Frauenquote als Konsequenz?
Allein die Frauenquote wurde in den vergangenen Jahren lang und breit diskutiert und brachte erste Veränderungen. Sie ist am Anfang des Jahres in Kraft getreten und fordert eine 30-prozentige Frauenquote in rund 100 börsenorientierten Unternehmen in Deutschland. Aber warum diese Quote? Hätten die Frauen es nicht ohne politische Hilfe geschafft, in die Führungsebene zu gelangen? Befürworter der Frauenquote sagen Nein, die Gegner behaupten doch.
Eine Statista-Umfrage versuchte erst kürzlich herauszufinden, warum aus Sicht der Führungskräfte Frauen in den Führungspositionen in Deutschland unterrepräsentiert sind. Ergebnis:
- 73 Prozent denken, es liegt an der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- 54 Prozent sahen die Ursache in der fehlenden Flexibilität der Arbeitgeber.
- Für 32 Prozent der Befragten liegt es an der mangelnden Motivation der Frauen.
- 25 Prozent waren für fehlende Vorbilder.
- 25 Prozent sahen eine Diskriminierung als Ursache.
Die Ursachen werden also durchaus unterschiedlich gesehen und reichen von Familienvereinbarkeit, über fehlende Flexibilität bis hin zu Diskriminierung. Mal sehen sie den Auslöser mehr bei den Frauen, mal mehr bei Umständen oder den Männern. Kurzum: Auch hier offenbaren sich zahlreiche Stereotype und Mythen, sodass Frauen bis heute mit traditionellen Unternehmensstrukturen und Rollenmustern kämpfen müssen.
Aber welche davon stimmen – aus Sicht der aktuellen Wissenschaft – wirklich? Wir haben die gängigsten Thesen zusammengetragen und bewusst so formuliert, wie sie im Job häufig kursieren. So können auch Sie zunächst überprüfen, ob Sie das selber glauben, bevor Sie die Auflösung lesen.
Mythos oder Fakt: Was denken Sie?
-
Frauen streben keine Führungspositionen an.
Laut der Statista-Umfrage sind davon 32 Prozent der Führungskräfte überzeugt. Die Ambitionen der Frauen und Männer in Führungspositionen unterschieden sich aber zunächst nicht, im Gegenteil: Werden Frauen und Männer auf Managementebene gefragt, ob sie noch weiter an die Spitze des Unternehmens wollen, lautet die Antwort bei beiden Geschlechtern: JA. Ehrgeizig sind also beide. Die Auswahl beginnt jedoch früher.
Als der Organisationspsychologe Jörg Felfe von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg zusammen mit seinem Team eine Langzeitstudie (PDF) auswertete, zeigte sich: Die Frauen hatten im Vergleich zu den Männern zwar oft mehr Potenzial, strebten aber seltener nach einer Führungskarriere. Eher hatten Sie Sorge, in dem Job zu versagen oder Arbeit und Familien nicht vereinbaren zu können.
Als wiederum die Organisationspsychologin Karen Lyness vom Baruch College in New York zwei Jahre lang die Bewertungen von rund 450 befördeten Managern und Managerinnen auswertete, kam sie zu dem Ergebnis, dass die Frauen – trotz positiver Bewertungen – viel zu wenig auf die (überfällige) Beförderung pochten, sondern stattdessen hofften, entdeckt zu werden oder sich schlicht mit dem aktuellen Job (und Gehalt) zufrieden gaben.
Bestätigt wird dies zum Beispiel durch Untersuchungen (PDF) des Soziologen Stefan Liebig von der Universität Bielefeld. Für seine Analysen des Sozioökonomischen Panels, einer Langzeitstudie, bei der rund 10.000 Deutsche Angaben zu Beruf und Privatleben machen, legte er den Fokus auf das empfundene Einkommen der befragten. Wenig überraschend: Jeder Dritte empfand dies als ungerecht und zu wenig. Bemerkenswert dafür: Jenes Gehalt, dass Frauen schon als gerecht empfanden, lag deutlich unter dem der Männer.Mythos oder Fakt?
