Definition: Was ist ein Interessenkonflikt?
Bei einem Interessenkonflikt (auch: Zielkonflikt) treffen gegensätzliche Interessen, Ziele, Vorlieben oder Bedürfnisse aufeinander, die das Urteilsvermögen einer Person negativ beeinflussen. Dabei stehen meist primäre Interessen (z.B. berufliche Ziele, Verpflichtungen) im Konflikt mit sekundären Interessen (z.B. persönliche Vorteile, emotionale Bindungen).
Interessenkonflikte können die Integrität beeinträchtigen, zu unethischen Entscheidungen führen sowie rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben. Sie können das Vertrauen in Einzelpersonen oder in Organisationen und Institutionen trüben.
Merkmale eines Interessenkonflikts
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Primäre Interessen
Diese umfassen berufliche oder organisatorische Ziele wie die Erfüllung von Aufgaben, Kundenzufriedenheit oder die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
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Sekundäre Interessen
Dazu zählen persönliche Vorteile wie Geld, Macht, Anerkennung, emotionale Bindungen oder andere private Interessen, die das professionelle Handeln unangemessen beeinflussen könnten.
Interessenkonflikt Beispiele
Interessenkonflikte gibt es in zahlreichen Bereichen. Am häufigsten gibt es sie in Politik und Wirtschaft, sowie in zahlreichen Dienstleistungsberufen. Hier einige typische Beispiele:
- Ein Bundestagsabgeordneter, der selbst Landwirt ist, soll über ein Gesetz entscheiden, von dem Landwirte profitieren.
- Ein Politiker besitzt Aktien eines Unternehmens, über dessen staatliche Unterstützung abgestimmt wird. Der Interessenkonflikt besteht zwischen Eigeninteresse und gesellschaftlichen Interessen.
- Ein Mitarbeiter vergibt bevorzugt Aufträge an Lieferanten, mit denen er privat befreundet ist, obwohl andere Anbieter bessere und günstigere Leistungen bieten (siehe: Vetternwirtschaft).
- Ein Einkäufer akzeptiert teure Geschenke von einem Lieferanten und bevorzugt diesen bei der Auftragsvergabe, obwohl andere Angebote besser sind. Dies kann als Korruption gelten und strafbar sein.
- Ein Anwalt darf schon per Gesetz nicht gleichzeitig zwei Mandanten vertreten, deren Interessen sich direkt widersprechen – also Kläger und Beklagten im selben Fall beraten.
- Stellt ein Anwalt fest, dass er in einem Interessenkonflikt steht, muss er alle betroffenen Mandate niederlegen und die Mandanten informieren.
- Ein Pharmaunternehmen finanziert eine kostspielige medizinische Studie und hofft, das die Ergebnisse für das eigene Medikament positiv ausfallen. Tun sie es nicht, stehen die Forscher vor einem Interessenkonflikt zwischen Wahrheit und künftigen Fördermitteln.
- Ärzte können Medikamente verschreiben, die die Kosten und Ausgaben für ihre Praxis reduzieren – zum Beispiel, weil sie gesponsert sind. Der Konflikt besteht hier zwischen dem Interesse der Patienten und denen der Klinik- oder Krankenhausbetreiber.
- Ein Journalist nutzt vertrauliche Informationen über bevorstehende Marktbewegungen für persönliche Gewinne, anstatt diese Daten öffentlich zu machen (strafbarer Insiderhandel).
- Ein Finanzberater empfiehlt vor allem Produkte, die ihm eine höhere Provision bringen, statt für seine Kunden die objektiv besten Optionen auszuwählen.
Interessenkonflikt Politik
Interessenkonflikt Arbeit
Interessenkonflikt Anwalt
Interessenkonflikt Medizin
Interessenkonflikt Finanzwesen
Vitamin B: Der akzeptierte Interessenkonflikt
„Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.“ – Das Sprichwort beschreibt das sogenannte „Vitamin B“ im Job: Wer ein professionelles Netzwerk und persönliche Kontakte hat, bekommt die besseren Jobs, wird schneller befördert und erhält ein höheres Gehalt. Eine Hand wäscht die andere!
Hinter dieser bewussten Bevorzugung steckt ebenfalls ein typischer Interessenkonflikt, der aber allgemein anerkannt und akzeptiert, ja sogar genutzt wird. Zwar führt der Konflikt nicht immer zur optimalen Besetzung einer Stelle und schürt manche Teamkonflikte oder Debatten über Fairness. Gleichzeitig ist er genau der Grund dafür, dass Menschen netzwerken und berufliche Kontakte knüpfen.
Arbeitsrecht: Wann ist ein Interessenkonflikt strafbar?
Interessenkonflikte können mitunter strafbar sein. Im Arbeitsrecht trifft das vor allem zu, wenn Mitarbeiter dabei gegen gesetzliche Vorschriften oder Corporate Compliance Regeln verstoßen sowie dem Arbeitgeber vorsätzlich Schaden zufügen.
Hier eine Übersicht der wichtigsten Szenarien und strafbaren Interessenkonflikte:
- Veruntreuung von Firmengeldern
- Abschluss von Verträgen, die dem Arbeitgeber bewusst schaden, zugunsten persönlicher Vorteile.
- gegen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot verstößt (z.B. durch Konkurrenztätigkeit während oder nach der Arbeit).
- eine Nebenbeschäftigung ausübt, die den Interessen des Hauptarbeitgebers schadet, z.B. durch Nutzung von Firmeneigentum oder Know-how.
- Annahme von Schmiergeldern bei der Vergabe von Aufträgen.
- Gewährung von Vergünstigungen an Geschäftspartner gegen persönliche Vorteile.
- Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers bei nachweisbarem Schaden.
- Kündigung bei schwerwiegenden Verstößen.
1. Strafbarkeit bei Untreue (§ 266 StGB)
Ein Interessenkonflikt wird strafbar, wenn er die Tatbestandsmerkmale der Untreue erfüllt. Dies ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber hat, diese Pflicht missbraucht oder verletzt, dadurch einen Vermögensschaden verursacht und dabei vorsätzlich handelt. Beispiele:
Bei Untreue droht Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, in schweren Fällen bis zu 10 Jahre.
2. Wettbewerbsverbot und Nebentätigkeit
Ein Interessenkonflikt kann strafrechtlich oder arbeitsrechtlich relevant werden, wenn ein Arbeitnehmer
Arbeitsrechtlich droht hierbei in erster Instanz eine Abmahnung, in schweren Fällen auch die fristlose Kündigung. Bei einem erheblichem Schaden kann auch Untreue (§ 266 StGB) vorliegen.
3. Vorteilsannahme und Korruption (§ 299ff. StGB)
Interessenkonflikte werden strafbar, wenn sie mit Vorteilsannahme oder Bestechung einhergehen. Beispiele:
Bei Bestechlichkeit droht mindestens Geldstrafe, je nach Schwere auch Freiheitsstrafe.
4. Verletzung der Treuepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB)
Im Arbeitsrecht sind Arbeitnehmer verpflichtet, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Verstöße gegen diese Treuepflicht können ebenfalls arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen haben – zum Beispiel:
Zwar gibt es den Straftatbestand „Interessenkonflikt“ nicht. Wer aber dabei gegen Gesetze (z.B. Untreue, Korruption) oder betriebliche Vorschriften verstößt, muss mit strafrechtlichen und arbeitsrechtliche Konsequenzen rechnen.
Was tun gegen Interessenkonflikte?
Interessenkonflikte sind in der Geschäftswelt eine ernsthafte Herausforderung. Sie entstehen leicht aufgrund persönlicher Beziehungen oder finanzieller Vorteile. Oder immer dann, wenn private, berufliche oder wirtschaftliche Interessen miteinander konkurrieren.
Solche Konflikte untergraben die Integrität eines Unternehmens. Manche davon können eine erheblichen Imageschaden und Vertrauensverlust bei den Kunden und Mitarbeitenden verursachen. Was also tun?
1. Richtlinien definieren
Definieren Sie klare, transparente Richtlinien und verständliche Regeln, was im Unternehmen offengelegt werden muss, was erlaubt ist und was nicht. Lassen Sie sich dabei von erfahrenen Compliance-Experten beraten und richten Sie Stellen ein, an die sich Mitarbeiter vertrauensvoll und anonym wenden können, wenn Sie Verstöße beobachten (siehe: Whistleblower).
2. Mitarbeitende sensibilisieren
Viele Konflikte entstehen nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissen. Führungskräfte haben hier eine wichtige Vorbildfunktion, sollten die Werte vorleben und gleichzeitig die Mitarbeiter dafür sensibilisieren bzw. schulen, damit diese Interessenkonflikte frühzeitig erkennen und wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Tipp: Nutzen Sie im Training echte Praxisbeispiele aus dem Alltag!
3. Offenheit fördern
Wer Probleme offen anspricht, braucht Rückendeckung. Schaffen Sie deshalb eine Unternehmenskultur, in der kritische Themen angesprochen werden dürfen – ohne Angst vor Konsequenzen. Ob Feedbackgespräch oder vor versammelter Mannschaft: Ermutigen Sie die Mitarbeitenden, ehrlich über Interessenkonflikte zu sprechen.
4. Vetternwirtschaft vermeiden
Sehen Sie bei Neueinstellungen und Beförderungen genau hin: Wer wird ausgewählt? Gibt es dafür objektive Kriterien? Wer steht mit wem in Verbindung? Prüfen Sie sensible Positionen besonders sorgfältig und sorgen Sie für neutrale und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse.
5. Transparenz fördern
Transparenz ist ein besonders wirksames Gegengift gegen Interessenkonflikte. Regelmäßige Reviews, Audits und ein gutes Compliance-Management helfen, gerechte Entscheidungen und Fairness im Unternehmen zu etablieren. Was ebenfalls hilft: Fordern Sie von Entscheidungsträgern regelmäßig Rechenschaft ein – wie der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand. Das kann Klüngelei und Mauschelei ebenfalls reduzieren.
6. Frühwarnsysteme etablieren
Je früher Konflikte erkannt werden, desto weniger können sie eskalieren. Interne Kontrollsysteme oder ein Compliance-Team haben sich schon oft bewährt, um potenzielle Risiken zu identifizieren und rechtzeitig gegenzusteuern. Wichtig: Ein solches System darf aber nicht nur existieren, sondern muss auch gelebt werden. Beispiel: Wer verstößt, fliegt!
7. Strategien anpassen
Was heute funktioniert, ist morgen vielleicht schon veraltet. Deshalb sollten Sie Ihre Regeln, Richtlinien und Prozesse regelmäßig auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls anpassen. Nur so können Sie langfristig sicherstellen, dass Ihre Maßnahmen greifen und Interessenkonflikte präventiv eingedämmt werden.
Ein Interessenkonflikt ist kein Nischenthema – im Gegenteil: Solche inneren Konflikte können weitreichende Folgen und negativen Auswirkungen haben – für Betroffene sowie Unternehmen und Institutionen. Neben den klassischen Methoden im Konfliktmanagement und zur Konfliktbewältigung sind Transparenz und Konsequenz gegenüber Verstößen die wirksamsten Mittel, um ethisches Verhalten zu fördern.
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