Nachgeben: Warum es so einen schlechten Ruf hat
Nachgeben – das klingt irgendwie schon nach Schwäche zeigen, einen Rückzieher machen, ein Weichei sein. In der harten Business-Welt hat sowas nichts zu suchen. Da zählen nur Fakten, Ergebnisse, Durchsetzungsvermögen um jeden Preis und unbeugsamer Wille. Aber ist das wirklich so?
Klar ist, dass es einige Vertreter dieser Meinung gibt. Jeder muss sich im Job gelegentlich mit Sturköpfen der besonders schlimmen Art herumschlagen, die jedem Esel in Sachen Flexibilität Konkurrenz machen und genauso kompromissbereit sind, wie die Bürowand. Genau diese Typen sind es auch, die das schlechte Image des Nachgebens maßgeblich prägen.
So werden große Reden geschwungen: Wer nachgibt lässt sich manipulieren, kann sich nicht durchsetzen, knickt sofort ein und verliert die eigenen Absichten aus den Augen.
Klingt anfangs noch ganz plausibel, bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch: Wer nachgibt, kann damit sogar den Ton angeben. Glauben Sie nicht? Das könnte daran liegen, dass Sie einem weit verbreiteten Denkfehler unterliegen:
Nachgeben und Aufgeben sind nicht das Gleiche und sollten unbedingt unterschieden werden!
Wer aufgibt, fügt sich einfach in das, was kommt. Mit Führung oder den eigenen Zielen hat das nichts mehr zu tun. Es wird nur noch akzeptiert und die Führung wird den anderen überlassen.
Anders beim Nachgeben: Dabei kann es sich tatsächlich um eine bewusste und strategische Entscheidung handeln, die dem eigenen Ziel nutzen kann. Damit das funktioniert, müssen Sie bereit sein, Kompromisse einzugehen und Ihr Vorhaben auch auf anderen Wegen zu erreichen.
Nachgeben ist wahrlich nicht einfach
Es gibt keinen Grund sich zu schämen, wenn Sie in einer Diskussion nachgeben. Ganz im Gegenteil sogar. Wer bereit ist, seinen eigenen Standpunkt durchaus kritisch zu hinterfragen und darüber hinaus noch bereit ist, dem anderen entgegen zu kommen, zeigt wahre Größe. Allerdings wird es dadurch kein bisschen einfacher.
Nachgeben ist schwer. Wir sind es gewohnt, unsere Meinung gegen jede Kritik zu verteidigen, Stärke zu zeigen und uns im Notfall auch gegen Hindernisse durchzusetzen. Das ist zumindest das verbreitete Bild. Wer erfolgreich sein will, muss die Dinge so machen, wie er es für richtig hält. Also versteifen wir uns auf die eigenen Ansichten und sind im Zweifelsfall auch bereit es uns mit anderen zu verscherzen, um bloß keinen Kompromiss eingehen zu müssen
Bei so viel Konditionierung ist es kein Wunder, dass niemand nachgeben möchte. Es fühlt sich an, als würden die eigenen Prinzipien verraten. Genau dieses Denken ist jedoch grundverkehrt. Wenn Sie erkennen, dass Nachgeben ein adäquater Weg zu Ihrem Ziel sein kann, wird es zunehmend leichter fallen, die eigene Sturheit abzuschalten.
Nachgeben: Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen?
In einer Diskussion nachgeben oder bei einer Meinungsverschiedenheit zumindest ein wenig einzulenken kann Sie weiterbringen, als Sie vielleicht vermuten. Falsch wäre jedoch zu glauben, dass richtiges Nachgeben einfach sei. Vielmehr ist es eine wahre Kunst, die insbesondere darin liegt, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um einen Schritt vom eigenen Standpunkt abzuweichen.
Das mag eher unwichtig klingen, hat jedoch großen Einfluss darauf, ob Sie beim Nachgeben wirklich Ihr Ziel erreichen. Wenn Sie zu früh nachgeben, möglicherweise sogar gleich ganz am Anfang, zeigen Sie damit, dass Ihnen nicht wirklich viel an der eigenen Sache lag. Ihr Gegenüber könnte also davon ausgehen, dass er von Anfang an recht hatte und wird keinen Grund sehen, einen weiteren Kompromiss einzugehen, der in Ihrem Sinne ist.
Doch auch das andere Extrem gilt es zu vermeiden. Lenken Sie erst zu spät ein, haben Sie Ihre Chance möglicherweise bereits vertan, gelten als kompromissloser Sturkopf und brauchen nun auch nicht mehr damit rechnen, dass Ihr Gesprächspartner Ihnen ebenfalls entgegen kommt.
