Was sind Lernphasen?
Lernphasen sind die einzelnen Schritte, die Sie nacheinander durchlaufen müssen, wenn Sie sich Wissen aneignen oder neue Fähigkeiten erwerben. Sie zeigen die Veränderung im Denken und Handeln eines Menschen, die durch den Lernprozess ausgelöst wird.
Lernen ist eben nicht nur Auswendiglernen und wiederholtes Pauken von Inhalten. Es ist der langfristige Aufbau von Kenntnissen und Kompetenzen durch kognitive Fähigkeiten und Abläufe im Gehirn.
4 Phasen des Lernens
Ein bekanntes Modell sind die 4 Phasen des Lernens (auch: Vier-Stufen-Modell der Kompetenzentwicklung oder „Competence Cyle of Learning“). Diese Lernphasen beschreiben, wie Sie von einem ersten Kontakt mit einem neuen Skill bis zur letztlichen Meisterung der Qualifikation gelangen:
- Sie schauen sich zum ersten Mal ein Thema oder eine Fähigkeit an.
- Sie bringen kein Vorwissen mit und erkennen nicht, wie unwissend Sie sind.
- Das fehlende Bewusstsein führt zur Selbstüberschätzung.
- Sie beschäftigen sich mit der neuen Fähigkeit.
- Sie erkennen, dass Sie es noch nicht können und sehen die Wissenslücken.
- Das Bewusstsein der Unfähigkeit bringt die Motivation zu lernen.
- Sie lernen und besitzen die grundlegenden Kenntnisse sowie Fähigkeiten.
- Sie beherrschen Grundlagen, manches fällt aber noch schwer.
- Die Fähigkeit ist vorhanden, braucht aber bewusste Anstrengung.
- Sie haben die Kompetenz bis ins Detail gemeistert.
- Die Fähigkeit ist verinnerlicht und jederzeit abrufbar.
- Die Ausführung läuft wie auf Autopilot.
1. Unbewusste Inkompetenz
Die erste Lernphase lässt sich auch beschreiben mit: „Ich weiß nicht einmal, dass ich nichts weiß.“ Sie beschäftigen sich zum ersten Mal mit einem Thema und haben keinerlei Ahnung davon. Es fehlt jegliches Wissen. Dadurch haben Sie auch noch kein Bewusstsein für das Ausmaß der eigenen Unwissenheit. Viele Menschen überschätzen sich deshalb anfangs (siehe: Dunning-Kruger-Effekt).
Beispiel: Sie sind noch nie Auto gefahren und wissen nicht, wie es geht. Trotzdem denken Sie: „So schwer kann das nicht sein!“
2. Bewusste Inkompetenz
Sie haben sich mit dem neuen Bereich auseinandergesetzt. Bisher beherrschen Sie zwar nichts davon, verstehen aber, was Ihnen noch fehlt und woran Sie arbeiten müssen. Diese Lernphase ist Grundlage für erfolgreiches Lernen.
Beispiel: Nach einigen Fahrversuchen merken Sie, dass es schwieriger ist als gedacht. Kupplung, Schalten, Spur halten, Verkehr beobachten, Schilder wahrnehmen – all das müssen Sie noch lernen.
3. Bewusste Kompetenz
In der dritten Lernphase haben Sie sich die notwendigen Kompetenzen angeeignet. Sie haben geübt, gelernt, trainiert und es immer wieder versucht (siehe: Trial and Error). Es braucht aber noch Ihre volle Aufmerksamkeit und Konzentration, damit es wirklich klappt.
Beispiel: Durch Übung und Fahrstunden können Sie jetzt Auto fahren. Hinterm Lenkrad müssen Sie sich aber weiterhin auf jeden einzelnen Schritt konzentrieren.
4. Unbewusste Kompetenz
In der letzten Lernphase ist die neue Kompetenz in Fleisch und Blut übergegangen. Die Handlungen und das Wissen sind zu einem Automatismus geworden. Sie müssen nicht mehr über die einzelnen Schritte nachdenken, sondern erledigen diese ganz nebenbei und ohne Anstrengung.
Beispiel: Autofahren ist für Sie zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie denken nicht mehr darüber nach, sondern fahren einfach. Nebenbei können Sie sich unterhalten oder Musik hören – Sie wissen trotzdem intuitiv, was zu tun ist.
Lernphasen nach Roth und Correll
Ein anderes Modell sind die Lernphasen der Psychologen Heinrich Roth und Werner Correll. Sie konzentrieren sich in den Phasen mehr auf die konkret notwendigen Schritte, durch die Wissen aufgenommen und langfristig gespeichert wird.
