Blind-Signing im Bewerbungsprozess: Achtung Falle!

Ein Arbeitsvertrag ist schnell unterschrieben, hat aber weitreichende Folgen. Blind-Signing ist ein junges Phänomen und gefährlicher Trend bei verzweifelten Arbeitnehmern auf Jobsuche. Die „blinde“ Unterschrift ohne genaue Prüfung schadet der Karriere enorm. Was Sie dagegen tun können…

Blind Signing Definition Bedeutung Ursachen Was Tun Vermeiden Checkliste

Definition: Was bedeutet Blind-Signing?

Blind-Signing bezeichnet die vorschnelle und oft unüberlegte Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag, ohne dass sich Bewerber oder Jobwechsler zuvor ausreichend über die Aufgaben und Rahmenbedingungen informiert haben.

Das Blind Signing führt in der Praxis häufig zu Enttäuschungen, Unzufriedenheit und schnellen Kündigungen – oft noch in der Probezeit.

Das blinde Unterschreiben gibt es auch andersherum: Aufgrund von akutem Fachkräftemangel sind Arbeitgeber so verzweifelt, dass sie dem erstbesten Kandidaten sofort einen Arbeitsvertrag anbieten.

Blind Signing bei Kryptowährung oder IT-Sicherheit

Der Begriff „Blind-Signing“ bzw. „Blind-Signature“ (= Blindunterschrift) kommt ursprünglich aus der Krypto- und IT-Welt und beschreibt dort das Unterschreiben einer Nachricht, ohne deren Inhalt zu kennen – z.B. bei anonymen Zahlungssystemen oder bei digitalen Wahlverfahren. Der Kölner Karrierecoach Bernd Slaghuis hat das „blinde Unterschreiben“ im Jahr 2022 erstmals auf die Bewerbung übertragen.

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Was sind die Blind-Signing Gründe und Ursachen?

Der jüngere Trend zum Blind-Signing liegt vor allem in der akuten Wirtschaftskrise und Rezession in Deutschland. Durch größere Entlassungen verlieren aktuell viele Arbeitnehmer ihre Jobs und versuchen den Verdienstausfall und Einkommensverlust kurzfristig und schnell wieder auszugleichen.

In der Folge nehmen sie Jobangebote an, die weder ihren Vorstellungen und Erwartungen entsprechen, noch zu Ihren beruflichen Zielen oder der Persönlichkeit passen.

Hinzu kommt, dass manche Arbeitgeber Bewerber unter Druck setzen oder ihnen suggerieren, der Arbeitsvertrag müsse sofort unterschrieben werden. Muss er nicht! Sie sind niemals verpflichtet, sofort zu unterschreiben. Üblich sind mindestens 3 Tage Bedenkzeit. In dieser können Sie den schriftlichen Vertragsentwurf mit nach Hause nehmen und gründlich prüfen.

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Welche Folgen hat Blind-Signing?

Das Blind-Signing hat weitreichende negative Folgen – sowohl für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber:

    Negative Effekte für Arbeitnehmer

  • Frustration im Job

    Arbeitnehmer, die einen Vertrag vorschnell unterschreiben, sind häufig enttäuscht, wenn sich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen und Aufgaben erheblich von den Erwartungen unterscheiden. Verpasste Karrierechancen sind die Folge.

  • Rechtliche Risiken

    Übersehene oder missverstandene Klauseln im Arbeitsvertrag können zu rechtlichen Problemen oder finanziellen Nachteilen führen – z.B. durch ungünstige Kündigungsfristen, versteckte Verpflichtungen oder eine schlechte Gehaltsentwicklung.

  • Psychische Belastung

    Wiederholte Fehlstarts und schnelle Jobwechsel können das Selbstbewusstsein und den Lebenslauf beschädigen (siehe: Scarring-Effekt). Darunter leiden dann Psyche und die wiederkehrende Jobsuche.

  • Schnelle Kündigungen

    Durch Blind-Signing kommt es häufig schon in der Probezeit zu Kündigungen. Durch viele Jobwechsel wächst die Gefahr von Jobhopping, was ebenfalls dem Lebenslauf schadet.

  • Negative Effekte für Arbeitgeber

  • Hohe Fluktuationskosten

    Die Kosten für Rekrutierung, Einarbeitung und verlorene Arbeitszeit steigen, wenn neue Mitarbeitende das Unternehmen schnell wieder verlassen.

