Definition: Was ist Neid überhaupt?
Neid hat seinen Ursprung häufig im Vergleich, dem „Blick auf andere“. Wer sieht, dass sein Gegenüber etwas hat oder besitzt, das er oder sie selbst gerne hätte. Wir erkennen dann einen Mangel und reagieren darauf mit Neidgefühlen. Neidischer zu werden, kann aber auch aus dem Gefühl heraus entstehen, benachteiligt zu werden. Laut Neidforschern finden sich die meisten Neider ausgerechnet im Freundes- und Bekanntenkreis.
Der spontane „Neidimpuls“ ist Bestandteil der menschlichen Natur, erkannte Immanuel Kant. Der Wissenschaftler Antonio Cabrales vom britischen University College in London hält Neid beispielsweise für eine evolutionäre Entwicklung als „Ergebnis des Wettstreits um begrenzte Ressourcen“. Er ist davon überzeugt, dass es in der menschlichen Frühgeschichte nicht darum ging, viel zu besitzen, sondern vor allem mehr als die anderen – was zu höherem Sozialstatus und Fortpflanzungserfolg führte.
Worauf sind wir neidisch?
Und auf was kann man nicht alles neidisch sein?! Zum Objekt der Begierde zählen oft Neidfaktoren wie…
- Gutes Aussehen
- Materieller Besitz
- Sozialer Status
- Sportliche Leistungen
- Musikalische Talente
- Beruflicher Erfolg
- Selbstbewusstes Auftreten
- Anhaltende Gesundheit
- Sexuelle Potenz
- Verlässliche Freundschaften
Selbst scheinbare Belanglosigkeiten wie Schokolade können Neid auslösen. Zu diesem Ergebnis kamen zum Beispiel die Kölner Sozialpsychologen Jan Crusius und Thomas Mussweiler in ihren Studien. Für die Wissenschaftler ist Neid „eine natürliche und spontane Reaktion bei Unterlegenheit“. Auch für die US-Psychologin Betsy Cohen, die einen Bestseller über Neid geschrieben hat, ist die Missgunst entsprechend ein „ganz normales menschliches Gefühl“.
Viel zu oft verleitet die Missgunst zu irrationalen Handlungen. Sie kennen vielleicht das legendäre Experiment an der Harvard-Universität. Damals wurden Absolventen gefragt, ob sie lieber (a) ein Jahreseinkommen von 100.000 Dollar haben wollen, während alle anderen 200.000 Dollar verdienen oder (b) 50.000 verdienen wollen, wenn alle anderen nur 25.000 Dollar erhalten. Die Mehrheit entschied sich für Variante (b). Statt den eigenen Vorteil zu wählen, reichten die Einkommens-Konkurrenz und der Neid, um irrationale Entscheidungen zu treffen und sich selbst schlechter zu stellen.
Nur zugeben, dass er oder sie neidisch ist, mag freilich niemand. Viele schämen sich deswegen sogar. Denn neidisch sein, macht einen immer klein und wirft kein gutes Licht auf die neidische Seele. Wohl auch, weil Neid im christlichen Glauben und in der Bibel zu einer der sieben Todsünden gehört.
3 Neid-Arten: Ist Neid immer negativ?
Psychologen unterscheiden 3 Formen von Neidgefühlen:
-
Destruktiver Neid
Es ist ein aggressives Gefühl und zeichnet sich hauptsächlich durch Missgunst aus. Nach dem Motto: „Ich will das, was der andere hat und wenn ich es nicht haben kann, mache ich es kaputt.“ Im Berufsleben äußert sich dieses Neidgefühl beispielsweise darin, dass Sie sich nicht nur über die Beförderung des Kollegen ärgern, sondern hinter seinem Rücken eine Intrige spinnen und ihm das Leben unnötig schwer machen.
-
Depressiver Neid
Diese Form des Neids ist lähmend und besonders schädlich für das eigene Selbstwertgefühl. Von dem Gedanken besessen, nicht im Stande zu sein, das zu erreichen, was der andere hat, ziehen diese Menschen unglücklich durchs Leben. Die Objektivität ist ihnen verloren gegangen. Erfolge der anderen werden durch ein Vergrößerungsglas betrachtet. Der krankhafte Vergleich mit seinen Mitmenschen bestimmt das eigene Leben.
