Bauchentscheidung ist schneller – und oft besser
Eine kleine Anekdote zur Bauchentscheidung: Zehn Millionen Dollar. Soviel sollte die Statue eines griechischen Jünglings kosten, die ein Kunsthändler dem Getty-Museum in Los Angeles anbot. Die Kunstkenner prüften den Marmor auf seine Echtheit, mit Elektronenmikroskop, Massenspektrografie, Röntgenstrahlen. Das volle Programm. Dann stand fest: Das Ding ist echt.
Falsch! Noch bevor der Kaufvertrag unterschrieben wurde, warf der ehemalige Leiter des Metropolitan Museum of Art in New York, Thomas Hoving, einen Blick auf die Plastik. Sein Bauch sagte ihm: „Der Steinbube ist unecht.“ Was Maschinen nicht enthüllen konnten – sein Bauch konnte es, in einem Augenblick. Moral von der Geschichte: Bauchentscheidungen sind keinen Deut schlechter als die des Verstandes, dafür aber zig Mal schneller.
Studien zum Effekt der Bauchentscheidung
Studien bestätigen die Macht der Bauchentscheidung. Psychologin Sian Leah Beilock von der Universität Chicago fand heraus, dass Profi-Golfspieler am besten spielen, wenn sie keine Zeit haben, über ihren Schlag nachzudenken. Nur bei Anfängern ist es umgekehrt. Der US-Neurologe Antonio Damasio wiederum zeigt: Die Bauchentscheidung ist schneller: In einem präparierten Kartenspiel merkten Probanden intuitiv bereits früh, dass etwas falsch lief – der bewusste Verstand kam erst viel später hinter den Trick.
Der Amsterdamer Psychologe Ap Dijksterhuis erweiterte das sogenannte Poster-Experiment: Drei Gruppen mussten sich für ein Bild entscheiden. Die einen nach reiflicher Überlegung, die Zweiten spontan und die letzte Gruppe per Bauchentscheidung – nach einem kurzen Blick wurden sie von den Bildern abgelenkt. Ergebnis: Auch Wochen später waren die Bauchentscheider am zufriedensten mit der Wahl. Die durchdachte Entscheidung führte hingegen mehrheitlich zu Unzufriedenheit.
3 Techniken, wie Sie bessere Enscheidungen treffen
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Wichtigkeit
Wir treffen am Tag hunderte Entscheidungen – und die meisten davon sind minder relevant: Welche Socken ziehe ich heute an? Mache ich mir jetzt einen Kaffee? Das gilt auch für scheinbar wichtige Alternativen. Manchmal ist es schlicht egal, ob Sie sich so rum oder so rum entscheiden. Quälen Sie sich nicht damit, das hält dann nur auf.
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Wertigkeit
Gleichen Sie Ihre Wahl mit Ihren Werten ab: Was bringt Sie Ihren Zielen wirklich näher? Was ist Ihnen wirklich wichtig und lässt sich auch mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Wenn Sie diese Fragen ehrlich beantworten, werden Sie Ihre Entscheidungen nie bereuen – und sich selbst treu bleiben. Ihre Ziele sollten Sie allerdings kennen.
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Bauchgefühl
Trauen Sie Ihrer Intuition. Halten Sie sich nicht zu lange mit den Was-wäre-wenn-Kaskaden auf. Natürlich ist es wichtig, möglichst viele Informationen zu haben, um gute Entscheidungen zu treffen. Aber vollständige Information gibt es nicht. Jede Wahl beinhaltet immer auch ein Restrisiko.
Der Bauch nutzt ein Füllhorn unterbewusster Informationen
Die Macht der Intuition ist nachweislich groß, genießt aber einen zweifelhaften Ruf: zu viel Gefühl, zu wenig Verstand. Gerade bei wichtigen Entscheidungen mit Tragweite fällt es vielen Menschen schwer, der Bauchentscheidung zu vertrauen. Stattdessen wollen sie abwägen, analysieren, kalkulieren – auf Basis belastbarer Fakten.
Wer seine Bauchentscheidung ignoriert, beraubt sich einer wichtigen Technik und essentiellen Kraft, Entscheidungen deutlich zu vereinfachen und qualitativ zu verbessern. Was übersehen wird: Bauchentscheidungen basieren zwar auch auf Emotionen. Im Kern aber steckt dahinter ein ganzes Füllhorn an Informationen, die nur nicht sofort und bewusst abgerufen werden können. Im Unterbewusstsein verfügen wir über einen gigantischen Pool an Wissen, Erfahrungen und Kompetenzen.