Es braucht daher eine ganze Menge Fingerspitzengefühl, um den perfekten Zeitpunkt abzupassen. Wichtig ist dabei auch die Erfahrung, Sie werden merken, wann eine Diskussion und Meinungsverschiedenheit an einem bestimmten Punkt angelangt ist, an dem es nötig wird, dass eine Seite sich bereit erklärt, nachzugeben und die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung zeigt. Spätestens wenn es sich anfühlt, als hätten Sie sich in einen Patt argumentiert, ist es an der Zeit, die Sturheit ein wenig zu lockern und offener für Gegenvorschläge zu werden.
Wie Sie durch Nachgeben ans Ziel kommen
Haben Sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, können Sie sich daran festbeißen. Ein solches Durchsetzungsvermögen ist in einigen Situationen wichtig – doch geht es eben auch anders. Es ist nicht immer nötig, stur auf dem eigenen Weg zu beharren, um ans Ziel zu kommen. In den meisten Fällen gibt es viele alternative Möglichkeiten, man ist nur zu engstirnig, um diese zu sehen.
Durch gezieltes Nachgeben kann der eigene Blickwinkel ein wenig erweitert werden, was zu verblüffenden Ergebnissen führen kann. Zu Beginn mag es sich so anfühlen, als würden Sie anderen nur Zugeständnisse machen, doch gerade langfristig ist dies der bessere Weg.
Nicht ohne Grund heißt es: Eine Hand wäscht die andere. Immer wieder zeigt sich, dass Menschen eher bereit sind, anderen zu helfen oder ihnen entgegenzukommen, wenn diese vorher bereits eine ähnliche Geste gezeigt haben. Problematisch wird es dann, wenn beide Parteien darauf warten, dass der Gegenüber den ersten Schritt macht.
Darum gilt: Gehen Sie auf Verhandlungspartner, Kollegen, Kunden oder auch den Chef zu und geben Sie nach, um die Situation so in die von Ihnen gewünschte Richtung zu lenken. So werden Sie nicht nur sympathischer wahrgenommen, am Ende wird sich Ihr Gesprächspartner auch dafür einsetzen, dass Sie Ihre Ziele erreichen.
Damit es mit dem Nachgeben auch klappt, haben wir einige Tipps für Sie:
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Fahren Sie sich nicht fest
Es mag sich anders anfühlen, doch Kompromisse sind fast immer möglich. Was die meisten Menschen davon abhält, sind nicht die fehlenden Optionen, sondern der große Ehrgeiz, unbedingt den eigenen Willen durchsetzen zu müssen. Lieber beharrlich bleiben und am Ende zu keinem Ergebnis kommen, als ein wenig nachzugeben. Ein großer, aber leider weit verbreiteter Fehler.
Machen Sie sich die wenigen Punkte klar, die für Sie wirklich unabdinglich sind und arbeiten Sie an der richtigen Einstellung, um anderen Aspekten kompromissbereit gegenüberzustehen. -
Bleiben Sie offen für Umwege
Nicht immer führt der direkte Weg ans Ziel, in einigen Fällen muss man zunächst einen kleinen Umweg einplanen, der sich dann besonders lohnt, wenn er Ihnen beispielsweise die Unterstützung des Vorgesetzten bei Ihrem Vorhaben sichert. In einer Sache nachzugeben kann dazu führen, dass man Ihnen in einer anderen Situation entgegenkommt. So kann anfangs der Eindruck entstehen, man würde sich von einem Ziel entfernen, dabei nähert man sich ihm nur von einer anderen Seite aus.
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Suchen Sie nach der Win-Win-Situation
Nachgeben bedeutet nicht, auf alles zu verzichten und eigene Ziele aus den Augen zu verlieren. Suchen Sie stattdessen nach einer Win-Win-Situation, von der beide Seiten profitieren können. Klingt recht simpel, bedeutet aber in der Praxis auch, dass Sie bereit sind, den eigenen Standpunkt zu verlassen und sich darauf zu konzentrieren, was Ihren Gegenüber weiterbringen könnte.
Nachgeben: Sprüche und Zitate
- Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen. Erich Kästner
- Der Klügere gibt nach. Deutsches Sprichwort
- Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom. Albert Einstein
- Ich beuge mich, aber ich breche nicht. Jean de La Fontaine
- Man soll nicht einlenken, wenn es einen vom Weg abbringt. Peter Rudl
- Wir gewinnen im Nachgeben. Johann Wolfgang von Goethe
- Jeder hält seinen Laden für den allerwichtigsten und ist nicht gesonnen, auch nur den kleinsten Deut nachzugeben. Kurt Tucholsky
- Wer gern Recht behält, den überhört man. Laotse
- O glaube mir, am schnellsten kommt zu Fall ein allzu starrer Sinn! Sophokles
- Nur die starren Äste brechen im Sturm. Kanadisches Sprichwort
- Wenn du nachgibst, gewinnst du Freunde. Sophokles
- Der Zweig, der nachgibt, bricht nicht. Japanisches Sprichwort
- Wer mit dem Kopf durch die Wand will, holt sich nur Beulen. Französisches Sprichwort
- Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen! Oscar Wilde
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