-
Positiver Neid
Hierbei handelt es sich um die bewundernde Form des Neids. Im Vordergrund steht ein unerfülltes Bedürfnis. Beispielsweise wünschen Sie sich auch so souverän und charismatisch aufzutreten wie Ihr Kollege. Diese Form des Neids muss aber nicht toxisch sein. Dieser Neid kann Ehrgeiz wecken und als Ansporn dienen, selbst besser zu werden. Sie können gönnen, wollen aber dennoch besser werden. Dennoch birgt dieser Wunsch die Gefahr, zum Double der bewunderten Person zu werden.
Verstehen Sie das bitte nicht falsch: Neid ist alles andere als eine Tugend. Die Kehrseite der Medaille ist: Neid schafft Leid. Er macht niederträchtig, hinterhältig, giftig, destruktiv. Oft verführt er Menschen zur Verleumdung, zur Intrige oder Sabotage, zum Raub oder gar zum Mord.
Was macht Neid mit Menschen?
Zuerst ist da dieser Stich in der Brust, der Hals schnürt sich zu, die Magensäfte brodeln bis die Galle auf der Zunge brennt und schließlich durchfährt den Neider die blanke Wut über eine tief empfundene Ungerechtigkeit: „Warum der – und nicht ich???“
Das sind nicht die einzigen Auswirkungen von Neid: Er macht den Neider rasend und blind – und bringt sie oder ihn dazu, sich selbst zu schaden, nur um dem anderen noch mehr zu schaden. Im Kern ist Neid toxisch. Missgunst verführt uns dazu, anderen weniger zu gönnen, uns permanent mit anderen zu messen und zu vergleichen. Das Gras nebenan scheint immer grüner zu sein, als auf der eigenen Seite. Fast immer fußt Neid auf falschen Annahmen.
So entsteht eine gefährliche Abwärtsspirale: Neider idealisieren das Leben anderer und geringschätzen zugleich ihr eigenes. Im Extrem führt die Missgunst zu Komplexen und Minderwertigkeitsgefühlen, zu Traurigkeit und Scham, zu Sticheleien und Schadenfreude, zu Feinseligkeiten oder gar Hass. Zumindest aber verhindert chronischer Neid Zufriedenheit und inneren Frieden.
Neid sogar körperliche Folgen haben. Dazu zählen zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Rhythmus-Störungen oder gar Depressionen.
Neid kann regelrecht lebensbedrohlich wirken, ist der Neidforscher Norbert Haubl überzeugt. Dann etwa, wenn wir „zwanghaft immer an das denken, was die anderen haben, [uns] zwanghaft ungerecht behandelt fühlen und dann zu einsamen Querulanten werden, verbittert, sozial isoliert.“ Dann könne Neid zum sogenannten „Bilanzselbstmord“ führen.
Sind die Deutschen besonders neidisch?
Leider ja. In Deutschland gärt der Neid besonders gut. Kaum jemand redet hier gern darüber, wie viel er verdient oder wie erfolgreich er oder sie ist. Unternehmer schon gar nicht. Sie werden sonst als raffgierige „Kapitalisten, Ausbeuter, Halsabschneider“ tituliert. Noch stärker kondensiert die Missgunst am Typus des „Besserverdieners“: Jenen Menschen, die dem Anschein nach viel Geld bekommen, aber wenig dafür tun müssen. 43 Prozent aller Westdeutschen und 59 Prozent aller Ostdeutschen verbinden mit solchen Menschen spontane Antipathie, hat das Allensbach Institut ermittelt. Des einen Freud ist dem Deutschen sein Neid.
Sprüche: Aphorismen und Zitate zum Neid
Tatsächlich ranken sich um das Thema Neid zahlreiche Sprüche und Zitate. Im Deutschen werden die Begriffe „Missgunst, Eifersucht“ und „Arglist“ häufig als Synonyme benutzt. Entsprechend viele Philosophen, Poeten und Prominente haben sich mit dem Neid beschäftigt. Hier eine Auswahl inspirierender Sprüche und Aphorismen:
- „Neid sieht nur das Blumenbeet, aber nicht den Spaten.“ (Unbekannt)
- „Wie Rost das Eisen verzehrt, so frisst auch Neid die Seele auf.“ (Unbekannt)
- „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“ (Unbekannt)
- „Die Neider sterben wohl, doch niemals stirbt der Neid.“ (Jean-Baptiste Poquelin Molière)
- „Erfolg ist so ziemlich das letzte, was einem vergeben wird.“ (Truman Capote)
- „Neid ist sein eigener Folterknecht.“ (Unbekannt)
- „Neid ist der Schatten, den der Erfolg wirft.“ (Marylin Monroe)
- „Neid ist der Ärger über den Mangel an Gelegenheit zur Schadenfreude.“ (Unbekannt)
- „Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.“ (Oscar Wilde)
- „What good is envy? It’s the one sin you can’t have any fun at.“ (Charles Munger)
Neidisch? Nur auf Erreichbares!
