Werbung
Werbung

Gerechtigkeitsempfinden: So wird es beeinflusst

Wie sieht das eigentlich aus: Ackern Sie wie blöde, haben Sie das Gefühl, kaum voranzukommen, während Kollege Meier ganz entspannt eine Stunde vor Feierabend bereits den Arbeitstag ausklingen lässt? Und ist das eigentlich eine Frage des Selbstmanagements oder müssen Sie ständig Zusatzaufgaben erledigen? Wie sich Gerechtigkeit und das Gerechtigkeitsempfinden im Berufsalltag auswirken und welche Konsequenzen daraus folgen sollten…



Gerechtigkeitsempfinden: So wird es beeinflusst

Was bedeutet Gerechtigkeit?

Die Frage nach dem, was Gerechtigkeit ist, beschäftigt die Menschheit seit jeher. In der Philosophie waren es Größen der Antike wie Platon, der Gerechtigkeit für eine Kardinaltugend hielt, die dafür sorgt, dass die drei Seelenteile eines Menschen im Gleichgewicht zueinander stehen.

Der ebenfalls antike, römische Jurist Ulpian definierte es folgendermaßen:

Gerechtigkeit ist der feste und dauernde Wille jedem sein Recht zuzuteilen.

Gerechtigkeit (lateinisch = iustitia, englisch und französisch = justice) hat viele Synonyme:

  • Fairness
  • Loyalität
  • Objektivität
  • Redlichkeit
  • Unbestechlichkeit
  • Unvoreingenommenheit
  • Vorurteilslosigkeit

Deutlich wird daraus, dass das Gerechtigkeitsempfinden und Gerechtigkeit sich aus dem Vergleich mit etwas oder jemanden ergeben. So beschreibt Gerechtigkeit denn auch den Zustand des sozialen Miteinanders unter Idealbedingungen. Eine große Rolle kommen in diesem Zusammenhang Regeln zu, denn aus ihnen leiten sich berechtigte Erwartungen ab.

Anzeige

Gerechtigkeitsempfinden bereits bei Kindern ausgeprägt

Es ist unklar, ob das Gerechtigkeitsempfinden genetisch bedingt ist, oder überwiegend vom Umfeld geprägt wird. In der Psychologie geht man davon aus, dass Kinder sich in der Entwicklung des Gerechtigkeitsempfindens an ihren Eltern orientieren.

Das beginnt allerdings früher als gedacht. Lange Zeit nahm man an, dass der Gerechtigkeitssinn sich erst im Schulalter entwickle. Eine Studie der Psychologen Jessica Sommerville und Marco Schmidt von der University of Washington konnte nachweisen, dass bereits Kinder im Alter von 15 Monaten ein Empfinden für gerechtes Teilen und selbstloses Handeln haben.

Für Eltern mehrerer Kinder stellt die Erziehung im Sinne der Gerechtigkeit sie häufig vor ein Problem, denn Kinder erwarten, dass es immer gerecht zugeht und das können Eltern kaum leisten. Es ist auch gar nicht sinnvoll, denn wie ein Kind behandelt wird, bemisst sich ja nicht an der Zuneigung, sondern in erster Linie am Alter und Entwicklungsstand des Kindes.

Denn natürlich haben ältere Kinder mehr Rechte als jüngere – sie dürfen länger draußen spielen, dürfen mehr fernsehen und vor allem andere Sendungen. Hier geht es nicht um Gleichbehandlung, sondern um Gerechtigkeit im Sinne einer individuell angemessenen Behandlung.

Gleiches gilt für die Eltern, die als Autorität und Bezugspersonen ebenfalls über mehr Rechte verfügen als ihre Kinder. Es ist auch wichtig, dies zu berücksichtigen und dem Kind zu erklären, da es anderenfalls sich Dinge herausnimmt, die ihm nicht zustehen.

Anzeige

Gerechtigkeitsempfinden: Das Gefühl von Gerechtigkeit

Wie sieht das nun in der Erwachsenenwelt aus? Der amerikanische Sozialpsychologe John Stacey Adams entwickelte die Equity-Theorie (auch Gleichheits- oder Billigkeitstheorie genannt), der zufolge Menschen in sozialen Austauschsituationen nur dann zur Leistung (Input) einwilligen, wenn sie über kurz oder lang eine entsprechende Gegenleistung (Outcome) erhalten.

Zu betonen sind hier zwei Aspekte:

  • Jemand erbringt eine Leistung oder tätigt einen Einsatz im Hinblick darauf, dass er im Gegenzug etwas erhält: Bezogen auf ein Arbeitsverhältnis wird jemand für seine Arbeit mit einem Gehalt entlohnt.
  • Diese Person erwartet insofern Gerechtigkeit, als dass bei gleichen Voraussetzungen, also gleichem Einsatz ihr im Vergleich zu anderen auch der gleiche Betrag gezahlt wird.

