Selektive Wahrnehmung: Definition, Beispiele & Bilder

Was wir sehen nur, was wir sehen wollen. Einen Ausschnitt – die selektive Wahrnehmung. Unser Gehirn sortiert Informationen aus, die Auswahl bestimmt unsere Wahrnehmung. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit. Einerseits ist selektive Wahrnehmung eine wichtige Schutzfunktion des Gehirns – sie kann aber zu Täuschungen und Trugschlüssen führen. Einfach erklärt: Wie funktioniert selektive Wahrnehmung?

Selektive Wahrnehmung Definition Beispiel Einfach Erklaert

Definition: Was ist selektive Wahrnehmung?

Selektive Wahrnehmung (auch: Aufmerksamkeitsblindheit) ist ein meist unbewusstes psychologisches Phänomen, bei dem unsere Wahrnehmung nur bestimmte Reize verarbeitet, während andere ausgeblendet werden. Jede Sekunde ist ein Viertel des Gehirns damit beschäftigt, Wahrgenommenes zu selektieren und wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden.

Die Selektion beruht auf dem Bedürfnis und der Fähigkeit des Gehirns, Muster zu erkennen sowie Bedeutungen zu generieren. Das ist einerseits eine Schutzfunktion, um die Komplexität der Reize zu vereinfachen und zu bewältigen. Gleichzeitig macht es Menschen anfällig für Manipulation (siehe: Gore-Effekt).

Selektive Wahrnehmung Beispiel

Gegen selektive Wahrnehmung können wir uns kaum wehren. Machen Sie gleich den Test! Ganz spontan: Was sehen Sie auf dem Bild und Beispiel?

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Lösung: Die meisten Menschen sehen zuerst einen Schmetterling. Auf den zweiten Blick erkennen sie in den Flügeln (helle Flächen) jeweils zwei zugewandte Gesichter. Bei dem Beispiel handelt es sich um ein sogenanntes Vexierbild (siehe: Alte Frau – junge Frau). Ein weiteres Bild für selektive Wahrnehmung finden Sie hier – die Auflösung dazu steht in diesem PDF.

Das Bild und Beispiel zeigt, wir unser Gehirn die Information verarbeitet und aus Umrissen ein bekanntes Muster ableitet: „Schmetterling!“ Aus wenigen Ausschnitten formt die selektive Wahrnehmung einen Gesamteindruck und eine ganze Realität – die aber kann täuschen und zu falschen Entscheidungen führen…


Wussten Sie, dass das das Gehirn unnötige Informationen automatisch ignoriert?

Genau wie das zweite „das“ im ersten Satz.
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Selektive Wahrnehmung: Beispiele im Alltag

Selektive Wahrnehmung zeigt sich nicht nur in konstruierten Bildern. Es ist ein Phänomen der Psychologie, das Sie im Alltag überall beobachten können:

  • Warteschlange

    Wer kennt es nicht: Immer, wenn man sich an der Supermarkt-Kasse anstellt, scheint die eigene Warteschlange die längste und langsamste zu sein.

  • Cocktail-Party-Effekt

    Auf einer Party sprechen 25 Menschen durcheinander, im Hintergrund läuft laute Musik – trotzdem können Sie die Worte Ihres Gesprächspartners gut verstehen. Der Cocktail-Party-Effekt ist ein typisches Beispiel für selektives Hören: Wir können unsere Aufmerksamkeit selektiv fokussieren.

  • Schwangerschaft

    Wenn Sie selbst ein Kind erwarten oder erfahren haben, dass jemand in der Familie schwanger ist, sehen Sie plötzlich überall Mütter oder Babys. Natürlich sind es in Wahrheit nicht mehr als sonst – Sie nehmen diese jetzt aber bewusster wahr.

  • Rote Ampeln

    Sie sind spät dran und verpassen möglicherweise einen wichtigen Termin. Genau jetzt scheinen alle Ampeln auf Rot zu stehen. Die selektive Wahrnehmung rückt diese in den Fokus, weil Sie zeitlich unter Druck stehen. Dass Sie gerade über drei grüne Ampeln gefahren sind, wird ignoriert.

  • Bestätigung

    Sie sind von Ihrer Meinung überzeugt? Dann werden Sie im Alltag vor allem Argumente finden, die diese Ansicht stützen. Der Confirmation-Bias ist ein weiterer Beurteilungsfehler und eine Form der selektiven Wahrnehmung, bei der widersprechende Argumente ausgeblendet werden.

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Psychologie: Einflussfaktoren für selektive Wahrnehmung

Unsere Wahrnehmung ist immer subjektiv: Wir sehen die Welt nicht wie sie ist, sondern wie WIR sind. Dabei wird unsere Wahrnehmung zugleich von zahlreichen Faktoren beeinflusst – unbewusst oder gezielt, um uns zu manipulieren:

  • Prägung

    Kindheit, Erziehung und bisherige Erfahrungen haben enormen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, Werte und unser Weltbild. Diese unbewusste Prägung lenkt wiederum unser Urteil. Beispiel: Wer in der Kindheit immer gehört hat, das Unternehmer „Ausbeuter“ sind, wird Start-ups anders beurteilen und sich seltener selbstständig machen.

