Divergentes Denken: Bedeutung, Beispiele, Übungen

Kreativität lässt sich nicht erzwingen – durch divergentes Denken aber fördern und anregen. Oft schließen wir verrückte Ideen und unkonventionelle Lösungen sofort aus. Genau hier liegen aber viele Innovationen, Geistesblitze und kreative Lösungen. Wir zeigen, wie divergentes Denken funktioniert, welche Vor- und Nachteile es hat und wie Sie ungewöhnliches Denken fördern und lernen…

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Definition: Was ist divergentes Denken?

Divergentes Denken ist ein offener, unsystematischer und kreativer Denkprozess, das Probleme spielerisch und experimentell löst. Dabei werden zunächst alle Gedanken, Ideen und Vorschläge akzeptiert, ohne unsinnige oder unwahrscheinliche Lösungswege auszuschließen. Die Regel lautet: Es gibt keine Regeln!

Ziel ist, möglichst vielfältige und originelle Einfälle zu generieren. Durch den freien und unsystematischen Prozess entstehen Kreativität, Innovation und ungewöhnliche Perspektiven.

Divergentes Denken vs. konvergentes Denken – Ursprung

Geprägt wurde der Begriff von dem Psychologen Joy Paul Guilford. Er zählt zu den wichtigsten Intelligenzforschern weltweit und gilt als Mitbegründer der modernen Kreativitätsforschung. Dabei unterscheidet Guilford zwischen divergentem und konvergentem Denken:

  • Konvergentes Denken beschreibt einen systematischen, zielgerichteten und rationalen Denkansatz. Für ein Problem wird eine eindeutige Ursache definiert, für die eine einzige Lösung abgeleitet wird. Dieser Denkprozess ist linear, logisch und folgt einer systematischen Reihenfolge.
  • Divergentes Denken erlaubt dagegen ein völlig unkonventionelles, unsystematisches bis chaotisches Vorgehen. Der Prozess und die Gedankengänge können sprunghaft, spielerisch und unkoordiniert sein. Trotzdem führen Sie in der Praxis zu erstaunlich kreativen Lösungen.
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Was sind die 3 Dimensionen des divergenten Denkens?

Divergentes Denken wird im Modell von Joy Paul Guilford in drei Dimensionen beschrieben:

  1. Inhalt (Input)

    Diese Dimension bezeichnet die Art der Informationen oder Inhalte, die verarbeitet und genutzt werden können, um Probleme zu lösen oder Ideen zu generieren.

  2. Operation (Verarbeitung)

    Hierbei geht es um die Art der kognitiven Verarbeitung von aufgenommenen Informationen oder Reizen – zum Beispiel das Abrufen von Wissen, den Vergleich mit Erkenntnissen oder die Suche nach Alternativen.

  3. Produkt (Output)

    Das Produkt ist das Ergebnis der kognitiven Bemühungen. Es ist die Lösung oder Antwort, auf die Sie am Ende gekommen sind.

Divergentes Denken ist demnach ein Prozess, bei dem Informationen oder Fragestellungen aufgenommen (Input) und kognitiv verarbeitet werden (Operation), um möglichst originelle und neue Lösungswege oder Ideen zu entwickeln (Produkt).

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Beispiele für divergentes Denken

Wie divergentes Denken funktioniert und in der Praxis aussehen kann, zeigen diese vereinfachten Beispiele:

  • Übung 1: Anwendungen finden

    Denken Sie bei einem Stift nicht nur an seine Schreibfunktion! Finden Sie stattdessen 30 weitere Verwendungsmöglichkeiten – z.B. als Haarstab, Lineal oder Werkzeug beim Modellieren.

  • Übung 2: Neukombination

    Kombinieren Sie zwei Alltagsgegenstände – z.B. Handschuhe und LED-Lichter – und verbinden Sie diese zu einem neuen Produkt oder Design. Auch verrückte Funktionen sind denkbar.

  • Übung 3: Rezept entwickeln

    Öffnen Sie Ihren Kühlschrank und schauen Sie, was noch da ist. Kreieren Sie daraus ein leckeres 3-Gänge-Menü und improvisieren Sie, wenn nicht alle Zutaten vorhanden sind.