Aber warum sind Menschen neidisch? Warum gibt es irrationale Rivalität im Job? Warum schmeckt das Glück der anderen so bitter?
Genau betrachtet neidet wohl kaum jemand Milliardären wie Bill Gates, Jeff Bezos oder Richard Branson ihren Reichtum und Wohlstand. Ebenso wenig neiden wir keinem Schauspieler seinen Applaus; keinem Helden den Ruhm; keinem König die Krone; keinem Scheich sein Öl. Aber in anderen Punkten sind wir deutlich empfindlicher:
- Wir missgönnen dem Kollegen die Beförderung auf die wir selbst schon seit Jahren warten.
- Wir missgönnen dem Nachbarn sein neues (größeres) Auto.
- Wir neiden dem Blogger oder Influencer die höheren Klickzahlen und Follower.
- Wir schielen neidisch auf den Freund mit dem attraktiveren Partner oder den intelligenteren Kindern.
Das hat zwei Gründe: Diese Menschen stehen uns näher. Und ihre Erfolge sind – theoretisch – auch für uns erreichbar. Deswegen sind diese Personen eine latente Anklage an unser Ego, unseren Stolz und unser schlechtes Gewissen. Nicht, weil es das Schicksal besser mit ihnen meinte, sondern weil sie womöglich Chancen ergriffen haben, die wir haben verstreichen lassen.
Neid bietet auch Chancen
Das ist zugleich die Chance des Neides. Neid ist nicht nur schlecht. Er schafft auch Wohlstand. Neid – in gesundem Maß – spornt an, beflügelt, fördert Innovation und Karrieren. Er ist nicht zuletzt die Wurzel des Wettbewerbs. Schon Aristoteles erkannte: „Die Ehrgeizigen haben mehr Neigung zum Neid als die, welche vom Ehrgeiz frei sind.“
Ob Neid runterzieht oder die Motivation steigert, hängt von der eigenen Einstellung ab. Stufen wir den Erfolg des anderen als unerreichbar ein (Motto: „Das, was der hat, kann ich nie erreichen!“) folgt allenfalls Unzufriedenheit über das eigene Schicksal. Aber kein Neid auf den oder die andere. Sehen wir hingegen den beneideten Erfolg als das Ergebnis von Anstrengung, harter Arbeit und Zielstrebigkeit, kann uns der Neid anspornen und Ambitionen wecken. Wer es schafft, seinen Neid in Bewunderung zu wandeln, findet darin einen starken Antrieb.
Social Media steigern Neidgefühle
Laut Studien der Humboldt-Universität reicht schon vermehrter Facebook- und Instagram-Konsum, um eine Art Neidspirale auszulösen. Vor allem wer in sozialen Netzwerken überwiegend konsumiert oder nur Bilder anschaut, ist davon betroffen. Als wesentlichen Grund für die Frustration nannten die Forscher das vermeintlich perfekte Leben der Facebook-Freunde. Die virtuelle Scheinwelt sieht eben immer besser aus als das eigene (gewöhnliche) Leben. Offline sei dieser soziale Vergleich viel schwieriger – oder sind leichter zu verifizieren.
Neid überwinden und bekämpfen: Tipps gegen Missgunst
Damit der Neid seine zerstörerische Kraft verliert, muss man sich ihn erst eingestehen und lernen, gönnen zu können. Zudem müssen Sie sich von übertriebenen Vergleichen mit anderen lösen. Tabuisierung verschlimmert die Missgunst eher noch: Sie wird zum Schwelbrand, wenn nicht gar zum Backdraft.
Jedes Jahr ein neues Handy, einen Luxusurlaub an den Hotspots der Schönen und Reichen, um auf Instagram oder unter (falschen) Freunden mitzuhalten – das setzt unter zerstörerischen Druck. Je zahlreicher solche Vergleichsoptionen, desto unerreichbarer werden sie. Und desto unglücklicher und neidischer wird der Mensch.
Neid essen Seele auf
Gleichzeitig sollten wir die Mühen sehen, die hinter den meisten Erfolgen stecken. Wir beneiden die Freundin vielleicht um ihre Modelmaße und sehen ihre Traumfigur. Gleichzeitig übersehen wir, dass sie beim Essen auf Vieles verzichtet und ihre freien Stunden im Fitnessstudio verbringt. Hand aufs Herz: Wären Sie bereit, denselben Preis zu bezahlen, um auch zu besitzen, was der Kollege oder Nachbar hat?