Fakt. Nicht selten werden die Stärken von Frauen im Beruf – etwa Empathie, Sozialkompetenz, Teamfähigkeit, Sachorientierung – erkannt und auch geschätzt. Die entscheidenden Faktoren für den Aufstieg auf der Karriereleiter sind allerdings Durchsetzungsfähigkeit, Selbstmarketing und Selbstbewusstsein – alles Stärken, die von Befragen regelmäßig als typisch männliche Stärken benannt werden. Um diese Stärken zu beweisen, müssen Frauen das Verhalten der Männern annehmen, dies wollen aber nicht alle und es gelingt auch nicht allen.
-
Frauen werden durch Kinder ausgebremst.
Wahr ist: Familienfreundlichkeit ist in vielen Unternehmen noch immer ein Lippenbekenntnis. Unbürokratische Home-Office-Regelungen, das temporäre Wechseln zwischen Voll- und Teilzeitarbeit bleiben Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Vor allem alleinerziehende Mütter leiden darunter.
Dies aber allein auf die Kinder zu schieben, wäre zu kurz gesprungen. Denn auch väterfreundliche Unternehmen gibt es kaum. Ebenso gibt es längst zahlreiche Beispiele von mehrfachen Müttern, die trotzdem und mit Kindern Karriere gemacht haben: Ursula von der Leyen wurde mit 55 (sieben Kinder, damals im Alter zwischen 13 und 23 Jahren) zur Bundesministern; Nathalie Benedikt wurde mit 36 Jahren zum Finanzvorstand des Maschinenbauers Pfeiffer Vacuum (zwei Kinder im Alter von eins bis vier); Nicole Voigt bekam mit 39 eine Stelle als Principal bei der Boston Consulting Group in Düsseldorf (drei Kinder im Alter von drei bis 16 Jahren).
Laut einem Dossier des Bundesfamilienministeriums arbeiten bereits 41 Prozent der Mütter mit Kindern von eins bis zwei Jahren und 54 Prozent der Mütter mit Kindern zwischen zwei und drei Jahren. Damit nicht genug: Viele nicht berufstätige Mütter sagen selbst, sie würden gerne arbeiten – nur finden sie kaum geeignete Stellen.Mythos oder Fakt?
Mythos. Das Wort ausbremsen impliziert, dass Frauen von Umständen oder Situationen ungewollt auf ihrem Weg zur Führungsetage aufgehalten werden. Es ist aber fast immer die Entscheidung der Frauen selbst, ob sie sich für einige Jahre eine Auszeit nehmen oder trotz des Babys Karriere machen wollen. Beide Entscheidungen sollten Mütter für sich selbst treffen, ohne sich von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt zu fühlen.
-
Frauen unterstützen sich nicht gegenseitig.
Die Meinung, dass Frauen insgesamt teamfähiger seien als Männer, ist weit verbreitet. Studien legen jedoch nahe, dass dies so pauschal nicht stimmt. Entscheidend ist vielmehr, mit welchem Geschlecht die Frauen zusammenarbeiten: Mit Männern klappt das Teamwork in den meisten Fällen ganz harmonisch. Umso schwerer aber tun sich viele Frauen, mit anderen Frauen zusammenzuarbeiten oder diese zu unterstützen. Stutenbissigkeit wird dieses Phänomen im Volksmund auch genannt, dass sich in vielen Büros immer wieder zeigt.
Bei einer Meta-Studie von Daniel Balliet von der Universität Amsterdam werteten die Wissenschaftler insgesamt 272 Forschungsarbeiten aus, mit insgesamt mehr als 31.000 Probanden in 18 Ländern. Resultat: Wenn es um ein ernstes Problem ging, kooperierten beide Geschlechter jedes Mal bestens miteinander. Im Detail aber gab es auffällige Unterschiede: Insbesondere in gemischten Teams konnten Frauen besser mit Männern und Männer wiederum besser mit Männern zusammenarbeiten.
