Einfach erklärt: Was ist Selbstfürsorge?
Selbstfürsorge bedeutet in der Psychologie, sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen und sich darum zu kümmern, dass es einem gut geht – seelisch und körperlich. Eigene Bedürfnisse und das eigene Wohl rücken dabei ebenso in den Fokus wie der Schutz vor Belastungen und Selbstausbeutung. Selbstfürsorge ist damit eine Form der Eigenverantwortung und schützt vor Stress und hilft besser auf sich Acht zu geben.
Mit Egoismus hat das nichts zu tun: Bei der Selbstfürsorge geht es nicht darum, ausschließlich an sich zu denken, sondern vielmehr sich selbst nicht zu vergessen. Viele Menschen kümmern sich so sehr um andere – Partner, Kinder, Familie, Kollegen, Chef, Kunden -, dass die eigene Gesundheit und eigene Wünsche darunter leiden. Hinter dieser inneren Haltung steht die grundsätzliche Annahme, dass wir es wert sind, uns um uns zu sorgen.
Häufige Selbstfürsorge Synonyme sind: Achtsamkeit, Selbstmanagement, Selbstliebe, Selbstwertschätzung oder Selbstschutz. Auf Englisch bedeutet Selbstfürsorge „Selfcare“.
Psychologie: Warum ist Selbstfürsorge so wichtig?
Immer nur zu funktionieren, funktioniert nicht. Wer sich selbst verausgabt und vergisst, schadet bald seiner Gesundheit und Seele. Ohne eine gesunde Selbstfürsorge werden Menschen irgendwann seelisch oder körperlich krank. Spätestens dann können Sie auch für andere nicht mehr da sein. Nicht selten mündet mangelnde Selbstfürsorge gar in einen Burnout oder eine Depression.
Nur wer gut für sich sorgt, sich selbst genug liebt, kann dies auch (dauerhaft) an andere weitergeben. Mehr noch: Diese Form des psychischen Selbstmanagements stärkt Sie von innen heraus. Sie schöpfen daraus neue Energie und gewinnen sogar mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Nicht zuletzt ist Selbstfürsorge ein wichtiger Schlüssel zu mehr Resilienz – also der Fähigkeit, Krisen besser zu meistern.
Test: Anzeichen fehlender Selbstfürsorge
Bei mangelnder Selbstfürsorge denken viele zuerst an ein ungepflegtes Äußeres, nachlässige Kleidung oder Körpergeruch. Ob ein Mensch genügend auf sich achtet, lässt aber kaum an Äußerlichkeiten erkennen. Häufiger sind die folgenden Anzeichen:
- Sie fühlen sich gereizt und unausgeglichen.
- Sie sind erschöpft und antriebslos.
- Sie haben ein geschwächtes Immunsystem.
- Sie haben das Gefühl, zu kurz zu kommen.
- Sie trinken und Essen nicht genug – oder zu ungesund.
- Sie machen keine Pausen und überanstrengen sich.
- Sie schlafen schlecht und kaum noch durch.
- Sie können kaum NEIN sagen.
Gründe für geringe Selbstfürsorge
Fehlende Selbstfürsorge ist nur selten eine Frage von zu wenig Zeit. Tatsächlich stecken dahinter eher ein übergroßer Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung von außen sowie unterdrückte Minderwertigkeitsgefühle. Indem Betroffene eigene Bedürfnisse hintenan stellen und ihre Fürsorge anderen zuteil werden lassen, fühlen sie sich wertvoller, hilfsbereiter, nützlicher.
Geringe Selbstfürsorge entsteht auch dann, wenn wir versuchen übersteigerte Erwartungen zu erfüllen: die der Eltern, von Chefs – sogar eigene an uns selbst. Dahinter wiederum steckt meist fehlende Selbstakzeptanz. „Ich bin so gut, wie ich bin! Ich bin wertvoll und habe es verdient!“ – Solche Glaubenssätze sind ein wirksames Gegengift zur Geringschätzung im Alltag oder im Beruf.
