Gefühle zeigen: Unternehmen müssen umdenken
Lange Zeit war es verpönt, im Job Gefühle zu zeigen. Wer in Tränen ausbrach galt sofort als nicht belastbar, Wut und Frust gegenüber Vorgesetzten und Unternehmen musste besser für sich behalten werden, um der Karriere nicht zu schaden und für Freude über ein privates oder berufliches Erfolgserlebnis hat sich auch niemand interessiert.
In vielen Unternehmen werden Emotionen noch heute tabuisiert. Korrektes, seriöses Verhalten ist angezeigt. Diese Erwartung ist verständlich – und unrealistisch. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch Mitarbeiter Menschen mit Gefühlen sind. Gefühlen, die sich nicht ausblenden oder unterdrücken lassen.
Klar, das war schon immer so, doch die gestiegenen Anforderungen und das wachsende Stresssniveau in vielen Unternehmen führen dazu, dass Emotionen immer häufiger an die Oberfläche kommen und sichtbar werden. Viele Arbeitnehmer sind heutzutage eben nicht mehr auf der Suche nach einem reinem Broterwerb, die Arbeit soll Teil des Lebens sein – Spaß machen, Begeisterung auslösen, für Zufriedenheit sorgen. Da gehören Emotionen einfach dazu, manchmal eben auch Frust, Unverständnis oder Trauer.
Eine Herausforderung, mit der Unternehmen sich lange Zeit nicht konfrontiert gesehen haben. Um diese zu meistern, müssen Vorgesetzte und Teams lernen, mit Gefühlen im Job umzugehen. Es reicht nicht, Wutausbrüche, frustrierte Tränen oder chronisch gereizte Reaktionen einfach zu ignorieren und in der Hoffnung, dass es bald aufhört, darüber hinweg zu gehen.
Genauso falsch wäre es, negativ zu reagieren, wenn ein Mitarbeiter Gefühle zeigt. Wer gar an Strafen oder disziplinarische Maßnahmen denkt, lässt nicht nur Zweifel an seinen Führungsqualitäten aufkommen, sondern sorgt nur dafür, dass Emotionen zwangsweise unterdrückt werden, was dazu führt, dass Mitarbeiter sich selbst schaden und noch stärker unter der Situation leiden.
Die dafür in vielen Unternehmen nötige Veränderung muss jedoch von Geschäftsführung und Leitungsebene ausgehen. Sicher, Mitarbeiter sollten ihren Teil dazu beitragen und angemessen auf offen gezeigte Emotionen reagieren. Doch das ist nur möglich, wenn die Unternehmenskultur eine solchen Umgang unterstützt, die Geschäftsführung und Vorgesetzte als ihre Rolle als Vorbild wahrnehmen und jeder einzelne Mitarbeiter weiß, dass der offene Umgang mit Gefühlen gewünscht ist.
Kurz gesagt: Es muss klar sein, dass Mitarbeiter Gefühle zeigen können – ohne Wenn und Aber, ohne zu fürchten, dass darüber geredet wird oder sogar Ärger droht.
Gleichzeitig sollte klar sein, dass es einen bestimmten Rahmen für Gefühle und Emotionen am Arbeitsplatz gibt. Denn so natürlich diese auch sind, gibt es einige Situationen, in denen sie keinen Platz haben. Kunden gegenüber wirkt Leidenschaft für ein Projekt oder Produkt mitreißend, Gefühlsausbrüche können hingegen nicht nur unangebracht, sondern sogar schädlich sein. Um Emotionen im Job daher sinnvoll aufzufangen sollten Unternehmen…
- klar kommunizieren, dass Gefühle im Team und in der Zusammenarbeit akzeptiert werden.
- das Thema bei Fortbildungen und Schulungen ansprechen und angehen.
- die Unternehmenskultur an Gefühle anpassen und Verhaltensweisen etablieren, die Gefühle zulassen und fördern.
- Fortbildungsmöglichkeiten und (Gesprächs)Angebote schaffen, um emotional belasteten Mitarbeitern Rückhalt und Anlaufstellen zu bieten.
All diese Aspekte brauchen Zeit und machen oft ein grundlegendes Umdenken nötig. Doch Prozess und Aufwand sind es wert, denn wird Gefühlen mit Respekt und Verständnis begegnet, können sie Teams und Unternehmen bereichern und stärken.
Emotionen zeigen auch in den Social Media
Bevor auf Facebook ein Post abgesetzt wird, schießen oft tausend Fragen durch den Kopf. Soll ich das wirklich veröffentlichen? Oder behalte ich das lieber für mich? Kein Facebook-User, der sich nicht ständig fragt, wie die eigenen Kommentare, Witze, Links oder Geschichten bei den anderen ankommen. Wie sie reagieren, was sie von ihm denken.