  • Übung 4: Logo entwerfen

    Entwickeln Sie ein neues Logo für Ihre Lieblingsmarke: Was müsste es verbinden, um eindeutig und unverwechselbar zu sein?

Diese Beispiele und Übungen zeigen bereits, dass divergentes Denken gut genutzt werden kann, um vielfältige und unkonventionelle Einfälle zu provozieren und Probleme und Herausforderungen auf eine neue Weise zu lösen.

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6 Erfolgsfaktoren des divergenten Denkens

Divergentes Denken ist jedoch nicht gleich Kreativität. Vielmehr ist es eine Möglichkeit, kreative Gedanken zu fördern, Denkblockaden zu überwinden und bei der Problemlösung über den Tellerrand zu schauen…

In seinem Buch „The Structure of Intellect“ identifizierte Guilford insgesamt sechs Faktoren, die über den Erfolg beim divergenten Denken entscheiden:

  1. Problemsensitivität (associational fluency)

    Probleme müssen zunächst erkannt und eindeutig benannt werden. Erst durch die Sensitivität für ein Problem wird ein Denk- und Handlungsprozess angeregt.

  2. Ideenflüssigkeit (ideational fluency)

    Es sollten möglichst schnell viele Lösungen und verschiedene Ideen zum genannten Problem gefunden werden. Gibt es nicht genügend Ansätze, kann ein konvergenter Denkvorgang sinnvoller sein.

  3. Ausdrucksflüssigkeit (expressional fluency)

    Ungewöhnliche Perspektiven und kreative Vorschläge müssen ausgedrückt und erklärt werden. Andere müssen die Ideen verstehen und nachvollziehen können.

  4. Spontane Flexibilität (spontaneous flexibility)

    Divergente Denker müssen spontan sein und sich auf Veränderungen einstellen können. Sie müssen querdenken und neue Wege zulassen.

  5. Originalität (originality)

    Es müssen originelle und ungewohnte Lösungswege entwickelt werden. Wer nur in alten und bekannten Denkmustern bleibt, nutzt das Potenzial divergenter Denkprozesse nicht aus.

  6. Elaboration (elaboration)

    Am Ende muss selbst die außergewöhnlichste Idee umsetzbar bleiben. Zum divergenten Denken gehört deshalb ein Abgleich mit der Realität. Die letzte Frage lautet deshalb immer: „Ist es überhaupt machbar?“

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Divergentes Denken: Vor- und Nachteile

In der Wissenschaft wird viel darüber diskutiert, ob konvergentes oder divergentes Denken besser ist. Die wahrscheinlichste Antwort: Keine Denkweise ist besser als die andere – beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Pro- und Kontra-Argumente für divergentes Denken haben wir für Sie hier aufgelistet:

Vorteile

  • Kreative Lösungen

    Der wohl größte Vorteil ist die Kreativität und die Möglichkeit für innovative und komplett neue Ideen. Gab es bisher keine Lösungen, kann unkonventionelles Denken den gewünschten Erfolg bringen.

  • Mögliche Chancen

    Werden einige Vorschläge von Anfang an ausgeschlossen, gehen damit Chancen verloren. Vielleicht können Sie sich gerade damit positiv abheben oder eine deutliche Verbesserung erreichen.

  • Weniger Hindernisse

    Je kreativer die Lösungsvorschläge, desto weniger echte Hindernisse gibt es. Der Gedanke „Das geht nicht!“ blockiert jede Ideenfindung. Divergente Denker lösen solche mentalen Blockaden auf und sehen weniger unüberwindbare Probleme.

Nachteile

  • Langsamer Prozess

    Das Vorgehen ist weniger zielgerichtet und damit langsamer als konvergentes Denken. Sie können sich regelrecht in der kreativen Phase verlaufen und endlos neue Ideen sammeln – einer Lösung oder gar Umsetzung sind Sie damit aber noch keinen Schritt näher. Zudem fehlt kritisches Denken, um Annahmen zu hinterfragen.

