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Weichei: Warum andere Karriere machen

Wenn jemand nicht dem gängigen Klischee vom „Mann“ entspricht, dann bekommt er schnell den Stempel des Weicheis aufgedrückt: Männer haben gefälligst immer zu wissen, wo es langgeht. Keine Fragen stellen, sondern Antworten liefern. Nicht zögern, bloß keine Unsicherheit zeigen. Jemand, der kein Weichei ist, der straight und selbstbewusst ist, wird entsprechend erfolgreich eingeschätzt. Aber ist das so? Kommt man im Berufsleben nur mit Macho-Attitüden weiter?



Weichei: Warum andere Karriere machen

Weichei: Ein Schimpfwort macht Karriere

Weichei – auch wieder so ein Wort, das sich schlecht ins Englische übersetzen lässt; die Briten und Amerikaner sprechen von softy, wimp oder pantywaist.

Wir meinen damit eine Person, die angepasst und weich wirkt. Warmduscher, Weichling, Memme, Schlaffi, Lusche – das sind typische Synonyme für jemanden, der alles andere als hartgesotten ist. Gerne auch abwertend im Hinblick auf Eigenschaften, die als frauentypisch empfunden werden.

Dabei bezeichnet dieser Typus im Berufsleben eine Person, die nicht zwangsläufig weibliche Qualitäten mit sich bringt und im Übrigen genauso gut auch eine Frau sein kann. Weicheier haben einige unangenehme Charakterzüge und so können Eigenschaften, die im privaten Bereich schon schwierig sind, auf der Arbeit zur Hölle werden.

Richtig schwierig wird es allerdings, wenn Sie so jemanden zum Vorgesetzten haben. Denn ein Chef sollte nicht nur Vorgesetzter, sondern auch Führungskraft sein.

Unter anderem zeichnen sich solche Weicheier durch diese vier Merkmale aus:

  • Angepasst

    Die Synonyme bringen klar den rückgratlosen Charakter hervor. Ein Weichei ist im Verhalten wenig stabil. Sobald es eine Ansage von oben gibt, passt es sich entsprechend an und befolgt brav die Regeln.

  • Regelkonform

    Anweisungen werden nicht auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft, sondern widerspruchslos befolgt. So werden leider auch gute Ideen von Teammitgliedern direkt im Keim erstickt, da sich keiner traut, vom Mainstream abweichende Vorschläge zu unterbreiten.

  • Unentschlossen

    Traut sich nicht, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Das Weichei möchte mit jedem gut auskommen. Daher fällt es ihm schwer, Entscheidungen gegeneinander abzuwägen und eine begründete Wahl zu treffen.

  • Schwammig

    So wie ihr Verhalten, so ist auch die Ausdrucksweise von Weicheiern. Ein Weichei versteckt sich hinter unklaren Äußerungen und Phrasen, um sich im Ernstfall hinter irgendwelchen Ausflüchten verstecken zu können, statt die Verantwortung zu übernehmen.

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Die Verlierer: Nicht-Weicheier

Das Problem ist, dass ein Weichei mit Führungsverantwortung andere Weicheier nach sich zieht. Das ist im Prinzip ein normaler Mechanismus: Man befördert üblicherweise diejenigen, deren Loyalität man sich sicher sein kann. Für gewöhnlich stecken dahinter gleiche Werte und Ziele.

Schwierig ist es im Fall von Weicheiern: Sie haben keine wirklichen Ziele außer den Machterhalt ihrer Position. Also werden auch keine Visionäre oder kreative Freigeister befördert. Dieser Mechanismus ist frustrierend für Menschen, die gerne etwas bewegen würden, ganz zu schweigen davon, dass Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden dadurch entsteht.

Auf Unternehmensseite bedeutet das, dass es sich mit dem Weichei einen Mitarbeiter eingekauft hat, der nicht seine ganze Arbeitskraft einsetzt, sondern nur den verwaltenden, duckmäuserischen und bequemen Teil. Dieser Teil wird dem Vorgesetzten nicht sagen, wenn ein Konzept bekloppt ist. Das führt dazu, dass das Unternehmen mit einem mittelmäßigen Konzept an den Start geht und irgendwann einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber solchen hat, die ihre Mitarbeiter und deren geistigen Input fördern.