Selbstfürsorge Liste: Übungen und Rituale
Wie betreibe ich Selbstfürsorge? Selbstfürsorge ist mehr als eine Massage im Wellness-Hotel oder ein Saunagang mit Kräuteraufguss. Sie sollten diese sinnvolle Gesundheitsprävention täglich praktizieren. Es ist eine dauerhafte Einstellung und Haltung – kein einmaliges Event oder Abarbeiten einer Liste. Vielmehr sollten Sie die folgenden Tipps und Übungen zu einem täglichen Ritual machen und in Ihre Leben integrieren. Erlaubt ist alles, was Ihnen guttut, Sie stärkt und erfüllt und weniger das, was Sie runterzieht oder Ihnen schadet. Nehmen Sie sich die Zeit, herauszufinden, was davon am besten zu Ihnen passt.
Selbstreflexion
Wie alles beginnt auch eine wirksame Selbstfürsorge mit ehrlicher Selbstreflexion: Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über Ihren Alltag, die Stressoren und Gewohnheiten. Machen Sie sich bewusst, was Ihnen gut tut und was nicht. Wo überschreiten Sie regelmäßig Grenzen und schaden sich? Fragen Sie sich: Was gibt mir Energie, was raubt sie mir? Was brauche ich? Was kann ich ändern?
Journaling
Notieren Sie täglich Ihre eigenen Gedanken. Bewährt hat sich hierbei das Journaling durch sogenannte Morgenseiten. Darin halten Sie fest, was Sie beschäftigt, worüber Sie nachdenken und wie es Ihnen geht. Versuchen Sie dabei wieder so ehrlich wie möglich zu sein. Niemand sonst muss die Notizen lesen. Diese Übung verbessert das Bewusstsein für die eigenen Gefühlen und Gedanken und kann Energieräuber entlarven.
Auszeit
Eine der wichtigsten Übungen zur Selbstfürsorge ist die regelmäßige Auszeit für sich. Setzen Sie sich ganz bewusst an die erste Stelle auf der Prioritäten-Liste und nehmen Sie sich regelmäßig eine oder zwei Stunden, die Sie ganz nach eigenen Vorstellungen gestalten: Entspannen, chillen, Basteln, Buch lesen – was Ihnen gefällt! Lassen Sie es sich gut gehen und nutzen Sie die „Feelgood-Time“, um Kraft zu tanken und den Stress abzuschütteln.
Pausen
Auch regelmäßige Pausen sollten zu einem festen Ritual werden. Das gilt vor allem im Job: Gerade bei der Selbstfürsorge im Beruf sollten Pausen (ideal: alle 90 Minuten) nicht vergessen werden und einen festen Platz im Joballtag bekommen. Damit Sie diese Verschnaufpausen nicht vergessen, können Sie sich gerne den Wecker am Smartphone stellen.
Ernährung
Manchmal helfen schon kleine Schritte und Übungen, um einen großen Effekt zu erzielen. Gesunde Ernährung gehört definitiv dazu: Abwechslungsreiche, Vitamin und Balaststoff Kost aus frischen Zutaten, tut jedem gut. Essen und trinken Sie achtsamer, regelmäßiger und vor allem in Maßen! Lieber Wasser oder ungesüßte Früchte- oder Kräutertees statt Cola und Bier. Alkohol, Zucker und fettiges Essen (sowie Fastfood) sollten Sie indes reduzieren.
Bewegung
Kaum etwas steigert unser Wohlbefinden so sehr, reduziert Stress und steigert die kognitiven Fähigkeiten wie regelmäßige Bewegung. Egal, ob Sie im Büro oder Homeoffice arbeiten: Gehen Sie am Tag 20 Minuten spazieren oder laufen Sie eine Runde durch die Flure oder um den Block. Noch besser: Sie sorgen für Bewegung an der frischen Luft bei Tageslicht. Die Effekte sind enorm…
Umgebung
Unser soziales Umfeld ebenso wie die physische Umgebung haben enormen Einfluss auf unser Wohlbefinden und die seelische Ausgeglichenheit. Gestalten Sie zum Beispiel Ihre Wohnung so, dass Sie darin entspannen können. Das kann bedeuten, dass Sie zunächst aufräumen und radikal ausmisten müssen, bevor Sie die vier Wände mit neuen Pflanzen, Möbeln oder Accessoires dekorieren. Noch wichtiger ist allerdings, dass Sie sich konsequent von Menschen distanzieren, die Ihnen nicht guttun. Meiden Sie toxische Menschen, die Sie nur runterziehen. Das ist einer der wichtigsten Aspekte der Selbstfürsorge!