  • Nicht für jedes Problem geeignet

    Nicht jede Aufgabe lässt sich divergent lösen. Für ein mathematisches Problem können Sie noch so sehr nach kreativen Lösungswegen suchen, Sie müssen sich an die gültigen Gesetze und Formeln halten. Zwei plus zwei ist eben nicht fünf – auch wenn das ein neuer und divergenter Gedanke wäre.

  • Chaotischer Ablauf

    In einem Meeting kann divergentes Denken schnell zu Chaos führen. Es werden unzählige Ideen gesammelt, nach kürzester Zeit fehlt der Überblick und der gesamte Ablauf gerät ins Stocken. Ganz ohne Struktur funktioniert es also auch nicht.

Kombinieren Sie divergentes und konvergentes Denken

Divergentes und konvergentes Denken sind zwar Kehrseiten derselben Medaille – sie schließen sich aber nicht gegenseitig aus! Sie können zwar nicht gleichzeitig kreativ und logisch, analytisch denken: Die Denkweisen ergänzen sich aber und können kombiniert werden. So können beispielsweise kreative Denkprozesse zur Ideenfindung genutzt werden – bei der konkreten Auswahl gehen Sie dann wieder systematisch und linear vor.

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Tipps für divergentes Denken

Sie wollen Ihren persönlichen kreativen Prozess fördern oder im Team eine offenere Problemlösung einführen? Dann können diese Tipps für divergentes Denken helfen:

  • Nehmen Sie jede Idee ernst

    Ändern Sie Ihre Einstellung zu vollkommen ungewöhnlichen Vorschlägen und Ideen, die eine komplett neuen Weg gehen. Diese Meinungen werden oft sofort aussortiert – gehören aber zum divergenten Denken unbedingt dazu. Jede Idee wird zu Beginn als wertvoll angesehen und für die Ideenfindung berücksichtigt. Das heißt nicht, dass jede es in die engere Auswahl schafft. Sie können aber auch davon lernen und Erkenntnisse nutzen.

  • Lassen Sie andere Meinungen zu

    Neue Perspektiven auf ein Problem entstehen vor allem, wenn darüber diskutiert und geredet wird. Umso wichtiger, dass es verschiedene Meinungen und Ansätze gibt – je unterschiedlicher, desto besser. Die Vielseitigkeit garantiert, dass eine Aufgabe wirklich von jeder Seite betrachtet und angegangen wird.

  • Nutzen Sie Kreativitätstechniken

    Kreativitätstechniken sind eine gute Möglichkeit, um möglichst viele Ideen zu generieren. Passend und dem Grundgedanken sehr nah sind beispielsweise Mindmaps, Brainstorming, De Bono Hüte oder die 6-3-5-Methode.

  • Verbinden Sie verschiedene Vorschläge

    Es muss nicht eine einzelne Idee zum perfekten Ergebnis führen. Divergentes Denken bedeutet auch, mehrere Vorschläge zu kombinieren und so eine kreative Lösung zu schaffen. Bauen Sie auf einer Idee auf, entwickeln Sie diese weiter und ergänzen Sie Aspekte von anderen Perspektiven!

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Wichtige Fragen zu divergentem Denken

Was ist divergentes Denken?

Divergentes Denken ist eine offene, unsystematische und experimentierfreudige Problemlösung, bei der kreative und ungewöhnliche Ideen gefördert werden.

Was sind Vor- und Nachteile von divergentem Denken?

Divergente Denker blicken über den Tellerrand und entwickeln kreativere Ansätze. Sie nutzen Chancen, die streng-analytische Denker übersehen. Allerdings dauert der Prozess oft lange und ist nicht für jede Aufgabe geeignet.

Wie kann ich divergent denken?

Sie müssen offen für jede Idee sein – egal, wie ungewöhnlich und verrückt diese zu Beginn klingt. Betrachten Sie ein Problem von allen Seiten und sammeln Sie vielseitige Vorschläge. Aus diesen entwickeln Sie dann kreative Lösungswege.


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