Als Grund hierfür vermuten Forscher die besonders große Konkurrenz unter Frauen, da in den Führungsetagen noch nur wenige Damen vertreten sind. Wer es also bis dahin schaffen will, muss sich gegen die anderen Frauen durchsetzen – und spürt umso mehr den Druck, die Geschlechtsgenossinnen auszustechen.Mythos oder Fakt?
Fakt. Natürlich gibt es auch Freundschaften unter Frauen im Büro. Oft aber wenden sich Frauen gegeneinander, wenn sie Konkurrenz befürchten – und das stärker als gegenüber männlichen Konkurrenten.
-
Frauen sind die besseren Manager.
Auch diese These fällt häufig im Zusammenhang und als Argument für die Frauenquote. Der Tenor ist dabei oft ähnlich: Frauen bringen einen anderen Blickwinkel ein, legen mehr Wert auf Menschlichkeit, soziales Verhalten und auch Fairness. Übertragen auf die Ebene eines gesamten Unternehmens – so der Konsens – führt dieser als weiblicher Führungsstil betitelte Managementansatz zu größeren und vor allem langfristigeren Erfolg. Aber stimmt das auch?
Eine Studie der Personalberatung Russel Reynolds Associates und kam auf eine recht unerwartete Antwort: Zwar lässt sich ein Unterschied im Führungsverhalten zwischen Männern und Frauen feststellen, aber nur so lange, wie die Frauenquote im Management eines Unternehmens gering war. Steigt der Anteil der Frauen in Führungspositionen an, wandelt sich diese weibliche Führung ins Gegenteil und passt sich an männliche Vorbilder an: Die Frauen legen dann den Fokus mehr auf die eigene Karriere und soziale Faktoren wie Miteinander und Fairness fallen weniger ins Gewicht.
Als wiederum die beiden Ökonomen David Matsa (Kellogg School of Management) und Amalia Miller (Universität von Virginia) die Folgen der Frauenquote für die Unternehmen genauer untersuchten, kamen sie zu dem Ergebnis: Auf die strategischen Entscheidungen der Unternehmen hatte die Anzahl der Frauen im Management-Board keinerlei Auswirkungen. Ebenso erzielten Unternehmen mit mehr (Top-)Managerinnen keine höheren Umsätze im Vergleich zu Unternehmen ohne Frauenquote und männlicher Dominanz im Board. Oder kurz: Wirtschaftlich lässt sich ein Vorteil der Frauenquote nicht nachweisen.Mythos oder Fakt?
Mythos. Frauen haben Führungsqualitäten, die sich zwar vom männlichen Führungsstil unterscheiden, aber gerade langfristig nicht besser oder schlechter sind. Der einzige Vorteil: Frauen bringen frischen Wind in verkrustete Strukturen und eingestaubte Hierarchien. Das hat vor allem kurzfristige Vorteile.
-
Frauen scheuen herausfordernde Jobs.
Tatsächlich zeigte sich bei einer Eye-Tracking-Studie, dass Frauen Stellenanzeigen länger betrachten und intensiver studieren (im Schnitt rund 2,34 Sekunden pro Anzeige) als Männer (1,17 Sekunden) – und sich von einigen Anforderungsprofilen regelrecht einschüchtern lassen und sich gar nicht erst bewerben.
Die Ursache dafür lag vor allem in der Formulierung der Stellenanzeige und einer eher männlichen Wortwahl: Wurde dort zum Beispiel ein Senior-Manager (m/w) gesucht, schreckte dies Frauen tendenziell ab. Die Relativierung „m/w“ änderte daran nichts. Wenn in dem Jobangebot gar auf Schlüsselbegriffe wie „Kommunikationsfähigkeit“ oder „flexible Arbeitszeiten“ verzichtet wurde, hatten prompt weniger Kandidatinnen Interesse an der Stelle.
