Lernen durch Beobachtung: Beispiele, Tipps zur Nachahmung

Wir lernen nicht nur durch eigenes Handeln, wir lernen durch Beobachtung. In der Psychologie wird diese Fähigkeit zur Nachahmung auch „soziales Lernen“ genannt: Wir schauen uns ab, was andere tun – und adaptieren das Verhalten in einer ähnlichen Situation. Wie das Lernen durch Beobachtung funktioniert und wie Sie es nutzen…

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Definition: Was ist Lernen durch Beobachtung?

Lernen durch Beobachtung ist eine Lerntheorie von Albert Bandura und erklärt, dass Menschen Verhaltensweisen und neue Dinge lernen, wenn sie Vorbilder beobachten, deren Verhalten sowie dessen Folgen analysieren und anschließend übernehmen.

Das soziale (auch: sozialkognitive) Lernen braucht Vorbilder, meist Eltern, Geschwister, Freunde, Lehrer, von denen wir etwas lernen und uns abschauen können. Das Konzept wird deshalb auch als Lernen am Modell bezeichnet.

Starke Gehirnaktivität bei Beobachtungen

„Lernen durch Beobachtung ist ein Eckpfeiler der Fähigkeit, unser Verhalten zu ändern“, sagt Itzhak Fried, Professor für Neurochirurgie und Psychiatrie an der Universität von Kalifornien. Es liegt in der menschlichen Natur, „lieber von den Fehlern anderer zu lernen, als eigene zu begehen.“

Laut Michael Hill, Neurowissenschaftler an der Universität Zürich sind bei der Beobachtung anderer Menschen im Gehirn bestimmte Neuronen beteiligt – besonders aktiv waren die Amygdala, der präfrontale Cortex und der cinguläre Cortex:

Lernen Durch Beobachtung Gehirn Verhalten

Vor allem der cinguläre Cortex an der Stirnseite des Gehirns feuert beim Beobachten unablässig elektrische Impulse. Diese Hirnregion ist auch aktiv, wenn wir Emotionen zeigen oder Entscheidungen treffen. Ganz bestimmte Nervenzellen in unserem Gehirn verarbeiten demnach die Informationen, die wir beim Beobachten anderer Menschen sammeln.

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Lernen durch Beobachtung: Beispiele

Lernen durch Beobachtung ist ein ständiger Prozess – in der Schule, im Job und auch im Alltag – typische Beispiele:

  • Kinder beobachten Eltern beim Sprechen, Essen oder Anziehen. Sie übernehmen Worte und Handlungen.
  • Auszubildende schauen sich Lösungswege, Arbeitsweisen und Handgriffe bei erfahrenen Kollegen ab.
  • Sportler kopieren erfolgreiche Profis und machen Bewegungen oder Übungen nach.
  • Jugendliche ahmen Kleidungsstil oder Verhalten von beliebten Freunden nach.

Beobachtungslernen: Wer dient als Modell?

Es ist kein Zufall, wen wir beim Lernen durch Beobachtung als Modell auswählen. Für Kinder sind es meist wichtige Bezugspersonen aus dem direkten Umfeld; Erwachsene orientieren sich oft an dominanten oder mächtigen Persönlichkeiten. Und: Wir ahmen vor allem Menschen nach, die uns selbst besonders ähnlich sind, denn diese Lerneffekte lassen sich umso leichter auf die eigene Situation übertragen!

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Lernen durch Beobachtung: Phasen

Albert Bandura hat in seinem Ansatz zum Modelllernen insgesamt vier Phasen aufgestellt. Diese Schritte zeigen, wie das Lernen durch Beobachtung funktioniert, damit aus dem Zuschauen ein Lernprozess wird.

  1. Aufmerksamkeit (Attention)

    Sie nehmen das Modell wahr und beobachten es in einer bestimmten Situation. Schon hier analysieren Sie unbewusst, welche Verhaltensweisen für Sie möglicherweise wichtig sind und welche Sie gleich ausblenden.

  2. Behalten (Retention)

    In der zweiten Phase des Modelllernens speichern Sie die Beobachtungen im Gedächtnis ab. Sie setzen sich gedanklich weiter damit auseinander und ziehen Rückschlüsse aus dem gezeigten Verhalten des Modells.

  3. Reproduktion (Production)

    Hier setzen Sie das beobachtete und gelernte Verhalten selbst um. Sie machen nach, was Sie zuvor gesehen haben. Dabei rufen Sie Ihre Erinnerungen ab und probieren aus – manchmal braucht es Übung und Feedback, bis es gelingt.

