhand der vier Phasen des Rubikon-Modells:
1. Abwägen (prädezisionale Phase)
In der ersten Phase spielt die Motivation eine große Rolle, es geht um Bestimmung von Zielen. Es wird geschaut, welche Chancen und Risiken bestehen, denn längst nicht alle Wünsche lassen sich umsetzen. Von Bedeutung ist daher eine solide Auswahl, so dass riskante oder unwahrscheinliche Wünsche aussortiert werden. Es folgt die Konzentration auf die, die sich mit den vorhandenen Mitteln am ehesten realisieren lassen.
2. Planen (postdezisionale/präaktionale Phase)
Diese zweite Motivationsphase beschäftigt sich mit der Planung. Nachdem die Wünsche geklärt sind, geht es um die Frage, wie sie sich umsetzen lassen. Im Fokus der Überlegungen steht die Effizienz: Wie lässt sich mit möglichst wenig Aufwand das Ziel erreichen?
Hier werden die Entscheidungen getroffen, wann, wo und wie gehandelt zu handeln ist, so dass die Zielerreichung wahrscheinlich wird. Die Planungsphase markiert gleichzeitig den Übergang von Motivation zu Volition, so dass man ab einem bestimmten Punkt nur noch das Ziel verfolgt. Alles, was kontraproduktiv wäre – Ablenkungen, Unterbrechungen oder selbstschädigendes Verhalten – unterlassen Sie.
3. Handeln (aktionale Phase)
Die dritte Phase ist die Handlungsphase, in der die Dinge umgesetzt werden, die zur Zielerreichung notwendig sind. Die Themen für die Klausur werden gelernt und der Sportkurs wird nicht geschwänzt. Die Aufgaben werden abgearbeitet. Ist eine gewisse Routine vorhanden und lässt sich die Person bewusst auf das ein, das zu tun ist, gerät sie irgendwann in den Flow. Ist die Volition ungebrochen stark, schaltet man mögliche Zeitfresser automatisch aus. Gleichzeitig ist diese Phase die physisch und psychisch anstrengendste, weshalb Ruhepausen notwendig sind.
4. Bewerten (postaktionale Phase)
In der letzten Phase erfolgt die Bewertung anhand eines Soll-Ist-Vergleichs. Wie erfolgreich waren Sie, konnten Sie die Motive umsetzen? Hier stellen Sie fest, welche Handlungsschritte sich gelohnt haben. Ebenso analysieren Sie im Falle eines Misserfolges, ob Sie an einigen Punkten nachbessern müssen. Das Ergebnis wirkt sich auf zukünftige Entscheidungen aus.
In der ersten und letzten Phase des Rubikon-Modells steht die Motivation im Vordergrund, weshalb diese auch motivationale Phasen heißen. In der zweiten und dritten Phase ist Willenskraft erforderlich, sie gelten daher als volitionale Phasen.
Rubikon-Modell: 4 Phasen (PDF)
Die obigen vier Phasen des Rubikon-Modells können Sie sich nachfolgend als kostenloses PDF herunterladen:
Anwendung im Alltag
Wie bei jedem Modell, handelt es sich beim Rubikon-Modell um einen idealtypischen Vorgang vom Wunsch zum Ziel. Häufig ist es so, dass Menschen hochmotiviert sind, diese Motivation aber nicht umsetzen können. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur. Beispielsweise kann es in der prädezisionalen Phase passieren, dass neben den Wunsch Bedenken treten.
In anderen Fällen sind Sucht oder schlechte Angewohnheiten die Ursache. Die motivieren zu einem kontraproduktiven Verhalten. Allerdings verfügen wir mit unserer Volition über die Chance, entgegen momentaner Motivation zu handeln. Zwei Beispiele dafür:
Rubikon-Modell: Beispiel Rauchen
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Abwägephase
Die alte Motivation ist, eine Zigarette zu rauchen und der Sucht beziehungsweise der Gewohnheit nachzugehen. Da die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit bekannt und Zigaretten zudem teuer sind, wächst eine neue Motivation: mit dem Rauchen aufzuhören. Wer es geschafft hat, schwärmt von gesteigerter Lebensqualität und besserem Geschmacksempfinden. Studien bescheinigen zudem eine gesteigerte Lebenserwartung um mehrere Jahre. Gleichzeitig kennen Sie die Rückfallgefahr.
