Streitlustiger Chef: Ursache für Aggressionen
Die Psychologen Szu-Han Lin, Jingjing Ma und Russell E. Johnson von der Universität Michigan haben in einer Studie herausgefunden, warum einige Chefs zur Aggressivität neigen. Laut den Experten liegt die Ursache in einer psychologischen Eigenschaft – der moralischen Lizenzierung. Die bezeichnet die Bereitschaft zur individuellen Zügellosigkeit.
Konkret sieht diese Lizenzierung des Verhältnisses von Vorgesetzten und Angestellten so aus: Bevor der Chef die formalen Verhaltensregeln bricht, hält er sie strikt ein. Ist er aber an einem Punkt angelangt, an dem er emotional und psychisch erschöpft ist, verliert er die Kontrolle über seine Emotionen, seine Gedanken und sein Verhalten. Effekt: Er rastet aus. Seine Aggressionen richten sich gegen die Mitarbeiter.
Mittelmanager gleichzeitig Täter und Opfer
Nicht wenige Mittelmanager haben Druck im Job: Sie müssen Termine und Meilensteine einhalten, müssen Ihre Zielvorgaben einhalten – gleichzeitig aber den Druck von unten aushalten, um Verständnis werben, motivieren. Zwar gibt es Wege, mit der Belastung umzugehen: regelmäßige Pausen zum Beispiel, gesunde Ernährung und Ausgleichssport am Abend. Nicht jeder kommt damit aber gut zurecht. Und so mancher streitlustige Chef ventiliert seinen Druck dann eben an den Mitarbeitern.
Die Ursachen hierfür können unterschiedlich sein: Temperament, schlechter Tag, schlechte Erziehung, Manipulation. Bei einigen Menschen muss sich die Aggression in regelmäßigen Abständen einen Weg nach draußen suchen. Die sind dann immerhin berechenbar. Bei anderen kommt es zu völlig erratischen Eruptionen. In solchen Zuständen sind die Betroffenen meist völlig taub und blind. Kritik am Verhalten macht alles nur noch schlimmer. Sobald sie aber aus diesem Zustand erwachen, bereuen viele ihr Verhalten – auch wenn sie es nicht immer zugeben.
Gibt es Wege, sich zu schützen?
Leider sitzen Vorgesetzte oft am längeren Hebel. Das heißt nicht, dass man sich alles gefallen oder bieten lassen müsste. Aber der Zeitpunkt entscheidet. In der akuten Situation ist das Wichtigste, einen klaren Kopf zu bewahren und sich nicht von der Aggression anstecken zu lassen. Je nach Ausbruch kann man seinen Vorgesetzten – höflich! – darauf hinweisen: Bitte nicht in dem Ton.
Bei extremeren Konflikten ist es ratsamer, eine externe Person zur Mediation hinzuzuziehen, eventuell auch einen Vertreter des Personalbüros oder des Betriebsrats. Den Weg zum Vorgesetzten über seinen Vorgesetzten sollten Sie indes meiden, der fühlt sich immer an wie Verrat und führt in der Regel zu einer chronischen Beziehungsstörung.
Aggression NICHT mit Aggression bekämpfen
So sollte man sich in Konfliktsituationen NICHT verhalten:
- Kontern: Sie haben mich falsch verstanden…
- Rechtfertigen: Das habe ich doch nur gesagt, weil…
- Angreifen: Geben Sie doch zu, dass Sie falsch liegen.
- Vorwerfen: Würden Sie mich besser bezahlen, dann…
- Herablassen: Regen Sie sich doch nicht wegen Nichts auf!
- Belehren: Sie sind doch nur sauer, weil…
Schutzmethoden bei streitlustigen Chefs
Streitlustige Vorgesetzte sind wie Vampire, die sich an der Angst und an negativen den Emotionen der Angestellten nähren. Vermeiden Sie, ihnen die gewünschte Nahrung zu geben, indem Sie in den Konflikt einsteigen oder eine Opferrolle übernehmen. Hier sind einige Methoden aufgeführt, die Ihnen dabei helfen, Ruhe zu bewahren und unversehrt aus dem Streit herauszugehen:
Ablenken
Ziel dieser Technik ist, Ihre Aufmerksamkeit von einem Sinnesorgan auf ein anderes zu lenken, um souveräner zu werden. Da Sie die meisten Informationen im Konfliktfall hören, sollten Sie sich dann zum Beispiel auf das Sehen konzentrieren.