  • Steigende Team-Unruhe

    Häufige Personalwechsel stören den Teamgeist und können sowohl die Motivation und Produktivität der bestehenden Belegschaft negativ beeinflussen.

  • Sinkende Mitarbeiterbindung

    Fehlbesetzungen führen dazu, dass sich auch andere Mitarbeitende nicht mehr langfristig an das Unternehmen binden. Die abnehmende Loyalität erschwert die nachhaltige Personalplanung und Innovationsfähigkeit.

  • Reputationsschäden

    Ein hoher Anteil an schnellen Abgängen kann das Employer Branding und Image des Unternehmens als guter Arbeitgeber deutlich verschlechtern und die Attraktivität für zukünftige Bewerber mindern.

  • Rechtliche Auseinandersetzungen

    Unklare oder missverständliche Vertragsregelungen können zu Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht führen, wenn Arbeitnehmer nachträglich ihre Rechte einfordern.

Blind-Signing schadet nachweislich und langfristig beiden Seiten: Arbeitnehmer riskieren einen dauerhaften Karriereknick und psychische Belastungen, während Arbeitgeber mit hohen Kosten und Imageschäden rechnen müssen.

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Was kann ich gegen Blind-Signing tun?

Der erste Tipp gegen Blind-Signing und dessen Folgen ist zugleich der einfachste: Prüfen Sie jeden Arbeitsvertrags gründlich vor der Unterschrift! Lesen Sie sich den Vertrag vollständig und in Ruhe durch und nehmen Sie sich die Zeit, um alle Inhalte sorgfältig durchzugehen – auch das Kleingedruckte.

Darüber hinaus sollten Sie die folgende Checkliste der wichtigsten Vertragsinhalte abarbeiten. Achten Sie besonders auf folgende Punkte…

Arbeitsvertrag Checkliste

  • Vertragsparteien
    Stimmen Name und Anschrift von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
  • Vertragsdauer
    Sind Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses mit Datum eindeutig geregelt? Gibt es eine Befristung?
  • Probezeit
    Ist eine Probezeit vereinbart? Wie lange dauert sie?
  • Tätigkeitsbeschreibung
    Sind Aufgaben und Verantwortungsbereiche präzise definiert?
  • Arbeitsort
    Ist der Arbeitsort festgelegt oder sind Versetzungen beliebig möglich?
  • Arbeitszeit & Überstunden
    Wie sind Arbeitszeiten, Überstundenregelungen und Pausen geregelt?
  • Vergütung
    Ist das Gehalt eindeutig festgelegt – was ist mit Sonderzahlungen, Zuschlägen oder Prämien?
  • Urlaub
    Wie viele Urlaubstage stehen Ihnen zu? Was passiert mit dem Resturlaub?
  • Kündigungsfristen
    Welche Fristen gelten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Ideal: maximal 4 Wochen.
  • Nebentätigkeit & Wettbewerbsverbot
    Gibt es Einschränkungen oder Genehmigungspflichten bei Nebentätigkeit oder Wettbewerbsverbote?
  • Geheimhaltung & Vertragsstrafenklauseln
    Oft vergessen: Prüfen Sie zudem, ob und welche Sanktionen bei Verstößen vorgesehen sind.

Scheuen Sie sich nicht, offene Fragen und Unklarheiten mit dem Arbeitgeber zu besprechen oder Nachverhandlungen zu führen, wenn bestimmte Punkte für Sie nicht akzeptabel sind. Im Zweifel können Sie sich auch externe Unterstützung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einholen oder den Arbeitsvertrag mithilfe einer Gewerkschaft prüfen lassen, bevor Sie diesen (blind) unterschreiben.

Nutzen Sie hierfür auch unsere kostenlosen Checklisten:

Immer Rechtmäßigkeit und Vollständigkeit prüfen!

Wir empfehlen, zusätzlich immer den Vertrag auf unzulässige oder unklare Klauseln zu prüfen. Das gilt vor allem für die Formulierungen zu Überstunden, Versetzungsrechten, Ausschlussfristen oder Befristungen.

Halten Sie grundsätzlich alle mündlichen Absprachen, die Ihnen wichtig sind, schriftlich im Vertrag fest. Erst unterschreiben, wenn diese im Vertrag stehen. Auf nachträgliche Änderungen sollten Sie sich niemals einlassen!

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Welche Fragen sollte ich Bewerbungsgespräch stellen?