Neid ist immer relativ, Erfolg dagegen absolut
Er hängt von den eigenen Zielen ab – nicht vom Wohlstand anderer. Statt also in Besserverdienern, Bessergestellten und Besserkönnern Feinde zu sehen, wäre es klüger, ihre Erfolgsstrategien zu analysieren, zu lernen oder auch abzukupfern und diese Menschen um Rat zu fragen. Völlig neidlos.
Der falsche Gedanke hinter der Missgunst ist eine fatale Nullsummenlogik: Mir kann es nur besser gehen, wenn es anderen schlechter geht. Oder wie der Philosoph Schopenhauer ebenfalls sagte: „Wir denken selten an das, was wir haben, sondern immer nur an das, was uns fehlt.“ Wie dumm!
Neid loswerden: Tipps zum besseren Umgang mit Neid
Neid hat einen schlechten Ruf. Oftmals schämt man sich dafür, wenn man dem grünen Neidmonster Tür und Tor geöffnet hat. Tipps, wie Sie sich das Monster vom Leib halten:
-
Stehen Sie dazu
Gestehen Sie sich selbst ein, dass Sie neidisch sind. Gehen Sie offensiv damit um, und quälen Sie sich nicht deswegen. Wenn Sie akzeptieren, dass Sie so empfinden und dass es ok ist dieses Gefühl zu haben, können Sie den Neid als Herausforderungen wahrnehmen.
-
Hinterfragen Sie das Gefühl
Es sind nur selten die materiellen Güter, um die Sie Ihre Mitmenschen beneiden. Vielmehr ist es der Gedanke, dass Sie mit einem Leben, wie es beispielsweise Ihr Nachbar führt, viel zufriedener wären. Fragen Sie sich, wieso Sie der Meinung sind, dass Sie unter anderen Umständen glücklicher wären: Was ist in letzter Zeit auf der Strecke geblieben? Bereuen Sie es vielleicht anders als einer Ihrer Freunde nicht den Master gemacht zu haben und sind jetzt neidisch auf seinen Job? Das kritische Hinterfragen der eigenen Lebenssituation ist oft schmerzhaft und quälend, aber die Erkenntnis, dass etwas Entscheidendes in Ihrem Leben fehlt, kann Ihnen helfen, noch einmal einen völlig neuen Weg einzuschlagen.
-
Vermeiden Sie Missgunst
Es ist in Ordnung sich etwas zu wünschen, was jemand anderes besitzt. Es kann Sie dazu motivieren bessere Leistungen zu erzielen. Hüten Sie sich allerdings vor dem aggressiven Wunsch, das Glück einer anderen Person zu zerstören. Das Unglück eines anderen wird Sie nicht glücklicher machen. Stellen Sie sich lieber der Herausforderung.
-
Sehen Sie genau hin
Im Vergleichswahn tendieren manche dazu, nur die Erfolge ihres Gegenübers zu sehen. Dabei übersehen sie leicht, was jemand für seinen Erfolg opfern musste. Ihr Kollege erzählt von den aufregenden Orten, die er auf Geschäftsreisen besuchen durfte, und leitet wichtige Projekte. Aber von den vier Wochen eines Monats ist er mindestens zwei unterwegs. Und wenn er da ist, kommt und geht er als Letztes. Würden Sie immer noch gerne mit Ihm tauschen?
-
Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken
Wer um seine eigenen Fähigkeiten und Vorzüge weiß und diese auch schätzt, ist weniger anfällig für Neid. Was fällt Ihnen leicht, das Ihren Kollegen schwer fällt? Wofür schätzt man Sie im Team? Wenn Sie darauf nicht auf Anhieb eine Antwort wissen, fragen Sie doch mal Ihre Familie und Ihre Freunde. Es wird Ihr Selbstwertgefühl ungemein stärken.
-
Seien Sie dankbar
Dankbarkeit ist der beste und zugleich edelste Weg zu mehr Glück und Zufriedenheit. Ja sogar ein Schlüssel zum Erfolg. Das belegen sogar mehrere Studien.
Was andere Leser dazu gelesen haben
- Eifersucht: So überwinden Sie sie
- Gehaltsneid: Was, wenn der Kollege mehr verdient?
- Konkurrenzdenken: Im Wettbewerb mit anderen
- Konkurrenz: Warum Sie diese weiterbringt
- Rache: Warum sich Rachsucht rächt