Dieses Konzept wird zum Beispiel auch bei der Gestaltung des Unterrichts für Schulklassen genutzt. Es soll den Lerneffekt unterstützen und Schülern helfen, die gefragten Kompetenzen aufzubauen, abzurufen und auf andere Bereiche zu übertragen. Die Lernphasen nach Roth und Correll sind:
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Motivation
Die erste Lernphase ist die notwendige Motivation. Es braucht ein grundsätzliches Interesse an einem Thema und einen aufrichtigen Lernwunsch.
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Schwierigkeit
Zum Lernen gehört die Schwierigkeit, dass es am Anfang nicht klappt. Ein Schüler erkennt zum Beispiel, dass er eine Aufgabe nicht alleine lösen kann.
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Lösung
In der dritten Lernphase wird ein möglicher Lösungsweg erarbeitet. Dieser kann selbst gefunden oder durch Anleitung (vom Lehrer oder anderen Personen) aufgezeigt werden.
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Handeln
Hier wird der neu gelernte Lösungsweg ausprobiert und selbstständig durchgeführt. Lernende erkennen, wie die Ansätze funktionieren und wenden diese an.
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Übung
Durch regelmäßige Übung werden das Wissen oder die neue Fähigkeit im Gedächtnis verankert. Erst durch diese Phase ist das Lernen langfristig effektiv, weil die Informationen sonst gelöscht und nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.
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Transfer
Ist die letzte Lernphase erreicht, kann das Wissen nicht nur eingesetzt, sondern auch auf andere Bereiche übertragen werden. Solche Transferleistungen sind durch tiefes Verständnis und praktische Übung möglich.
Lernphasen: Plateaumodell nach Leonard
Eng verwandt mit den Lernphasen sind die Lernplateaus. Egal, ob Sie durch Wiederholung, Erfahrung oder Beobachtung lernen: Die Lernkurve verläuft nicht linear nach oben, sondern gerät immer wieder auf einem Niveau ins Stocken. Bekannt wurde die Theorie der Lernplateaus durch George Burr Leonard in vier einfachen Schritten:
- Schnelle und sichtbare Erfolg durch anfängliches Lernen
- Rückschläge und Probleme ohne weiteren Fortschritt
- Vertiefung und Aufbau notwendiger Kenntnisse für weitere Entwicklungen
- Aufschwung auf das nächste Lernplateau
Die Stagnation auf einzelnen Lernplateaus ist normal und sogar notwendig. Ihr Gehirn verarbeitet die Informationen, entwickelt Routinen und führt einzelne Wissenselemente zu einer größeren Einheit zusammen. Gleichzeitig vertiefen Sie Ihr Wissen und werden immer besser – Sie nehmen Anlauf für den nächsten Anstieg der Lernkurve.
Meister oder Dielettant? Der Unterschied
Das Lernphasen-Modell nach Leonard veranschaulicht simpel, warum einige Menschen wahre Meister ihres Fachs werden, während andere nur den Dilettantenstatus perfektionieren. Letztere lassen sich in drei Typen unterscheiden:
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Team „Aufgeben“
Die Ersten gehen anfangs euphorisch an die neue Aufgabe heran. Dann allerdings kommt der erste Rückschlag – und mit ihm verpufft die Euphorie. Sie brechen frustriert ab.
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Team „Abfinden“
Die Zweiten verharren auf dem ersten Plateau. Sie sind jetzt keine Anfänger mehr und das Halbwissen reicht ihnen, um durchzukommen. Wozu mehr Mühe? Diese Typen treffen ein bequemes, aber gefährliches Arrangement.
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Team „Aufbrechen“
Die Dritten nutzen die Chance des Plateaus nicht, um das Antrainierte zu vertiefen. Kaum haben sie die eine Ebene erreicht, hecheln sie zur nächsten Herausforderung, klettern weiter und weiter – bis sie ausrutschen und abstürzen. Manche Dinge brauchen eben Zeit.
Wahre Meister hingegen lassen sich von Rückschlägen nicht abbringen. Sie behalten ihr Ziel im Auge, versuchen es weiterhin, egal wie mühevoll das ist. Beherrschen sie schließlich ihr Metier, verlassen sie die Routine, um ihre Grenzen auszubauen und den Horizont zu erweitern.
Falls Sie schon jetzt Expertise in einem Gebiet besitzen und mit absolutem Fachwissen glänzen: Es gibt immer ein nächst höheres Plateau!
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