Beziehungen
Pflegen Sie umgekehrt all jene Beziehungen im Leben, die von Bedeutung sind: der Partner, Freunde, Familie. Versuchen Sie mehr Zeit mit diesen wertvollen Menschen zu verbringen – und wenn es nur das tägliche Telefonat ist. Menschen, in deren Nähe Sie sich wohlfühlen und die Ihnen nachweislich guttun, sind der wahre Schatz in unserem Leben und sollten die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Von allen Übungen werden Sie hiervon unmittelbar profitieren.
Schlaf
Oft unterschätzt – dabei ausreichender Schlaf nicht nur erholsam, sondern sogar überlebenswichtig. Erwachsene sollten täglich zwischen 7 und 9 Stunden durchschlafen. Und das möglichst in einem festen Rhythmus. Stark schwankende Schlafenszeiten hemmen die Erholungswirkung.
Optimismus
Gemeint ist damit keine naive Blauäugigkeit, sondern vielmehr einen bewussten realistischen Optimismus, den Sie üben und pflegen sollten. Optimismus ist eine tiefgreifende Einstellung und innere Überzeugung, dass alles gut ist und gut wird. Der realistische Optimismus (auch gefestigter Optimismus) ist dabei die gesündeste Form. Er sieht negative und schlechte Aspekte, erkennt Risiken und Probleme – aber bewertet diese gezielt positiv. Der realistische Optimist ist in der Lage, selbst schwierigen Situationen eine Sinnhaftigkeit zu geben und etwas Positives darin zu erkennen. Und das gibt Kraft und Selbstvertrauen.
Dankbarkeit
Dankbarkeit ist eine weitere gute Übung für mehr Selbstfürsorge. Machen Sie sich alle Dinge bewusst, für die Sie dankbar sind, die gut laufen und über die Sie sich freuen können. Denken Sie dabei auch an das, was Sie als scheinbar selbstverständlich erachten: eine schöne Wohnung, ein Job, ein schönes Wochenende mit der Familie oder Ihre Gesundheit. Studien zeigen: Wer dankbar ist, leidet weniger unter Stress, Angst, Ärger, Stress oder Schlafstörungen. Dankbarkeit stärkt die seelische Immunabwehr und setzt Dopamin und Serotonin frei – beide Hormone sind echte Glücklichmacher.
Loslassen
Tägliches Grübeln und Sorgen machen, zieht nachweislich runter. Sorgen sind oft mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Ohnmacht verbunden – die meisten sind aber völlig unbegründet. Umso wichtiger ist, dass Sie lernen loszulassen. Denn um zwei Dinge müssen Sie sich keine Sorgen manchen: Dinge, die Sie sowieso nicht kontrollieren können – und Dinge, die Sie kontrollieren können! Setzen Sie typischen Antreibern („Ich muss…“, „Ich soll…“) bewusst sogenannte Erlauber entgegen: „Ich darf…“, „Ich kann…“
Stille
Lassen Sie auch mal die Seele baumeln und den Geist zur Ruhe kommen. Stille ist insbesondere für kreative Kopfarbeiter ein wichtiger Baustein der Selbstfürsorge. Also einfach mal abschalten (buchstäblich!), sich den Tagträumen hingeben oder ein paar Minuten zur Meditation oder zum Gebet nutzen. Auch das ist eine Form der Achtsamkeit, indem Sie ganz bewusst den Moment zelebrieren und genießen, im Hier und Jetzt leben. Tut gut – und macht den Kopf frei.
Selbstfürsorge lernen – in Beruf und Alltag?
