Lernen am Modell: Definition, Beispiele & Phasen

Menschen lernen das ganze Leben lang – nicht nur neues Wissen oder Fähigkeiten, sondern auch Denk- und Verhaltensweisen. Lernen am Modell ist dabei ein zentrales Konzept. Schon Kinder lernen durch Beobachtung und Nachahmung, aber auch Erwachsene übernehmen, was sie bei anderen sehen. Wir erklären das Lernen am Modell mit Beispielen, Effekten und Phasen…

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Definition: Was ist Lernen am Modell?

Lernen am Modell ist eine zentrale Lerntheorie von Albert Bandura, nach der Menschen neue Dinge lernen, indem sie Vorbilder beobachten und die gezeigten Verhaltensweisen übernehmen. Wir übernehmen, was wir bei anderen Personen sehen – dabei analysieren wir nicht nur das Verhalten, sondern auch die (positiven oder negativen) Konsequenzen, die das Handeln für andere hat.

Das Modell wird auch als „sozialkognitive Lerntheorie“ bezeichnet. Andere Begriffe sind Beobachtungslernen, Nachahmungslernen oder soziales Lernen.

Die Rolle des Modells

Beim Lernen am Modell gibt es den Beobachter – also die Person, die Verhaltensweisen bei anderen abschaut. Beobachtet wird dabei das sogenannte Modell (oder Rollenmodell), von dem Sie etwas lernen. Typische Beispiele für ein solches Modell sind:

  • Eltern
  • Geschwister
  • Großeltern
  • Freunde
  • Erzieher
  • Lehrer
  • Kollegen
  • Vorgesetzte

Meist sind es reale Menschen, aber gerade bei kleinen Kindern treten auch fiktive Figuren aus Büchern, Serien oder Filmen als Modell auf.

Lernen am Modell: Einfach erklärt

Lernen am Modell ist die Nachahmung von Verhaltensweisen, die Sie bei anderen Menschen sehen. Sie schauen sich ab, was andere in einer bestimmten Situation machen und adaptieren das für Ihr eigenes Handeln.

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Lernen am Modell: Mögliche Lerneffekte

Abhängig von der individuellen Situation, dem beobachteten Verhalten und den daraus resultierenden Konsequenzen gibt es beim Lernen am Modell verschiedene Lerneffekte. Unterschieden werden dabei vier mögliche Effekte:

  1. Modellierender Effekt

    Lernen und übernehmen Sie eine völlig neue Verhaltensweise, spricht Albert Bandura vom modellierenden Effekt: Sie schauen sich bei einem Vorbild etwas ab und übernehmen das Verhalten in künftigen Situationen oder probieren es bei nächster Gelegenheit selbst aus.

    Beispiel: Sie sehen, wie der Lehrer eine Matheaufgabe mit einem Rechenweg löst und übernehmen diesen Lösungsansatz.

  2. Enthemmender Effekt

    Beim enthemmenden Effekt lernen Sie, dass ein Verhalten, das Sie bisher als schlecht oder falsch eingestuft haben, doch positiv ist und keine negativen Konsequenzen hat. Sie beobachten, wie jemand anders genau das tut und vielleicht sogar belohnt wird – es kommt zur Enthemmung und Sie übernehmen das Verhalten ebenfalls.

    Beispiel: Sie sind eigentlich schüchtern, sehen aber wie jemand andere Menschen anspricht und damit keinerlei Probleme hat. In Zukunft sprechen auch Sie Fremde leichter an.

  3. Hemmender Effekt

    Der hemmende Effekt ist das genaue Gegenteil: Durch das Lernen am Modell erkennen Sie, dass ein Verhalten eben doch negative Konsequenzen hat. Sie sehen, wie ein Vorbild (oder andere Personen) negative Erfahrungen mit ihrem Handeln macht und stufen dieses für sich selbst ebenfalls als schlecht oder ungeeignet ein.

    Beispiel: Sie sehen, wie ein anderes Auto im Halteverbot abgeschleppt wird. Durch das Lernen am Modell entsteht eine Hemmung – selbst, wenn Sie nur kurz halten wollen, suchen Sie lieber einen Parkplatz.

  4. Auslösender Effekt

    Beim auslösenden Effekt zeigen Sie ein beobachtetes Verhalten von Modellen nur unter bestimmten Bedingungen (sogenannter auslösender Reiz). Oft ist dieser Reiz das Modell selbst: Wenn Sie mit Ihrem Vorbild zusammen sind, verhalten Sie sich auf eine Art, wie Sie es sonst nicht tun. Typisch ist das bei Gruppenzwang unter Jugendlichen.

    Beispiel: Sie beobachten, wie andere nach einem Vortrag klatschen und applaudieren ebenfalls – auch wenn Sie die Rede nicht mochten.