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Planungsphase
Sie informieren sich, welche Möglichkeiten es zur Unterstützung gibt: Langsame Nikotinentwöhnung mittels E-Zigarette, Kaugummis und Nikotinpflaster; alternative Methoden wie Akupunktur und Hypnose. Sie planen, sofort aufzuhören und schmeißen die angefangene Schachtel Zigaretten weg.
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Handlungsphase
Sie merken, dass Sie in vielen sozialen Situationen rauchen – auf Partys mit anderen, nach dem Essen oder um Wartezeiten zu überbrücken. Um jetzt nicht schwach zu werden, besorgen Sie sich moralische Unterstützung: Sie besuchen ein mehrstündiges Entwöhnungsprogramm in der Gruppe. Für kritische Situationen wappnen Sie sich – indem Sie das Neinsagen üben, falls man Ihnen eine Zigarette anbietet. Oder indem Sie sich Beschäftigung und Ablenkung für Situationen suchen, in denen Sie rauchen wollen (beispielsweise Essen, Sport oder ein Hobby).
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Bewertungsphase
Wie motiviert Sie bleiben, hängt vom Erfolg und vom Willen ab: Der Gesundheitsaspekt ist unschlagbar. Allerdings haben Sie drei Kilogramm zugenommen, seit Sie mit dem Rauchen aufgehört haben. Andererseits fällt das Treppensteigen deutlich leichter, auch bemerken Sie den fiesen Geruch von Zigarettenrauch. Die Positivliste überwiegt, das Nichtrauchen gelingt immer besser.
Rubikon-Modell: Beispiel Sport
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Abwägephase
Sie wollen joggen, weil Sie wissen, dass sich das positiv auf die Stimmung, Ihr Körpergefühl, die allgemeine Fitness und die Figur auswirkt. Gleichzeitig befürchten Sie, dass es ganz schön anstrengend wird – schließlich waren Sie bereits seit einem Jahr nicht mehr joggen. Sie wägen gegenüber all den Verlockungen ab und fragen sich gleichzeitig, ob einmaliges Joggen wirklich so gewinnbringend ist.
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Planungsphase
In dem Moment, in dem Sie den inneren Schweinehund überwinden, überschreiten Sie den Rubikon im Rubikon-Modell. Sie befinden sich nun in der planenden Phase und nun ist es fast egal, was noch passiert. Sie richten sich einen festen Termin ein.
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Handlungsphase
Ganz gleich, ob es nun draußen regnet oder kurzfristig Ihr Joggingpartner abgesagt hat – Sie werden das Ding durchziehen. Hätten Sie hingegen in der vorherigen Phase Kenntnis vom Wetter gehabt oder Ihr Freund von vornherein abgesagt, wären diese Informationen in Ihre Entscheidungsfindung eingeflossen und Sie wären vermutlich auf dem Sofa sitzen geblieben.
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Bewertungsphase
Mit Erreichen Ihres Ziels beginnt die letzte Phase. Die Willenskraft tritt jetzt in den Hintergrund, denn Sie waren joggen. In der postaktionalen Phase geht es um die Bewertung Ihres Ergebnisses: Hat es sich gelohnt, joggen zu gehen? Fühlen Sie sich fitter? War die Überwindung sehr groß? In dieser motivationalen Phase gelangen Sie dann zu einer Erkenntnis, die Sie für oder gegen das Joggen entscheiden lässt.
Geschichte: Wieso eigentlich Rubikon-Modell?
Das Rubikon-Modell verdankt seinen Namen dem großen Feldherrn Cäsar. Der entschied sich nach Phasen des Abwägens und Planens mit Überqueren des italienischen Flusses Rubikon für einen Krieg. Die verbindliche Entscheidung am Ende der ersten, der prädezisionalen Phase, bezeichnet die Motivationspsychologie als „das Überschreiten des Rubikons“. Auch wenn unsere Entscheidungen im Allgemeinen keinen Bürgerkrieg auslösen: „Den Rubikon zu überschreiten“ bedeutet, dass jemand fest und unwiderruflich entschlossen ist. Er ist sich in seiner Zielverfolgung sicher und beginnt, das Ziel konkret zu planen und umzusetzen.