Sie könnten sich also, während der streitlustige Chef schreit und schimpft, auf sein Gesicht fokussieren: Betrachten Sie seine Poren, seine Unebenheiten, suchen Sie Pickel und Narben. So überhören Sie mögliche Beleidigungen und geben ihnen zugleich weniger Gewicht. Effekt: Sie selbst bleiben ruhig und lassen sich von der Aggression im Raum nicht anstecken.
Blockieren
Fühlt der streitlustige Chef Ihre Angst und Verunsicherung, setzt er meist noch einen drauf – und Sie geraten immer mehr in die Defensive. Eigene Souveränität gewinnen Sie aber auch mit Ihrer Körpersprache – Biofeedback heißt das im Fachjargon.
Stellen Sie sich dazu auf, machen Sie den Rücken gerade, Schultern nach hinten. Die Arme sollten locker vor dem Körper liegen, Ihr Blick strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Atmen Sie langsam und entspannt aus der Brust heraus. Schon durch diese Haltung blockieren Sie den Angriff des Chefs – ohne sich etwas zu schulden kommen zu lassen. Sie stehen da, wie ein Fels in der Brandung. Erst wenn der Chef sich beruhigt hat, melden Sie sich – immer noch ruhig – zu Wort und versuchen die Lage zu klären.
Fragen
Antworten Sie nicht sofort, stellen Sie lieber Fragen. Dies ist eine der effektivsten Methoden, aus dem Irrgarten des Konflikts zu finden. Besonders dann, wenn die Beschuldigungen gegen Sie unbegründet sind. Falls diese indes zutreffen, geben Sie den Fehler ruhig zu und fragen Sie nach einer Lösung. Offene Frage, die detaillierte Antworten erfordern, werden die Situation mit großer Wahrscheinlichkeit entschärfen.
Weggehen
Hilft nichts davon, sollten Sie immer noch nicht zum Gegenangriff übergehen. Der endet selten zu Ihrem Vorteil. Ihre schärfste Waffe ist jetzt, das Gespräch – begründet! – zu beenden und der Situation aus dem Weg zu gehen. Sagen Sie dem Chef wieder höflich und in ganz ruhigem Ton: „Auf der Basis kann ich dieses Gespräch nicht weiterführen. Ich spreche gerne mit Ihnen darüber, wenn Sie sich wieder beruhigt haben.“
Danach gehen Sie einfach. Kritik muss man sich anhören, Sie sind aber nicht verpflichtet, sich beleidigen und beschimpfen zu lassen. Danach gehen Sie am besten auf die Toilette, kühlen sich mit kaltem Wasser das Gesicht und versuchen, sich zu entspannen sowie Ihre Gedanken zu ordnen.
Aufschreiben
Wenn Ihr streitlustiger Chef immer wieder zu unkontrollierten Wutausbrüchen neigt, gibt es noch einen anderen Trick, der allerdings passiv-aggressiv verstanden werden kann und daher mit Vorsicht zu genießen ist. Er entfaltet aber oft enorme Wirkung, sodass wir ihn nicht unerwähnt lassen wollen: Sobald der anfängt zu schreien, holen Sie ein Notizheft heraus und fangen Sie an zu schreiben. Falls er fragt, was Sie da tun, sagen Sie lediglich, dass Sie sich seine Kritik zu Herzen nehmen und deshalb notieren wollen. Die Wirkung ist aber eine andere.
Sobald dem Vorgesetzten klar wird, dass seine Worte fixiert werden, kontrolliert er seine Sprache und der Ton wechselt. Dabei können Sie zudem auch noch Tempo aus der emotionalen Reaktion nehmen, indem Sie den Chef – ab und an – bitten, langsamer zu sprechen, weil Sie ja mitschreiben müssen. Und falls Sie etwas nicht verstanden haben, fragen Sie immer wieder nach oder wiederholen seine Aussagen – nur höflich, Motto: „Ich möchte nur sichergehen, dass ich Sie richtig verstanden habe…“
Kernziel all dieser Strategien ist, Ruhe zu bewahren und den Chef durch Ihre Haltung oder Ihre Fragen letztlich aus dem Angriffskonzept zu bringen. Was der Volksmund sagt, stimmt: In der Ruhe liegt die Kraft.
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