70 Prozent der Väter nehmen keine Elternzeit
Zunächst eine aktuelle Bestandsaufnahme in Zahlen:
- Die große Mehrheit der Väter (knapp 70 Prozent) nimmt bislang keine Elternzeit in Anspruch.
- Jene, die Elternzeit in Anspruch nehmen, wählen laut statistischem Bundesamt zu 80 Prozent die Mindestbezugsdauer von zwei Monaten.
- Auch entwickeln sich die Beschäftigungsverhältnisse von Frauen und Männern unterschiedlich: Rund 20 Prozent der Männer arbeiteten laut einer IAB-Studie (PDF) im Jahr 2014 in Teilzeit. Aber nur 6,8 Prozent davon begründeten dies mit der Betreuung von Kindern und familiären Aufgaben.
Studie: Väter arbeiten länger
Wenn Frauen Kinder bekommen, sinkt ihre durchschnittliche Arbeitszeit auf 27 Wochenstunden, bei Männern ist es genau umgekehrt: Im Schnitt kommen erwerbstätige Väter auf knapp 42 Stunden pro Woche, so eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes.
Selbst im Vergleich von kinderlosen Männern und Vätern zeigt sich: Sobald das Kind da ist, verbringen die Männer mehr Zeit am Arbeitsplatz als kinderlose Männer. Warum das so ist, lässt die Studie leider offen. Zwei Gründe sind aber denkbar:
- Flucht. Oft wird den länger arbeitenden Vätern unterstellt, sie wollten sich so vor den familiären Aufgaben daheim drücken. Das mag in einigen Fällen auch zutreffen. Es gibt aber noch eine weitere – gegenteilige Erklärung.
- Fürsorge. Weil die Mutter weniger arbeitet oder weniger arbeiten kann, müssen die Väter ihr Pensum erhöhen, um die Familie weiterhin ernähren zu können oder zumindest den Lebensstandard zu halten.
Auf den ersten Blick sehen die Ergebnisse so aus, als würden selbst die scheinbar so aufgeklärten, modernen Männer und Väter tatsächlich und mehrheitlich doch noch an traditionellen Familienmodellen hängen.
Man kann darüber nur spekulieren – und zum Teil mag dies auch zutreffen, auch wenn es nicht so recht in die Zeit passt, das zuzugeben. Darin verbirgt sich aber auch eine Henne-Ei-Frage:
- Nehmen die Väter Elternzeit & Co. nicht in Anspruch, weil es für sie bequemer ist, Karriere zu machen?
- Oder verzichten sie darauf, weil sie um die möglichen Repressalien wissen und sich vor den finanziellen Einbußen und dem Karriere-Knick fürchten?
Wahr ist leider auch: Während es bei den Frauen heute allgemein akzeptiert ist, wenn sie sich eine familienbedingte Auszeit nehmen, ernten die Väter bei Vorgesetzten und Kollegen oftmals noch ein Stirnrunzeln oder gar vorwurfsvolle Blicke. „Auch Männer haben ein Vereinbarkeitsproblem“, konstatieren Peter Dröge und Cornelia Behnke in ihrer gleichnamigen Pilotstudie des Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung.
Es fehlt die väterfreundliche Unternehmenskultur
Zwar führen manche Betriebe unlängst sogenannte familien- und väterfreundliche Maßnahmen ein…
- Die Commerzbank richtete zum Beispiel schon 2004 das Väternetzwerk „Fokus Väter“ ein. Dort engagieren sich die Männer für eine aktive Vaterschaft und bieten mit regelmäßigen Treffen eine Plattform zum Austausch an.
- Bei ERGO Versicherungsgruppe wiederum können Väter ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld ganz oder teilweise in Freizeit umwandeln und so bis zu 42 Tage mehr Urlaub im Jahr herausholen, ohne dass das monatliche Regeleinkommen zu beeinträchtigen.
- Beim mittelständischen Wuppertaler Elektronik-Fachgroßhandel Peditec dagegen gibt es echte Vertrauensarbeitszeit und die Möglichkeit, jederzeit im Home Office zu arbeiten oder – falls die reguläre Betreuung ausfällt – den Nachwuchs mit in den Betrieb zu bringen.
Solche Beispiele sind allerdings selten. Was umso häufiger fehlt, ist die wohlwollende väterfreundliche Unternehmenskultur dahinter.