Großen Anklang findet das Rubikon-Modell im Bereich des Coachings. Dort gibt es eine Weiterentwicklung zum Zürcher Ressourcen Modell, das eine weitere Stufe enthält.
Mit Disziplin zum Erfolg
Um ins Handeln zu kommen, sind Selbstdisziplin und unterstützende Tricks von Vorteil:
- Mitstreiter suchen
Beispielsweise können sich Sie mit jemanden verabreden. So können Sie die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass Sie selbst Ihr Joggingdate canceln. Oder Sie suchen sich Gleichgesinnte, die ebenfalls mit dem Rauchen aufhören wollen. - Gewohnheiten ändern
Statt nach dem Mittagessen eine zu rauchen, könnten Sie nun eine Runde um den Block drehen. Statt sich erst gemächlich für den Tag fertig zu machen, könnten Sie direkt nach dem Aufstehen bereits in die Joggingklamotten steigen. - Motivation ankurbeln
Als zukünftiger Ex-Raucher könnten Sie sich die Vorteile ausmalen: Sie können durchatmen, schmecken intensiver, verlängern Ihr Leben… Fürs Joggen können Sie sich mit Ihrer Lieblingsmusik motivieren.
Kritik am Rubikon-Modell
Das Rubikon-Modell ist eine theoretische Herleitung, wie bestimmte Prozesse ablaufen können. Wie jede Theorie, ist auch dieses Modell nicht völlig unumstritten. Beispielsweise entsteht irrtümlich der Eindruck eines festen, chronologischen Ablaufs. Die Kritikpunkte im Einzelnen:
Trennung nicht haltbar
In den wenigsten Fällen laufen Entscheidungen und Handlungen so klar getrennt ab. Vielmehr wird es in der Realität immer mal wieder zu Überlappungen zwischen einzelnen Phasen oder deren Wiederholung kommen. Gerade wenn sich herausstellt, dass eine Sache deutlich komplexer als zu Beginn angenommen ist, werden womöglich Entscheidungen neu getroffen.
Vermischung der Phasen
Kritiker merken an, dass sich nicht nur Handlungsschritte wiederholen, sondern die motivationalen und volitionalen Aspekte in der jeweiligen Phase oft vermischt seien. Beispielsweise spielt Zielgerichtetheit immer eine Rolle.
Mangelhafte Unterscheidung der Motivation
Das Rubikon-Modell unterscheidet nicht zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischer Motivation. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Selbstmotivierung und äußerer Druck sich auf Handlungen beziehungsweise den Erfolg unterschiedlich auswirken.
Dennoch beschreibt es anschaulich das Zusammenspiel der motivationalen und volitionalen Phasen in verschiedenen Handlungsprozessen. Somit bietet das Rubikon-Modell eine gute Chance, die eigenen gedanklichen Vorgänge zu reflektieren.
Selbstkontrolle in vier Bereichen
Im Wesentlichen geht es dabei um Selbstkontrolle in diesen vier Bereichen:
- Aufmerksamkeit
Schalten Sie Zeitfresser aus und vermeiden Sie alles, was Sie von Ihrem Ziel abbringen könnte. - Selbstmotivation
Halten Sie sich vor Augen, wie glücklich Sie erst sind, wenn Sie das Ziel erreicht haben, wozu Sie das Ganze machen und wie es Sie weiterbringen wird. - Emotionen
Unterstützen Sie sich mit positivem Denken, blenden Sie die negativen Seiten (Überwindung, Unlust, schlechtes Wetter…) aus. - Umgebung
Schaffen Sie die richtigen Rahmenbedingungen für das, was Sie erreichen wollen. Das kann ein ruhiger Ort sein, wenn Sie lernen müssen. Das können ebenso die richtigen (weil motivierenden) Personen sein, die Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen.
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