Kopf oder Bauch? Gute Gründe für den Bauch
Die Intuition speist sich aus diesem Reservoir und bezieht viel mehr Faktoren und Aspekte in die Wahl mit ein, als es bei einer bewussten Entscheidung möglich wäre.
Bitte nicht falsch verstehen: Dies ist kein Plädoyer, Entscheidungen künftig nur noch intuitiv zu treffen. Das wäre genauso falsch. Auch unser Bauchgefühl ist fehlbar und kann irren. Allerdings können und sollten wir unsere Optionen mittels Bauchentscheidung zumindest noch einmal überdenken und aus einer neuen Perspektive betrachten.
Wobei kann mir Intuition im Beruf helfen?
Gerade im Job scheint es um analytisches Denken, genaue Recherche und lange Entscheidungsprozesse zu gehen. Tatsächlich sind Bauchentscheidungen hier besonders hilfreich und wichtig. Fast jeder Beruf kennt Situationen, in denen wir blitzschnell entscheiden müssen, ohne es wirklich zu können. Im Büro stehen Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 60 Prozent unter Zeitdruck. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ermittelt.
Es bleibt keine Zeit, sich vor einer Entscheidung genüsslich zurückzulehnen. Die zunehmende Arbeitsverdichtung, flache Hierarchien und schlanke Entscheidungswege zwingen dazu, sich mit immer mehr operativen Entscheidungen zu beschäftigen. Hinzu kommen die modernen Kommunikationsmittel: Dank E-Mail und Smartphones sind wir permanent erreichbar, eine Gnadenfrist gibt es nicht mehr: Fast zeitgleich wird mit der Anfrage auch eine Entscheidung erwartet.
Heldennotausgang Bauchentscheidung
Die Bauchentscheidung kann Ihnen als Frühwarnsystem ebenso dienen wie den Weg in die richtige Richtung weisen. Wo Sie Ihre Intuition im Job sinnvoll nutzen können, zeigen die folgenden Beispiele und Anregungen:
- Hilfe und Beschleunigung bei der Problemlösung.
- Bessere Reaktion auf Kollegen durch intuitive Wahrnehmung. Vorteile für das Netzwerk.
- Sie haben intuitiv ein schlechtes Gefühl für das Projekt? Prüfen Sie die möglichen Risiken!
- Bauchentscheidung für die Wahl von Fort- oder Weiterbildungen.
- In Meetings oder Diskussionen Themen ansprechen, die Sie intuitiv für sinnvoll und wichtig halten
- Beförderung oder Jobwechsel: Bauchentscheidung kann ein Hinweis sein, die Stelle genauer zu prüfen.
- Wer als Teamleiter Aufgaben delegieren muss, sollte bei der Wahl des passenden Teammitglieds auch auf sein Bauchgefühl hören.
- Bei der Personalauswahl ist die Bauchentscheidung wichtig.
Keine Frage, strategisches Denken und die Fähigkeit, Probleme umfassend zu analysieren, sind für die Arbeit von Vorteil. Sie verleiten jedoch auch dazu, sich in Details zu verrennen oder den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Vor allem bei komplexen Veränderungen und Entscheidungen kann Ihnen die sonst wichtige Denkweise in die Quere kommen. Stress macht betriebsblind. Hier fahren Sie mit Intuition oft besser.
Kopf oder Bauch: Was bedeutet das für künftige Entscheidungen?
Mehr als 20 Jahre ist es her, dass dem US-Neurophysiologen Benjamin Libet aufgefallen ist, dass unser Gehirn etliche Sekunden vor der eigentlichen Entscheidung aktiv wird. Damals entstand eine heftige Diskussion über die tatsächliche Willensfreiheit des Menschen – denn womöglich haben wir schon entschieden, bevor wir das bewusst tun. Aber: andere Geschichte…
Die Wirkung von Kopf- und Bauchentscheidung zeigt sich, wenn wir mit gegensätzlichen Emotionen konfrontiert werden. Versuchung und Angst vor dem Scheitern etwa. Im Kopf laufen parallel zwei Analyseprozesse – oder kurz: Sie wägen ab, welches Risiko überwiegt und welche Entscheidung die größeren Chancen verspricht. Wie schnell emotionale beziehungsweise rationale Denkprozesse auf einen Entscheidungsreiz reagieren, zeigten Harvard-Wissenschaftler:
- 220 bis 260 Millisekunden nach dem Reiz fühlen wir: „Das will ich“ oder „Das mag ich“.