Denn wirklich wichtig und wertvoll für ein Unternehmen ist der Teil, der aus Ideen und kreativen Konzepten besteht. Der vielleicht auch Widerstand gegen im Unternehmen existierende, unsinnige Mechanismen leisten würde, wenn er nicht bei jeder Gelegenheit niedergemacht würde. Diese Eigenschaften werden aber nur von Freigeistern abgedeckt, nicht von Weicheiern.

Was bedeutet es aber, wenn einem kreativen Kopf ständig nur Steine in den Weg gelegt werden? Im Endeffekt führt das zur Resignation, Angepasstheit oder so jemand geht in die innere Kündigung. Es kann auch vorkommen, dass solche Mitarbeiter aufgrund der mangelnden Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten tatsächlich kündigen. Nicht selten machen sie sich anschließend selbständig.

Weichei: Eine ganze Generation als Schuldige

Teilweise wird die Generation Y (auch Millenials genannt) als „Generation Weichei“ bezeichnet. In etwa zwischen 1980 und 2000 geboren, gilt sie als Inbegriff des Weicheis, weil sie nicht so karriereversessen sind wie frühere Generationen. Häufig sind ihre Angehörigen gut ausgebildet und technikaffin, weshalb sie auch als Digital Natives bezeichnet werden.

Typische Kennzeichen der Generation Y sind:

  • Flexibilität

    Die Millenials sind mit Krisen groß geworden. Seien es der terroristische Akt und die darauffolgende politische Verunsicherung von 2001, die Weltwirtschaftskrise oder Kriege. Sie sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass sich Lebensumstände sehr schnell ändern können. Sie halten sich daher nach Möglichkeit alle Optionen offen, um entsprechend reagieren zu können.

  • Bildung

    Sie wissen um den großen Wandel im Berufsektor. Alte Jobs verschwinden, neue entstehen und so bilden sich die Millenials ständig weiter. Eine gute Qualifizierung ist die beste Voraussicht dafür, einen Job zu behalten und selbstbestimmt leben zu können.

  • Sozialleben

    So ehrgeizig sie mitunter auch sind – Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freunden nimmt eine wichtige Position bei den Millenials ein. Flexible Arbeitszeitmodelle wie Home Office sind für sie selbstverständlich.



Und in der Tat hat diese Generation kein ausgeprägtes Faible für steile Hierarchien oder rigide Unternehmensführung. Aber reicht das aus, eine ganze Generation zu diskreditieren? Fakt ist, dass die Unternehmen sich auf geänderte Ansprüche einstellen müssen. Seien es die technischen Qualifikationen oder schlicht der demographische Wandel:

Die „Generation Weichei“ ist für die Wirtschaft wichtig. Und dies passiert; gerade Unternehmen mit flacher Hierarchie sind sehr reizvoll für Millenials. Durch sich ausdünnende Hierarchieebenen kommt es fast automatisch zu einem partizipierenden Führungsstil, bei dem sie an der Gestaltung im Betrieb mitwirken.

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Weichei versus Rambo: Das andere Extrem

Dem Weichei gegenüber steht das Bild vom harten Mann.

Chuck Norris isst keinen Honig, er kaut Bienen!

Sprüche wie dieser bilden das klischeehafte andere Extrem ab: Solche Typen symbolisieren Macher. Egal, ob Chuck Norris oder Rambo oder wie sie alle heißen mögen: Sie wissen, wo es lang geht. So jemanden stellt man sich vor, wenn es um klare Entscheidungen geht. Da wird nicht lange gefackelt.

Übertragen auf den Arbeitsalltag bedeutet das allerdings: So ein Chef geht über Leichen. In der Denke ist er eher dem autokratischem Führungsstil zugetan, das heißt, hier werden Anweisungen gegeben, die zu befolgen sind. Selbst wenn der Chef hier kein Weichei ist, so fördert diese Art der Unternehmenskultur Weicheier als Mitarbeiter. Denn selbständiges Denken ist hier ebenso wenig gefragt.

Das kann vorteilhaft sein, beispielsweise in Situationen, in denen schnelles Handeln gefragt ist. Wenn es brennt, sind klare Anordnungen und eine zuvor entwickelte Strategie unumgänglich, um systematisch und zügig handeln zu können. Aber auf Dauer überwiegt eben der Nachteil fürs Unternehmen insgesamt.