  • Gefühle

    Auch die akuten Gefühle spielen bei selektiver Wahrnehmung eine Rolle: Wer gerade wütend ist, sieht mehr Dinge, die sie oder ihn noch mehr aufregen. Sind Sie dagegen gut gelaunt und glücklich, scheint Ihnen noch mehr Gutes zu passieren (siehe Video: Glück ist kein Zufall).

  • Erwartungen

    Was wir erwarten, das sehen wir. Es ist wie bei einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Wenn Sie jemanden kennenlernen und erwarten, dass diese Person intelligent ist, werden Sie im Gespräch auf Anzeichen achten, die Ihre Erwartung bestätigen (siehe: Interviewer Bias).

  • Framing

    Das sogenannte Framing gehört zu den Manipulationstechniken, um die selektive Wahrnehmung von Menschen bewusst auszunutzen. Dabei sorgen bestimmte Formulierungen dafür, die Wahrnehmung zu beeinflussen und in eine gewünschte Richtung zu lenken. Beispiel: Welchen Joghurt würden Sie kaufen – den „mit 20% Fett“ oder jenen, der zu „80% fettfrei“ ist? 80 Prozent klingt besser, oder?!

  • Priming

    Auch das sogannte Priming kann selektive Wahrnehmung steuern und unser Denken beeinflussen. Dabei werden durch bestimmte Worte oder Reize Assoziationen ausgelöst, um Wahrnehmung oder Kaufverhalten zu steuern. Ein schönes Beispiel hierfür ist die suggestive Fragenkaskade:

    Welche Farbe hat Schnee? – Weiß.
    Welche Farbe hat der Schwan? – Weiß.
    Welche Farbe haben Wolken? – Weiß.
    Was trinkt die Kuh? – Milch. (Falsch: Wasser!)

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Lässt sich selektive Wahrnehmung umgehen?

Zunächst ist selektive Wahrnehmung eine Stärke unseres Gehirns. Wir schützen uns damit vor Reizüberflutung. Gleichzeitig macht uns die Aufmerksamkeitsblindheit anfällig für Fehlurteile und Manipulation. Also: Lässt sich selektive Wahrnehmung umgehen?

Tatsächlich können wir selektive Wahrnehmung nicht umgehen, den Psychoeffekt aber abmildern: Dabei helfen vor allem kritisches Denken und Selbstreflexion der eigenen Ansichten und Vorurteile.

Mehr konzentrieren hilft nicht

Grundsätzlich aber können Sie sich nicht davor schützen, dass Ihr Gehirn auch weiterhin versuchen wird, Eindrücke und Sinneswahrnehmungen zu interpretieren und Muster zu erkennen, wo keine sind (wie etwa beim berühmten Rorschachtest).

Selbst mehr Konzentration hilft wenig. Je mehr Sie sich auf eine Sache konzentrieren, desto eher werden Sie andere Informationen und scheinbar Offensichtliches übersehen.

Das bestätigt ein Test von des britischen Psychologen Richard Wiseman: Die Teilnehmer sollten alle Fotos in einer Zeitung zählen. Die aber war präpariert und schon auf der zweiten Seite stand in fetten Lettern: „In dieser Zeitung sind 43 Fotos abgebildet.“ Fast niemand bemerkte es…

Selektive Wahrnehmung Test: Das Gorilla-Experiment

Das „Gorilla Experiment“ des Psychologie-Professors Daniel Simons zählt heute zu den bekanntesten Tests für selektive Wahrnehmung. Dazu sahen sich die Teilnehmer ein Video von zwei Mannschaften beim Ballspiel an und sollten zählen, wie oft der Ball hin und her wechselt.

Weil sich aber alle so sehr auf den Ball konzentrierten, übersahen sie die Person, die minutenlang und als Gorilla verkleidet durch das Spielfeld lief.


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Selektive Wahrnehmung: Häufige Fragen

Was bedeutet selektive Wahrnehmung Beispiele?

Selektive Wahrnehmung ist ein Beurteilungsfehler, bei dem unser Gehirn Sinneseindrücke unbewusst filtert und Informationen ausblendet. Ursache dafür ist eine begrenzte Aufmerksamkeit oder gezielt gelenkte Wahrnehmung. Ein einfaches Beispiel: Die Nase ist dauerhaft in unserem Sichtfeld – trotzdem sehen wir sie nicht, weil das Gehirn sie als „unwichtig“ bewertet und einfach ausblendet.

Was ist subjektive und selektive Wahrnehmung?

Subjektive und selektive Wahrnehmung sind Synonyme – beides lässt sich nicht voneinander trennen: Unsere Wahrnehmung ist immer durch die eigene Persönlichkeit, durch Erfahrungen, Erwartungen und Emotionen geprägt und beeinflusst. Selektierte Informationen werden subjektiv interpretiert und dann wie Tatsachen behandelt, obwohl es nur Ausschnitte sind.

Warum ist Wahrnehmung subjektiv und selektiv?

In jeder Sekunde nimmt der Mensch über seine Sinne tausende Eindrücke wahr. Diese alle zu verarbeiten, wäre unmöglich. Das Gehirn muss auswählen, um die Informationsflut zu bewältigen. Dabei passt es unsere Wahrnehmung aber an den jeweiligen Kontext und die aktuelle Gefühlslage an.


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