Den ersten Schritt zu mehr Selbstfürsorge gehen Sie bereits mit den genannten Übungen. Eine gute Basis für Ihr eigenes Wohl. Das allein reicht aber nicht. Die eigenen, individuellen Bedürfnisse müssen Sie regelmäßig erkennen und pflegen beziehungsweise Selbstfürsorge im Beruf und Alltag praktizieren und beibehalten. Diese Tipps helfen dabei:
- Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst
Gerade empathische, fürsorgliche Menschen fragen sich: Was braucht mein Gegenüber? Aber wann haben Sie sich diese Frage zuletzt selbst gestellt? Horchen Sie täglich in sich hinein und erkennen Sie Ihre Gefühle und Bedürfnisse. Wenn Sie spüren, dass Sie mit der aktuellen Situation unzufrieden sind, ändern Sie etwas daran! Geben Sie sich mehr Zeit für ein Hobby, Aktivitäten mit Freunden oder eine regelmäßige, intensive Zeit mit dem Partner. Selbstfürsorge heißt, diese Wünsche zu kennen und darauf zu achten. - Wertschätzen Sie sich
Arbeiten Sie an Ihrem Mindset und lernen Sie, dass Sie gut genug sind – so wie Sie sind! Sie dürfen sich um sich kümmern, ohne dass das andere kümmern muss oder dass dadurch Ihr Wert sinkt. Gehen Sie gut mit sich und Ihrem Körper um (lebend kommen Sie da nicht raus!) – und machen Sie sich von der Meinung anderer mental unabhängig. - Pflegen Sie soziale Kontakte
Es klang oben schon an: Freunde sind ein wichtiger sozialer Faktor und emotionaler Anker. Sie bringen uns auf neue Gedanken, hören sich Probleme an, ermutigen und helfen mit Ratschlägen und Tipps. Schon kurze Gespräche mit guten Freunden oder ein gemeinsamer Abend sind wahrer Balsam für die Seele. - Stoppen Sie negative Gedanken
Positives Denken ist vielen suspekt. Dabei wissen wir längst aus der Psychologie, das positive Gedanken und Glaubenssätze unser Selbstvertrauen und auch die Selbstwirksamkeit stärken. Regelmäßig praktiziert, können solche positiven Selbstgespräche ein völlig neues Lebensgefühl erschaffen und sind daher zentrales Element der Selbstfürsorge. - Sagen Sie Nein
Grundlegend für die Selbstfürsorge ist die Fähigkeit, Grenzen zu setzen. Vor allem anderen. Wer das nicht tut, wird ausgenutzt. Sie brauchen im Leben eine gesundes (!) Maß an Egoismus – auch wenn sich das hart anhört. So unangenehm es ist: Manchmal müssen Sie anderen absagen, Gefallen ausschlagen, Hilfe verweigern. Das wird vielen nicht gefallen, ist aber unerlässlich, wenn Sie sich besser um sich selbst kümmern wollen. - Die Zeit nehmen
„Selbstfürsorge? Dafür habe ich keine Zeit!“ – Wer so denkt, ignoriert nicht nur sich, sondern auch seine Potenziale. Viele haben gelernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Stimmt. Die Dosis macht aber das Gift. Sie können anderen weder helfen, noch dienen, wenn Sie letztlich unglücklich und gestresst sind. Nehmen Sie sich die Zeit für sich – das ist keine verschwendete Zeit!
Wir selbst sind oft unserer schärfsten Kritiker, gehen mit uns hart ins Gericht oder betreiben permanente Selbstoptimierung. Dabei ist es so wichtig für das persönliche Wohlbefinden, gnädiger mit sich selbst zu sein und einen liebevollen Umgang mit sich zu pflegen. Immer alles perfekt zu machen, ist ein Privileg der Götter. Reduzieren Sie Ihre Ansprüche an sich. Erlauben Sie sich, Sie zu sein. Das ist schon wunderbar genug – und ein wichtiger Schritt zur Selbstfürsorge.
Selbstwahrnehmung: Wer bin ich?
Mindfulness: Definition und Übungen
Selbstführung: Erfolg durch Reflexion
National Health Service: 5 steps to mental wellbeing
National Institutes of Health: Emotional Wellness Toolkit
Studie: Warum es sich lohnt, gut für sich zu sorgen
Carolin Böttger: Der Selbstfürsorge Coach