Auch Psychologin Sonja Utz von der Uni Tübingen ging in einem Beitrag für das Fachjournal „Computers in Human Behaviour“ der Frage nach, inwiefern Facebook-Beziehungen echten menschlichen Beziehungen gleichen. „Die Funktion der Selbstoffenbarung in sozialen Netzwerken“, heißt ihr Beitrag, der spannende Einsichten über das Beziehungsgeflecht auf Facebook liefert – und aus dem sich auch durchaus die eine oder andere Handlungsanweisung ableiten lässt.
Dabei kommt dem Grad der Selbstoffenbarung eine wichtige Bedeutung zu. Denn der eine oder andere plaudert gerne mal über seinen Tag, fasst persönliche Gedanken in einen Beitrag, offenbart sein derzeitiges Innenleben und zeigt Gefühle. In diese Kategorie würde zum Beispiel die Nachricht fallen, dass man sich gerade gestritten oder auch auch einfach nur einen richtig schlechten Tag habe.
Utz untersuchte nun, was die Empfänger öffentlicher und privater Nachrichten mit selbstoffenbarendem oder weniger selbstoffenbarendem Charakter empfanden.
Die Ergebnisse
Demnach verstärken Nachrichten mit hohem Offenbarungsgrad, die privat von einer Person zu einer anderen geschickt werden, das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Freunden. Damit nehmen solche Facebook-Nachrichten eine ähnliche Funktion ein wie persönliche Gespräche. Das ist nun wenig verwunderlich. Interessanter aber ist, dass…
- User, die sich mit einem öffentlichen Post einer größeren Gruppe offenbaren, sich mit dieser Gruppe auf Anhieb enger verbunden fühlen. Wer sich also der Gruppe anvertraut, fühlt sich direkt wohler in und mit ihr.
- dieses Gefühl nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wer eine öffentliche Nachricht mit hohem Offenbarungsgrad in seiner Timeline entdeckt, fühlt sich dem Absender also keineswegs enger verbunden. Beim Absender wächst das Zusammengehörigkeitsgefühl, beim Empfänger dagegen nicht.
Denn die große Masse der Facebook-Freunde will in der Timeline eher nichts von Tränen und Tragödien lesen, sondern locker-leicht unterhalten werden. Es klingt brutal, aber für Ihre Probleme interessiert sich die (Facebook-)Mehrheit leider nicht. Dennoch: Auch gemeinsame Lacher verstärken hier das Zusammengehörigkeitsgefühl. Denn wer von anderen per Gag oder Kommentar zum Lachen gebracht wird, hat das Gefühl, dass sich der Absender für einen interessiert, sich gewissermaßen um einen kümmert.
Auch online spielen Emotionen also eine Rolle. Und jeder Einzelne entscheidet, ob diese positiv oder negativ ist. Und natürlich können sich online geäußerte Emotionen im Job auswirken, wenn beispielsweise Kollegen auf Facebook mitlesen und sich angesprochen fühlen.
Gefühle zeigen: Tipps für Vorgesetzte und Kollegen
In den meisten Unternehmen muss der sinnvolle und effektive Umgang mit Gefühlen erst gelernt werden. Sich mit jemand anderem zu freuen fällt noch leicht, doch negative Emotionen kennen die meisten nur aus dem privaten Umfeld. Wie reagiert man, wenn ein Mitarbeiter oder Kollege traurig oder wütend ist und diese Gefühle zeigt?
Die ersten Schritte zum richten Umgang mit offen gezeigten Gefühlen können völlig unspektakulär sein. Es reicht beispielsweise aus, wenn Vorgesetzte und Kollegen Rücksicht auf aktuell belastete Mitarbeiter nehmen, emotionale Belastungen wahrnehmen und versuchen, den Stress zu reduzieren, anstatt die Grenzen immer weiter zu auszutesten.
Diese können aus privaten Ereignissen – Todesfälle, Trennung, private Probleme – oder aus einer enorm hohen Arbeitsbelastung resultieren. Auch eine unklare berufliche Situation, etwa die anstehende Auflösung oder Verlagerung einer Abteilung oder ein befristeter Arbeitsvertrag kann eine emotionale Belastung darstellen.
Vorgesetzte und Mitarbeiter sollten solche Situationen nicht ignorieren. Oft wird einfach nur Smalltalk betrieben, obwohl man ganz genau spürt, dass den Gegenüber etwas belastet. Diese Wahrnehmung gilt es nicht auszublenden, sondern zu nutzen. So kann jeder dazu beitragen, dass andere Gefühle zeigen können.
Wir haben drei Tipps zusammengestellt, die helfen können, eine Atmosphäre zu schaffen, in der es kein Problem ist, Gefühle zu zeigen:
-
Zeigen Sie Verständnis.
Werden im Job Gefühle gezeigt, herrscht zunächst große Unsicherheit. Gerade wenn es um Trauer oder Frust geht, sind die viele sehr aufgebracht und schämen sich vielleicht sogar. Zeigen Sie, dass Sie die Situation verstehen, die Emotionen nachvollziehen können und nicht schlecht oder abwertend über den Kollegen denken.