Auch als Andreas Leibbrandt und John List für ihre Experimente modifizierte Stellenanzeigen schalteten, kam heraus: Suggerierte die Ausschreibung etwa, dass das Gehalt verhandelbar sei, bewarben sich prompt weniger Frauen als bei einem Fixgehalt.
Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang auch eine McKinsey-Studie, wonach Frauen auch später im Job rund 20-mal häufiger als Männer über ihre Schwächen statt über ihre Stärken reden. Man könnte auch sagen: Sie verkaufen sich regelmäßig unter Wert.Mythos oder Fakt?
Mythos. So formuliert, ist die obige These falsch. Das Problem beginnt viel früher und liegt nicht in den Herausforderungen eines Jobs, sondern vielmehr im mangelnden Selbstvertrauen: Männer überschätzen gerne ihre eigenen Fähigkeiten. Ihnen fällt es leichter, Anforderungen, die sie nicht erfüllen, auszublenden. Entsprechend treffen sie schneller eine Entscheidung – und bewerben sich auf gut Glück. Nicht selten dann auch mit größerem Erfolg.
-
Frauen können nicht netzwerken.
Ein klassischer Vorwurf, der Frauen gemacht wird, lautet: Sie seien nicht sichtbar genug. Natürlich geht es dabei nicht wirklich um die Sichtbarkeit von Frauen – sie tragen ja keine Tarnkappen –, sondern vielmehr darum, dass sie im Geschäftskontext zu selten wahrgenommen werden – vor allem mangels Mentoren und Netzwerk.
Nun gibt es bereits zahlreiche Netzwerke, die speziell für Frauen gebildet wurden und nach Branchen und Positionen sortiert sind. Zum Beispiel der Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU), der branchenübergreifend vor allem die Interessen von mittelständischen Unternehmerinnen vertritt. Für Frauen im Mittleren bis Top-Management existiert das European Women’s Management Development International Network (EWMD International). Doch all diese Frauennetzwerke haben ein Problem: Es sind reine Frauennetzwerke. Vitamin B und Seilschaften (im positiven Sinn) funktionieren aber dann am besten, wenn sie sich eben nicht selbst isolieren, sondern möglichst vielfältig sind. Und da die Mehr der Management-Positionen noch immer von Männern dominiert wird, nutzen die reinen Frauenbündnisse als Entree hierbei wenig.Mythos oder Fakt?
Mythos. Frauen nutzen durchaus eigene Netzwerke, nur auf eine andere Weise als Männer. Sie vernetzen sich, tauschen sich aus, holen sich Tipps und sammeln Informationen. Allerdings bleiben sie dabei mehrheitlich unter sich – und das ist, je nach beruflichen Ambitionen – eher hinderlich für die Karriere.
Karrieremythen: Davon gibt es noch viel mehr…
Diese sechs Beispiels sind allerdings nur eine Auswahl aus viel mehr Vorurteilen gegenüber Frauen. Sicher ist, dass fast alle Frauen im Laufe ihrer Karriere mit dem einen oder anderen Stereotyp konfrontiert wurden. Viele der anschließenden Diskussionen darum werden mehr emotional als rational geführt – auch im Job. Leider.
Denn dabei geht es nicht um die Frage: Sind Frauen besser oder schlechter als Männer? Das sind sie keinesfalls. Sie denken, entscheiden, führen aber teils anders. Und das sollte nicht etwa in eine Entweder-Oder-Diskussion führen, sondern ist vielmehr ein weiteres Argument zum vielfältigen Miteinander. Gemeinsam, sich gegenseitig optimal ergänzend (wie bei Diversity-Diskussionen auch) entsteht – ganz sachlich – die beste Kombination.