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Modelllernen: Phasen nach Bandura

Das Lernen am Modell nach Albert Bandura läuft in zwei Phasen ab: Unterschieden wird zwischen der anfänglichen Aneignungsphase und der anschließenden Ausführungsphase – diese sind wiederum in einzelne Bereiche gegliedert. Wir stellen die Phasen genauer vor:

    1. Aneignungsphase

  • Aufmerksamkeitsprozess (Attention)

    Die erste Phase beginnt mit der Aufmerksamkeit auf das Modell. Sie beobachten einen anderen Menschen und filtern dabei, welche Aspekte des Verhaltens für Sie wichtig oder unwichtig sind. Respekt, Sympathie, emotionale Bindung oder Status beeinflussen, wem Sie als Modell Aufmerksamkeit schenken.

  • Behaltensprozess (Retention)

    In der Behaltens- oder Gedächtnisphase speichern Sie die Beobachtungen ab. Sie lernen und ziehen Ihre Schlüsse aus dem Verhalten des Modells. Das funktioniert bereits ohne eigenes Ausprobieren (siehe: Lernen durch Erfahrung).

  • 2. Ausführungsphase

  • Reproduktionsprozess (Production)

    Die Phase der Reproduktion ist die konkrete Nachahmung des Erlernten. Sie machen zum ersten Mal selbst, was Sie zuvor nur bei anderen gesehen und verinnerlicht haben. In dieser Ausführungsphase rufen Sie Ihre Erinnerung ab und testen es selbst aus.

  • Motivationsprozess (Motivation)

    Nach der Reproduktion werden die Auswirkungen des eigenen Verhaltens bewertet. Sie schauen, ob Sie damit Ihre Ziele erreichen, Erwartungen erfüllen und von anderen positives Feedback bekommen. Verstärkend (positiv oder negativ) wirken zum Beispiel Lob, Strafe, Anerkennung oder auch eigener Stolz auf die Leistung.

Beispiel: Bobo Doll

Das bekannte „Bobo Doll Experiment“ von Albert Bandura zeigt anschaulich, wie Modelllernen abläuft: Kindern im Vorschulalter wurde ein Film gezeigt, in dem ein Erwachsener eine Puppe schlägt, tritt und auf den Boden wirft – das Ende unterscheidet sich für drei Testgruppen:

  1. Der Mann wird für das Verhalten belohnt.
  2. Der Mann wird für das Verhalten bestraft.
  3. Der Film endet ohne zusätzliche Reaktion auf das Verhalten.

Anschließend spielten die Kinder in einem Raum mit der Puppe. Die Gruppen, die Lob oder keine Reaktion auf das aggressive Verhalten gesehen haben, kopierten deutlich häufiger die Gewalt gegen die Puppe – durch Lernen am Modell haben Sie übernommen, dass das Verhalten akzeptiert oder sogar belohnt wird.

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Lernen am Modell: Vor- und Nachteile

Die sozialkognitive Lerntheorie von Albert Bandura ist ein zentrales Konzept, ist wissenschaftlich belegt und hat viele Vorteile. Es gibt aber auch Grenzen und Nachteile:

Vorteile

  • Effizienz
    Sie müssen nicht alles selbst ausprobieren, sondern lernen direkt von anderen.
  • Soziales Lernen
    Gerade Regeln, Werte, Umgangsformen und soziales Verhalten werden leicht durch Modelllernen vermittelt.
  • Motivation
    Gute Vorbilder steigern die Lernbereitschaft.
  • Schnelligkeit
    Lernen am Modell bringt einen schnellen Wissenstransfer: Sie schauen sich etwas ab und setzen es um.
  • Positivität
    Wer durch ein Modell lernt, muss selbst weniger Fehler machen.

Nachteile

  • Abhängigkeit
    Sie brauchen ein gutes und kompetentes Modell – von diesem hängt die Qualität des Lerneffekts ab.
  • Manipulation
    Die Abhängigkeit macht auch anfällig für Manipulation. Gruppenzwang oder soziale Medien sind gefährliche Modelle.
  • Fehlverhalten
    Die Beispiele zeigen: Auch negatives Verhalten wird beim Modelllernen übernommen und adaptiert.
  • Passivität
    Es gibt zu wenig eigenes Ausprobieren und kaum Kreativität. Reine Nachahmung schränkt Individualität ein.
  • Lerntyp
    Nicht jeder lernt gleichermaßen gut durch Beobachtung. Manche Lerntypen brauchen andere Lernmethoden.

Die Lerntheorie zeigt auch: Jeder kann zum Modell für andere werden und als Vorbild dienen. Entsprechend wichtig ist es, das eigene Handeln zu hinterfragen – gerade im Umgang mit Kindern, die zu Bezugspersonen aufschauen und nachahmen, was sie sehen.


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