-
Suchen Sie das Gespräch.
Manch einer reagiert auf offen gezeigte Emotionen mit einem regelrechten Fluchtreflex. Man weiß schlichtweg nicht, wie man mit der Situation umgehen soll und zieht sich deshalb zurück. Das mag verständlich sein, doch oft braucht es nicht mehr als ein offenes Ohr. Hören Sie zu, was den Gegenüber so beschäftigt. Ein solches Gespräch gibt Ihnen nicht nur mehr Klarheit über die Situation, die Gemüter beruhigen sich dadurch meist auch spürbar.
-
Arbeiten Sie an einer gemeinsamen Lösung.
Gibt es etwas, das Sie tun können, um dem Kollegen zu helfen? Indem Sie gemeinsam nach einer Lösung suchen, zeigen Sie, dass Sie die Situation ernst nehmen und sich für den anderen einbringen wollen. Ist ein Kollege frustriert, weil er Deadlines nicht einhalten kann, bieten Sie Ihre Hilfe an. Geht es um Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Parteien, versuchen Sie zu vermitteln und das Betriebsklima wieder zu verbessern.
Wenn Unternehmen und Vorgesetzte emotionale Belastungen ihrer Mitarbeite erkennen und berücksichtigen…
- können Arbeitsmoral und Stimmung davon profitieren.
- fühlen Mitarbeiter sich als Person ernstgenommen und akzeptiert.
- kann die Arbeitsqualität davon profitieren.
- sinken Krankheitsrate und Ausfallquote der Mitarbeiter.
- steigt die Zufriedenheit und Loyalität.
Neben dem Verhalten im Arbeitsalltag können die bereits erwähnten Fortbildungen und Schulungen – beispielsweise zum Thema Konfliktmanagement – ebenfalls sinnvoll sein. Wichtig ist jedoch, dass diese als Angebote und nicht als Vorgabe oder Zwang kommuniziert und verstanden werden.
Gefühle zeigen: Jeder kann es lernen
Unternehmen und Vorgesetzte sind für den Umgang mit Emotionen im Job zwar wichtig, allerdings können sie nur die Rahmenbedingungen schaffen. Am Ende liegt es an jedem einzelnen, sich darauf einzulassen und seinen Teil beizutragen. Dabei kann es durchaus schwer fallen, im Job Gefühle zu zeigen. Ein jahrelang verpöntes Verhalten lässt sich nicht via Dienstanweisung verordnen.
Mitarbeiter können sich dem Thema in kleinen Schritten näheren und zunächst in Vier-Augen-Gesprächen harmlose Emotionen zulassen. So können sie beispielsweise ihre Freude über ein erfolgreiches Projekt, oder ihren Frust über einen Misserfolg, zum Ausdruck bringen. Vertrauen Sie sich zunächst Kollegen an, mit denen Sie sich gut verstehen, um eine größere Selbstsicherheit im Umgang mit Ihren Gefühlen zu bekommen. Kommen diese ersten Gefühlsäußerungen gut an, erweitern Sie den Kreis nach und nach.
Gefühle zu zeigen bedeutet aber auch, Verantwortung dafür zu übernehmen. Gefühle zuzulassen bedeutet nicht, sie jederzeit und immer zu zeigen. Lernen Sie, Ihre Emotionen zu filtern, zu hinterfragen und bewusst damit umzugehen. Das hilft nicht nur dabei, in einigen Situationen gelassener zu reagieren, sondern gibt auch die Chance, seine Gefühle zu einem späteren Zeitpunkt in angemessenerem Umfeld zu äußern.
So mancher Mitarbeiter hat jedoch eher das gegenteilige Problem und kann seine Emotionen nicht wirklich zum Ausdruck bringen. Alles wird immer nur verborgen, um eine unantastbare Fassade aufzubauen. Authentizität sucht man hier vergebens.
Wer damit Probleme hat, kann zunächst privat damit beginnen, hin und wieder Emotionen zuzulassen. Dieser Prozess wird einige Zeit dauern, doch es hilft, sich immer wieder bewusst zu machen, wie man sich selbst schadet, wenn Gefühle unterdrückt werden. Wer sich Schritt für Schritt daran macht, seine Gefühle zu akzeptieren und zu zeigen, profitiert von mehr Gelassenheit und einer besseren Psychohygiene – nicht nur um Job.
Diese Artikel finden andere Leser interessant
- Emotionale Intelligenz: Erfolg mit EQ
- Emotionale Reife: Was emotional Stabile auszeichnet
- Empathie lernen: Mit Einfühlungsvermögen zum Erfolg
- Stimmungsschwankungen: Was dagegen tun?
- Wut im Bauch: Tipps gegen den Ärger im Job
- Emotional Leading: Bedürfnisse erkennen, Emotionen regulieren
- Achterbahn der Gefühle:Typische Phasen von Lebenskrisen