Um Blind-Signing im Bewerbungsprozess zu vermeiden, sollten Sie bereits das Vorstellungsgespräch nutzen und gezielt Fragen (sog. Rückfragen) stellen, um mehr über die Aufgaben, Unternehmenskultur, den Führungsstil oder Rahmenbedingungen zu erfahren.

Hier ist eine strukturierte Liste mit Fragen, die Sie im Bewerbungsprozess stellen können:

    1. Rolle & Erwartungen

  • Wie sieht ein typischer Tag (Woche) in dieser Position aus?
  • Welche Herausforderungen erwarten mich in den ersten Monaten?
  • Was sind die kurzfristigen Ziele in den ersten 3-6 Monaten?
  • Wie werden Leistungen und Erfolg bei Ihnen gemessen?
  • Warum ist die Stelle aktuell frei (Neubesetzung, Wachstum)?
  • 2. Team & Zusammenarbeit

  • Wie sieht das Team aus, mit wem arbeite ich zusammen?
  • Wie wird im Team kommuniziert (E-Mail, Tools, persönlich)?
  • Gibt es regelmäßige Teammeetings oder Feedbackrunden?
  • Wie werden Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten gelöst?
  • 3. Führung & Managementstil

  • Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
  • Wie oft gibt es Feedback- oder Mitarbeitergespräche?
  • Wie gehen Sie mit Fehlern um?
  • Was schätzen Mitarbeiter an der Führung?
  • Warum würden Mitarbeiter die Firma verlassen?
  • 4. Unternehmenskultur & Werte

  • Welche Werte sind dem Unternehmen wichtig?
  • Wie leben Sie diese im Alltag?
  • Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?
  • Wie offen sind Sie für Kritik und neue Ideen?
  • 5. Arbeitsbedingungen & Rahmen

  • Wie gehen Sie mit Überstunden oder Wochenendarbeit um?
  • Gibt es Regelungen zu Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit?
  • Wie transparent gehen Sie mit Gehältern oder Karrierepfaden um?
  • Wie wird die persönliche Weiterbildung unterstützt?
  • Wie kann ich mich in der Position entwickeln?

Entscheidend ist, dass Sie bereits VOR dem Bewerbungsgespräch Ihre „roten Flaggen“ (siehe: Red Flags) definieren und hier besonders genau nachfragen bzw. nachhaken. Wer hier mit vagen Antworten oder ausweichendem Verhalten reagiert, ist tendenziell raus – nichts unterschreiben!

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Arbeitsvertrag schon unterschrieben: Was tun?

Der ungünstige Fall ist: Sie haben den Arbeitsvertrag bereits blind unterschrieben und spüren nun Ihre aufkommende Unsicherheit und Unzufriedenheit. Was tun?

Auch in dem Fall können Sie noch einige Schritte und bewährte Strategien nutzen, um das Beste aus dem Blind-Signing zu machen. Unsere Empfehlungen:

  • Gespräch suchen

    Suchen Sie das Gespräch mit dem Arbeitgeber und Vorgesetzten, um Unklarheiten und Missverständnisse zu klären beziehungsweise um einige Punkte nachzuverhandeln. Wenn man Sie behalten will, sind die meisten Chefs zu Kompromissen bereit (siehe: Gehalt nachverhandeln).

  • Vertrag kündigen

    Lässt sich partout keine zufriedenstellende Lösung finden, können Sie immer noch eine Eigenkündigung aussprechen oder sich auf eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses (siehe: Aufhebungsvertrag) einigen. Tipps zum Kündigungsschreiben inkl. Vorlagen haben wir ebenfalls.

  • Präventiv Planen

    Lassen Sie sich nicht von Zeitdruck oder der Angst vor Lücken im Lebenslauf zu einer schnellen Entscheidung drängen. Bitten Sie in Zukunft stets um Bedenkzeit und nutzen Sie die Kündigung als Möglichkeit, Gespräche mit mehr Menschen zu führen – etwa zukünftigen Kollegen oder Ex-Mitarbeitern, um ein besseres Bild vom Unternehmen zu bekommen und Blind-Signing zu vermeiden.

Ansonsten gilt: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und nehmen Sie Ihre Intuition unbedingt ernst! Wenn Ihnen etwas komisch vorkommt oder Sie Zweifel an der Seriosität des Arbeitgebers oder Jobangebots haben, sollten Sie beide erst recht gründlich und ausgiebig prüfen (siehe: Job Scamming).


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