Als Einsatz – Input – ist hier allerdings längst nicht nur Leistung wie beispielsweise Arbeitseinsatz zu verstehen. Im übertragenen Sinne kann das alles sein, was eine Person in einer Tauschbeziehung als wichtig empfindet, so beispielsweise:

  • Attraktivität
  • Bildung
  • Soziale Bindungen
  • Erfahrung
  • Flexibilität
  • Jugend
  • Kompetenz
  • Aufgewendete Zeit

Der Ertrag – Outcome – aus diesem Tauschgeschäft kann demnach alles sein, was die Person als angemessene Gegenleistung empfindet:

Der Theorie zufolge vergleicht eine Person also ihren Input und ihr Outcome mit dem, was sie bei anderen Personen wahrnimmt.

Gleichheit und damit Gerechtigkeit empfindet die Person, wenn der Ertrag gemäß ihres Einsatzes ist und sich Gleiches bei der Vergleichsperson beobachten lässt; die also für einen vergleichbaren Aufwand das gleiche Gehalt erhält.

Ungleichheit (inequity) und somit Ungerechtigkeit wird empfunden, wenn das Ertrag-Einsatz-Verhältnis ihrerseits nicht mit dem Ertrag-Einsatz-Verhältnis mit einer anderen Person übereinstimmt. Das kann dann dazu führen, dass diese Person ihre Leistungen reduziert.

Das Gerechtigkeitsempfinden ist im Übrigen nicht von der Stellung der Person abhängig, mit der man sich vergleicht. Man kann sich durchaus mit Vorgesetzten vergleichen und zu dem Ergebnis kommen: Gemäß seinem Input, also seiner Erfahrung, seines Einsatzes, seiner Verantwortung und dergleichen mehr ist das Outcome absolut gerechtfertigt.

Anzeige

Gerechtigkeitsempfinden: Was bei Ungerechtigkeit zu tun ist

Das Gerechtigkeitsempfinden wird allerdings ordentlich auf die Probe gestellt, wenn sich im Kollegium beispielsweise ein Minderleister befindet. Das tritt je nach Job nicht immer so offensichtlich zutage und „etwas weniger Arbeit“ als die Kollegen reicht eben auch nicht:

Erst, wenn besagter Kollege dauerhaft ein Drittel unter dem Durchschnitt der anderen Arbeitskollegen liegt, sind nach dem Kündigungsschutzgesetz Maßnahmen in Form von Abmahnungen und Kündigungen möglich.

Doch was heißt das für Sie, wenn Sie einen solchen Kollegen haben? Wenn der Vorgesetzte diese Unterschiede nicht zur Kenntnis nimmt, kann eine Ungleichbehandlung beim enttäuschten Mitarbeiter folgende Konsequenzen haben:

  • Er verringert sein Input.

    Die denkbar schlechteste Lösung, wenngleich menschlich verständlich. So jemand fährt nur noch mit halber Kraft, weil er es nicht einsieht, für ein Unternehmen volle Leistung zu bringen, das seinen Einsatz offenbar nicht wertschätzt. Das kann sich negativ aufs Betriebsklima auswirken. Im schlimmsten Fall kann das zur inneren Kündigung führen.

  • Er vergrößert sein Outcome.

    Ein Ansatz für die Kämpfernaturen, deren Selbstmotivation selbst bei schlaffen Kollegen nicht einknickt. So jemand sucht das Gespräch mit dem Vorgesetzten und legt die eigenen Leistungen dar, um eine Gehaltserhöhung zu bekommen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass dieser die Leistungen als selbstverständlich oder aus anderen Gründen keinesfalls so hoch einschätzt wie der Mitarbeiter. Die Folge wäre wiederum ein enttäuschtes Gerechtigkeitsempfinden. Paradoxerweise können solche Enttäuschungen zu anderweitig geschäftsschädigendem Verhalten führen, etwa Diebstählen.

Daher unser Tipp: Noch bevor Sie Ihren Chef aufsuchen, sollte ein erstes Gespräch sich immer direkt an den betroffenen Kollegen richten. Versuchen Sie die Ursache zu ergründen, warum er sich so verhält. Liegt es an mangelnden fachlichen Kompetenzen? Liegt es an persönlichen Differenzen zwischen Kollegen? Vielleicht liegen auch gesundheitliche Gründe wie Erschöpfung oder Burnout vor.

Sollten Gespräche mit dem Kollegen nicht fruchten, ist es sinnvoll, sich mit anderen Kollegen auszutauschen, um eine mögliche Voreingenommenheit auszuschließen. Ist die Meinung einhellig, sollte im nächsten Schritt tatsächlich der Vorgesetzte informiert werden, denn auf Dauer leiden die Motivation und das Betriebsklima nachhaltig.

[Bildnachweis: icedmocha by Shutterstock.com]

Anzeige