  4. Motivation (Motivation)

    In der letzten Phase bewerten Sie die Wirkung des eigenen Verhaltens: Hat es den gewünschten Effekt erzielt? Äußere Einflüsse (Lob, Belohnung, Kritik, Strafe…) beeinflussen, ob Sie das gelernte Verhalten auch künftig übernehmen.

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Lerneffekte durch Beobachtung

Beim Lernen durch Beobachtung kommt es nicht nur auf die Handlung selbst, sondern auch auf die damit verbundenen Konsequenzen an – wir lernen nicht nur etwas Neues, sondern auch, ob es gut oder schlecht ist. Das Beobachtungslernen nach Bandura unterscheidet dabei vier mögliche Lerneffekte:

  • Modellierender Effekt

    Sie lernen durch die Beobachtung ganz neue Fähigkeiten oder bisher unbekannte Verhaltensweisen. Beispiel: Durch die Beobachtung einer für Sie völlig neuen Art der Problemlösung lernen Sie diese für die nächste Herausforderung.

  • Enthemmender Effekt

    Sie lernen, dass ein Verhalten keine negativen Folgen hat, obwohl Sie dies bisher gedacht haben. Beispiel: Ein Mitschüler spickt in der Prüfung, wird nicht erwischt und bekommt eine gute Note – durch die Enthemmung überlegen Sie selbst einen Spickzettel zu schreiben.

  • Hemmender Effekt

    Sie lernen, dass ein Verhalten negative Konsequenzen für andere Personen hat und verzichten künftig auch selbst darauf. Beispiel: Ein anderer Fußgänger geht bei Rot über die Ampel und wird sofort von der Polizeit angesprochen – Sie selbst bleiben lieber stehen.

  • Auslösender Effekt

    Sie zeigen ein Verhalten durch das Beobachten eines Modells in einer bestimmten Situation. Es wird erst unter diesen Bedingungen aktiviert (auslösender Reiz). Beispiel: Beginnt Ihr Sitznachbar im Publikum zu klatschen, applaudieren Sie mit.

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Verhaltensforschung: Bobo Doll Experiment

Albert Bandura zeigte mit seinen Forschungen bereits in den 1960er Jahren, dass Kinder nicht nur durch Konditionierung lernen (Belohnung von richtigem und Bestrafung vom schlechtem Verhalten), sondern durch soziales Lernen und die Beobachtung anderer Menschen.

Bekannt wurde das Bobo Doll Experiment: Kinder zwischen 4 und 5 Jahren sahen einen Film, in dem ein Erwachsener eine Puppe schlägt, tritt und auf den Boden wirft – das Ende unterscheidet sich nach drei Testgruppen der Kinder.

  1. Der Mann wird von einer anderen Person gelobt und belohnt.
  2. Der Mann wird von einer anderen Person bestraft.
  3. Es gibt keine Reaktion auf das Verhalten.

In der zweiten Phase des Experiments durften die Kinder mit der Puppe Bobo spielen. Die erste und dritte Gruppe waren deutlich aggressiver und kopierten die gezeigte Gewalt. Sie haben durch Beobachtung ein Verhalten gelernt und keine negativen Konsequenzen erkannt.

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Beobachtungslernen: 5 Tipps

Sie wollen durch Beobachtung möglichst effektiv lernen? Dann helfen diese Tipps:

  • Wählen Sie passende Modelle

    Falsche Vorbilder vermitteln auch falsches Verhalten. Wählen Sie aus, wem Sie nacheifern wollen.

  • Beobachten Sie gezielt

    Wollen Sie von anderen lernen, müssen Sie genau hinschauen. Achten Sie auf Details und bleiben Sie fokussiert.

  • Reproduzieren Sie schrittweise

    Nicht immer klappt alles auf einmal. Beginnen Sie langsam und üben Sie ein Verhalten, bis Sie es perfektionieren (siehe: Lernplatau-Phasen).

  • Bauen Sie Verständnis auf

    Sie lernen besser, wenn Sie nicht nur nachmachen, sondern die Gründe verstehen. Arbeiten Sie an tieferem Verständnis.

  • Reflektieren Sie die Konsequenzen

    Machen Sie nicht alles blind nach! Kontrollieren Sie genau, welche Folgen das Verhalten für Sie hat – auch langfristig.


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