Anspruchsdenken Definition: Weil es mir zusteht!
Unter Anspruchsdenken verstehen Wissenschaftler überzogene Erwartungen an das Umfeld beziehungsweise die Überzeugung, (auf Basis einer sogenannten Anspruchsgrundlage) bestimmte Ansprüche stellen zu können. Motto: Es steht mir zu.
In der Psychologie gilt Anspruchsdenken als narzisstischer Charakterzug, der oft durch chronische Enttäuschungen, Frustrationen und erlebte Ungerechtigkeit ausgelöst und verstärkt wird.
Als Reaktion auf die Verletzungen, Beschränkungen und die damit einher gehende Verzweiflung reagieren die Betroffenen mit einer überhöhten Erwartungshaltung und leiten – aus purem Selbstschutz – eine Weltanschauung der eigenen Überlegenheit ab. Der Ärger wird so nach außen gerichtet, Verantwortung wird externalisiert und die Schuld delegiert. Aus dem Anspruchsdenken erwächst schließlich eine permanente Anspruchshaltung und fordernde Erwartung, die vor allem auf die Befriedigung eigener (egoistischer) Bedürfnisse abzielt.
Die Anspruchsdenken Synonyme machen das nur allzu deutlich. Häufig wird der Begriff auch mit
- Egozentrik
- Egoismus
- Selbstsucht
- (übertriebenem) Ehrgeiz
in Verbindung gebracht. Ganz im Gegensatz zu den Antonymen, wie Einfachheit, Bescheidenheit, Natürlichkeit, Anspruchslosigkeit.
Das dieses Denken auf Dauer Beziehungen belastet und in eine Abwärtsspirale führt, ist klar. Überhöhte (unrealistische) Erwartungen können nicht anders als unerfüllt bleiben. So schliddern die Betroffenen zusehends in zwischenmenschliche Konflikte, in die soziale Isolation oder gar in eine Depression.
Die Bürde des eigenen Erfolgs
Es gibt aber noch eine zweite Seite des Anspruchsdenkens – und diese wird oft vergessen. Sie ist eine Art Ableitung aus bisherigen Erfolgen und richtet sich gegen uns selbst.
Wissenschaftler um Christy Koval von der Duke’s Fuqua School of Business sind diesem Phänomen bei ihren Forschungen auf die Schliche gekommen. Sie fanden heraus: Menschen mit hoher Kompetenz und Selbstdisziplin erreichen zwar mehr als andere, erzielen öfter Erfolge als andere, sind gesünder, ernähren sich besser, haben stabilere Beziehungen – aber sie zahlen auch einen Preis dafür.
Wahr ist nämlich auch: Hohe Kompetenz und Disziplin erzeugt zugleich auch hohe Ansprüche. Und zwar auf zweierlei Arten:
- Tatsächlich, so fanden die Forscher heraus, werden an solche Menschen instinktiv von anderen höhere Ansprüche gestellt.
- Und auch an sich selbst stellen die Betroffenen hohe Anforderungen. Erfolg und Ehrgeiz – sie beflügeln sich nicht nur, sie können auch zur Bürde avancieren.
In den Experimenten dazu wurden die Kompetenten und Selbstdisziplinierten einerseits von ihrem Umfeld bewundert, gleichzeitig erwarteten die Probanden von ihnen aber auch jedes Mal überdurchschnittliche Leistungen. Und weil die Betroffenen das durchaus registrieren, aber auch so diszipliniert sind, dem eigenen (und fremden) Anspruch zu genügen, entstehe eine unheilige Spirale der Selbstausbeutung – bis hin zum Burnout.
Man könnte auch salopp sagen: Der Erfolg frisst seine eigenen Kinder.
Bitte nicht falsch verstehen: Das ist keine Kausalität, sondern nur eine Korrelation. Ebenso wenig handelt es sich bei dem Phänomen um einen Automatismus. Es muss nicht soweit kommen, aber die Gefahr ist da, und sie ist auch realistisch.
Was sich gegen Anspruchsdenken tun lässt?
Den ersten Schritt haben Sie mit dieser Lektüre bereits getan: sich die Gefahr bewusst machen.
Der zweite Schritt ist leider leichter geschrieben als umgesetzt: aufhören so hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen oder Fremdansprüchen ständig gerecht werden zu wollen. Und vor allem: sich mehr Zeit für sich selbst nehmen, den Erfolg Erfolg sein lassen und auch mal den Moment genießen können.
Kurz: Solchen sich selbst treibenden Menschen hilft oft schon ein bisschen mehr Achtsamkeit und Dankbarkeit.