Der PR-Manager Thomas Bolte berichtet etwa in einem Xing-Beitrag von seiner persönlichen Erfahrung:
Ein, zwei Monate, das tolerieren die meisten Arbeitgeber vielleicht noch gerade. Dann möge der Vater aber bitte wieder Vollgas für das Unternehmen geben. Völlig verständnisloses Kopfschütteln erntet dagegen, wer sich als Mann gleich sechs Monate oder länger um sein Kind kümmern möchte. Noch immer gibt es Unternehmenslenker, die derlei Ansinnen schlichtweg für verrückt halten – Sonntagsreden in Sachen Familienfreundlichkeit hin oder her.
Ähnliche Erfahrungen machte auch Thomas Westermair, Consultant im IT-Qualitätsmanagement, der vor allem die vorherrschenden Rollenmuster der Chefs kritisiert:
Familienfreundliche Modelle und Alternativen wie Home-Office oder Teilzeitarbeitsplätze sind für altertümlich geprägte Vorgesetzte gänzlich undenkbar. Die eigene Unfähigkeit, auf aktuelle Lebenseinstellungen einzugehen, zerstört ungleich mehr Potenzial, als Elternzeit und Co. einem Unternehmen je kosten könnte.
Was hier noch anekdotische Evidenz hat, bestätigte sich allerdings bei einer Xing-Umfrage unter mehr als 700 Mitgliedern: Für gut jeden vierten Vater (29 Prozent) brachte die Elternzeit einen Karriere-Knick. Ganze 44 Prozent der Befragten sind überzeugt: Wenn Männer heute Elternzeit nehmen, ist das noch immer schädlich für die berufliche Laufbahn.
Familienfreundlich ist eben nicht automatisch väterfreundlich: Laut einer Befragung von mehr als 1700 Personalverantwortlichen durch den Bundesverband der Personalmanager (PDF) im Herbst 2014 kennt rund die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) „seine Väter“ nicht einmal. Und das, obwohl dieselben befragten Personaler, davon überzeugt sind, dass sich Väterfreundlichkeit lohnt: 95 Prozent glauben, flexible Arbeitsmodelle Arbeitgeber attraktiver für männliche Fachkräfte machen, 88 Prozent bescheinigen der Väterfreundlichkeit sogar positive Auswirkungen auf die Produktivität.
Ein offensichtlicher Widerspruch zwischen Wissen und Handeln.
Väterfreundliche Arbeitgeber: Noch viel Nachholbedarf
Dazu muss man sagen: Grundsätzlich sind familienfreundliche Maßnahmen für Väter wie Mütter gleichermaßen geeignet. Wer es mit dem Thema ernst meint, sollte dabei keinerlei Unterschiede machen. Familienfreundlichkeit meint immer auch Paarfreundlichkeit.
Väterfreundliche Modelle setzen allenfalls (übergangsbedingt) noch einmal besondere Akzente in der Firmenkultur, etwa, indem sie speziell Väter dazu ermutigen, Elternzeit oder Teilzeit-Angebote wahrzunehmen und gleichzeitig dafür sorgen, dass deren Annahme im Betrieb vorurteilsfrei und folgenlos bleibt.
Geeignete Maßnahmen, wie sie eine Prognos-Studie (PDF) vorschlägt, sind zum Beispiel:
- Familienbedingte Teilzeitarbeit
- Home-Office-Regelungen
- Gleitzeit
- Jahresarbeitszeit
- Wiedereinstiegsprogramme
- Vermittlung von Betreuungsangeboten
- Betriebliche Kinderbetreuungsangebote
- Beteiligung an Betreuungskosten
So zumindest die Theorie. Derlei konkrete Unterstützung ist jedoch nach wie vor die Ausnahme von der Regel. Zwar können manche Väter flexible Arbeitsmodelle schon teilweise nutzen. Aber nur ein Teil der Unternehmen (38 Prozent) ermutigt die Väter auch, sich partnerschaftlich zu engagieren.
Gerade einmal sechs von zehn Unternehmen (58 Prozent) bieten ihren männlichen Beschäftigten auch vollzeitnahe Arbeitsmodelle an – und das, obwohl 93 Prozent der Personalverantwortlichen diese für Väter und Mütter gleichermaßen als wichtig erachten.
Eine Studie der Universität Bielefeld beschäftigt bereits mit diesem sogenannten „Work-Family-Conflict„. So sagten etwa 72 Prozent der Väter, dass es in ihrem Unternehmen wichtig bis sehr wichtig sei, Bereitschaft zur Mehrarbeit zu zeigen (Präsenzkultur). Gleichzeitig ist dies kaum mit den Ansprüchen der Familie vereinbar. Flexible Arbeitszeiten und Heimarbeit sind dabei nur bedingt hilfreich.
So oder so: Der Nachholbedarf ist groß. Zumal sich eben auch an der Väterfreundlichkeit zeigt, wie modern und gleichberechtigt das Denken in einem Unternehmen tatsächlich ist.
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