Selbsttest: Sind Sie ein Weichei?

Hand aufs Herz: Wie steht es mit Ihrer Entscheidungsfreudigkeit und Rückgrat? Natürlich gibt es immer Dinge, die wohlüberlegt sein wollen. Aber wenn Sie mal genau hinschauen, gibt es vielleicht auch Situationen, in denen Sie sich wenig klar verhalten…

  • Sie wollen seit Jahren Ihren Job wechseln, haben aber noch nicht mal Ihren Lebenslauf aktualisiert?
  • Sie beschweren sich ständig über Kollege XY, finden aber nicht den Mumm, ihm selbst zu sagen, was Sie stört?
  • Sie hätten einige Ideen, wie man Abläufe effizienter gestalten könnte, aber trauen sich nicht Ihre Vorschläge zu unterbreiten aus Angst, dass sie abgelehnt werden könnten?
  • Die Kollegin aus dem Nachbarbüro wird gemobbt und Sie gucken weg?
  • Die Forderungen des Kunden sind völlig überzogen, aber statt Ihren Vorgesetzten oder gar die Kunden direkt darauf hinzuweisen, nicken Sie brav ab?



Spätestens wenn Sie diese fünf Fragen allesamt mit „ja“ beantworten können, ist Selbstreflexion angesagt. Versuchen Sie sich in die andere Seite hineinzuversetzen und sich auszumalen, wie Sie sich an dieser Stelle fühlen würden – Sie würden schließlich auch Unterstützung haben wollen, wenn Sie gemobbt werden.

Als Chef würden Sie wertvolle Hinweise, die sich langfristig auszahlen, hoffentlich schätzen und Ihre Mitarbeiter entsprechend fördern. Und als Kumpel/Freundin/Kollege wären Sie vermutlich auch genervt, wenn Ihnen seit Jahren einer erzählt, wie furchtbar er es in dem Unternehmen findet, diese Person gleichzeitig aber keine Anstrengungen unternimmt, etwas dagegen zu tun.

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Warum Kreative mitunter den Kürzeren ziehen

Die Frage ist doch: Stimmt diese Sichtweise von weich = unkreativ und angepasst versus hart = reflektiert und innovativ und bildet sie die Realität in deutschen Unternehmen ab? Der deutschen Wirtschaft geht es momentan so gut wie lange nicht mehr, und dass offenbar trotz der viel kritisierten Generation Y. Es ist auch nicht so recht nachvollziehbar, was an der einer Work-Life-Balance schlecht sein soll, wenn damit gemeint ist, dass Arbeitnehmer sich zunehmend auch über nicht-materielle Dinge Gedanken machen.

Wenn nun auch Männer sich entschließen, Elternzeit zu nehmen, und klassische „Frauenaufgaben“ übernehmen. Oder wenn Menschen ein Sabbatical planen, um beispielsweise den Traum von einer längeren Reise zu erfüllen, dann weitet das in jedem Fall den Horizont. Und sei es nur, weil diese Person sich nun in einem neuen Bereich auskennt, der ihr zuvor vorenthalten war.

Verallgemeinerungen sind häufig schwierig. Statt ganze Gesellschaftsteile als Weicheier zu bezeichnen, könnten andere Erklärungsmodelle dafür greifen, dass Mitarbeiter es zuweilen mit unfähigen Chefs zu tun haben. Denn dass unfähige Mitarbeiter in Führungspositionen gelangen, ist nicht erst seit 2001 zu beobachten.

Das Peter-Prinzip ist bereits seit 1969 in der Wirtschaft bekannt und besagt, dass Beschäftigte so lange befördert werden, bis sie in einer Position landen, für die sie nicht ausreichend qualifiziert und somit überfordert sind.

Gleichzeitig sind patriarchale Strukturen in großen Unternehmen nach wie vor keine Seltenheit, so dass dort Psychopathen häufig die Karriereleiter erklimmen, denen Empathie und soziale Kompetenz völlig fehlen. Mit anderen Worten: Die Gründe, warum nicht die Kreativen in jedem Fall Karriere machen, sind vielfältig.

[Bildnachweis: pathdoc by Shutterstock.com]

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