- Erst ab der 480. bis 640. Millisekunde setzt der Verstand ein und kalkuliert.
Kurz gesagt: Die Bauchentscheidung ist doppelt so schnell wie der Kopf. Was der Verstand allerdings auch tut: Er suggeriert. Wir versuchen eine Entscheidung rational zu begründen, die wir emotional schon längst gefällt haben. Das Ganze basiert nicht selten auf unserem psychologisch tief verwurzeltem Bedürfnis, Recht zu haben. Fehler.
Übung: Entscheiden aus dem Bauch heraus
Ändern Sie Ihre Entscheidungsroutinen und achten Sie mehr auf Ihren Bauch:
- Von Kunstkenner Hoving und Golfforscherin Beilock lernen wir: Wenn Sie sich auf Ihrem Gebiet auskennen, dann trauen Sie Ihrem Bauch; sind Sie Laie – machen Sie lieber Ihre Hausaufgaben und benutzen Sie den Kopf!
- Von den Psychologen Damasio, Dijksterhuis & Co. wiederum wissen wir: Je komplexer das Problem, desto klarer sieht das Unterbewusste, während der Verstand vernebelt wird. Also hören Sie in solchen Fällen besser auf Ihren Bauch!
Ein kleiner Selbstversuch zum Schluss: Welche Stadt hat mehr Einwohner – San Antonio oder San Diego?
Richtig: San Diego! Wieder hat Sie Ihre Bauchentscheidung Sie geleitet und sagte: „Nimm das Bekanntere!“ Der Versuch ist allerdings nicht von mir. Der Berliner Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Gerd Gigerenzer, hat solche Fragen mehrfach gestellt. Auch in den USA. Die meisten Amerikaner tun sich mit der obigen Frage übrigens schwer – sie kennen beide Städte.
Häufige Fragen zu Intuition und Bauchgefühl
Intuition lässt sich durch drei Eigenschaften definieren: Gesammeltes Erfahrungswissen (1), das spontan in unser Bewusstsein dringt (2), ohne dass wir dafür lange überlegen oder rational abwägen müssen (3). Dank diesen Eingebungen, Vorahnungen und Impulsen sind wir in der Lage, schnellere und bessere Entscheidungen zu treffen sowie komplexe Zusammenhänge zu erkennen. Tatsächlich ist die Intuition rund doppelt so schnell wie der Verstand.
Bauchgefühl und Intuition sind Synonyme. Ähnlich wie Eingebung, innere Stimme, Riecher oder sechster Sinn. Einen echten Unterschied gibt es nicht. Und auch das Bauchgefühl sitzt im Gehirn. Genauer: im limbischen System. Dieser Teil des Gehirns greift auf gespeicherte Erfahrungen, Muster und Gefühle zurück und kann unbewusst und instinktiv reagieren.
Auch wenn es Bauchgefühl heißt, handelt es sich bei der Intuition eher um einen Impuls, eine Einsicht oder Eingebung. Wir gewinnen spontan die Gewissheit: Das ist richtig – und das falsch! Weil wir dieses Wissen nicht rational und mit dem Verstand erklären können, fühlen wir es – irgendwo zwischen Bauch und Herz. Entstanden ist aber auch das im Kopf und Unterbewusstsein.
Wie gut und zuverlässig eine intuitive Bauchentscheidung ist, hängt maßgeblich von bisherigen Erfahrungen ab, die zudem auf die Situation anwendbar sein müssen. Wer über spezifisches und passendes Wissen verfügt, kann seiner Intuition eher trauen als jemand, der vor einer komplett neuen Herausforderung steht und über keinerlei Vorerfahrung verfügt. Intuitives Handeln ist also nicht automatisch gut oder schlecht und das Bauchgefühl hat nicht immer Recht.
Je komplexer eine Entscheidung oder ein Dilemma, desto mehr sollte man seinem Unterbewusstsein und Bauch vertrauen. Denn das Bauchgefühl greift – unbewusst – auf Millionen gespeicherte Erfahrungen, Erinnerungen und Emotionen zurück. Binnen Sekunden – und das sind weitaus mehr Informationen als das bewusste Gedächtnis abrufen kann. Das Gute daran: Der Zugang zu unserer Intuition lässt sich trainieren.
Die Intuition ist meist eine plötzliche Erkenntnis, eine Art innere Stimmung und Eingebung, die ohne Nachdenken oder rationales Entscheiden entsteht. Wenn Sie auf einmal merken „Genau so muss es funktionieren“ oder „Das ist die richtige Option“, weist die Intuition den Weg.
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