Alle sind doof – außer Ich
Vorsicht, wenn Sie meinen, Sie haben den vollen Durchblick. Die Geisteshaltung ist immer gefährlich. Natürlich begegnet man im Berufsleben immer wieder Menschen, die Murks machen und schlechte Einfälle haben. Womöglich ist so jemand sogar der eigene Chef. Ihn deswegen spontan für einen unfähigen Nichtskönner zu halten, ist zwar menschlich verständlich, spricht aber gegen Sie.
Mag der Alle-sind-doof-außer-mir-Blickwinkel noch so realistisch sein: Wer so denkt, betrachtet sich irgendwann als edles Opfer eines Umfelds aus Versagern. Solche Menschen werden unfähig, den Wert anderer Kollegen mit all ihren Macken und Fehlern anzuerkennen – ganz besonders, wenn diese hierarchisch über ihnen stehen. Sie werden arrogant, bitter und sind schließlich für kein Team mehr tragbar.
Kritik am Chef? Stellen Sie sich zuerst diese Fragen
Bevor Sie also Ihren Unmut über den Vorschlag oder die Entscheidung des Vorgesetzten ventilieren, gehen Sie lieber vorab noch einmal in sich und fragen Sie sich:
- Was glauben Sie, ist die Ursache des Übels?
- Findet der Chef generell nur seine Ideen gut oder nur gerade Ihre nicht?
- Fühlt sich Ihr Ego womöglich deswegen mies behandelt?
- Was genau ist so falsch an dem, was der Boss richtig findet?
Es ist nicht immer leicht, zwischen persönlicher Kränkung und echtem Missmanagement zu unterscheiden. Wer Ersteres fühlt und Zweites unterstellt, hat den Kritik-Fight allerdings schon verloren.
Kritikfähigkeit: Mitarbeiter halten Chefs nicht für kritikfähig
Umfragen zeigen: Die große Mehrheit der Mitarbeiter hält ihre Vorgesetzten für nicht kritikfähig. Bevor sich frustrierte Arbeitnehmer jedoch an den nächst höheren Vorgesetzten oder den Betriebsrat wenden, sollten Sie es mit einem persönlichen Gespräch versuchen. So kann man auch gleich die Probe aufs Exempel machen und herausfinden, ob der Chef tatsächlich allergisch auf Kritik reagiert. Nicht wenige sind überrascht, wenn die anfängliche Einschätzung falsch war und man gut über Verbesserungsvorschläge sprechen kann.
Kritik am Chef: Typische Fehler
Haben Sie sich vergewissert, dass Sie nicht unter der Alle-sind-doof-Einstellung leiden? Haben Sie außerdem einen guten Grund, Ihren Vorgesetzten für sein Handeln oder eine Entscheidung zu kritisieren? Dann sollten Sie darauf achten, wie Sie die Kritik am Chef formulieren. Keinesfalls sollten Sie sich im Ton vergreifen. Die folgenden Fehler sollten Sie unbedingt vermeiden:
- Bestürmen
Reinkommen, Zettel zücken und dem Boss 37 Vorwürfe à la „Warum haben Sie nicht…?!“ vor die Füße knallen. Das macht jeden Gesprächspartner aggressiv. Wer daraufhin eine Abfuhr von seinem Chef erhält, darf sich nicht wundern! - Lamentieren
Wer unzufrieden ist, sollte sich vor der Aussprache wenigstens die Mühe machen, seiner Kritik konkrete Konturen zu geben – möglichst konstruktive: „Was halten Sie stattdessen von…?“ Allgemeines Rumnörgeln disqualifiziert, ein überlegter Auftritt dagegen vermittelt Souveränität und Qualitätsstreben: Sie wollen nicht anders, sondern besser! - Moralisieren
Wer mit moralinsauerer Miene aufläuft, darf sich nicht wundern, wenn auch der andere eine Fluppe zieht. Sind die Argumente gut, ist Moral nicht nötig. Sind sie es nicht, helfen Appelle, Adjektive und Bewertungen auch nicht weiter. Sätze wie „Ich bin nicht der einzige, der das so sieht…“ gehen immer nach hinten los. Ein kluger Chef fragt jetzt nach Namen – und dann werden Sie entweder zur Petze oder ihr Argument verpufft. - Erpressen
Das ist die dümmste denkbare Variante. Die kommt immer als Bumerang zurück: Wer etwa mit Kündigung droht oder Dienst nach Vorschrift in Aussicht stellt, sägt am eigenen Bürostuhl. - Triumphieren
Sollte der Boss einlenken, ist plumpe Vertraulichkeit ebenso tabu wie Ironie oder Sarkasmus. Nur weil Sie ihn überzeugt haben, ist das noch lange kein Grund, sich im Sessel zurückzulehnen und überlegen zu grinsen.
Wer ohne Strategie beim Chef anklopft, um ihn zu kritisieren, blitzt in der Regel sofort wieder ab. Die meisten Manager assoziieren Kritik mit Schwäche und reagieren deshalb dünnhäutig. Sie halten es mit Mark Twain: „Ich liebe Kritik, aber ich muss damit einverstanden sein.“
Achtung Kündigungsgrund: Gefährliche Schmähkritik!
Der Ton macht nicht nur die Musik. Der falsche Ton kann den Job kosten. So gelten Verunglimpfungen und Beleidigungen des Vorgesetzen vom Typ „Sie Idiot“ oder sogar „Arschloch“ als Schmähkritik. Die kann zur verhaltensbedingten Kündigung führen. Allerdings kommt es hier auf den individuellen Fall und die Vorgeschichte an. Wer aber Fäkalwörter nutzt oder gar mit Gewalt droht, riskiert sogar eine fristlose Kündigung. Arbeitsrechtliche Konsequenzen haben solche Entgleisungen aber immer. Eine Abmahnung folgt mindestens.
Kritik am Chef: Wer schweigt, kann nichts ändern
Einem Kollegen seinen Unmut mitzuteilen, verlangt so manchem Angestellten schon einige Überwindung ab. Aber beim eigenen Chef wirkt die Hürde der freien Meinungsäußerung noch einmal dramatisch höher. Es steht einiges auf dem Spiel: dessen Gunst, womöglich die künftige Karriere oder im worst case der Arbeitsplatz. Eine Garantie dafür, dass der Vorgesetzte die Kritik annimmt, gibt es nicht. Selbst wenn sie berechtigt und konstruktiv ist. Sicher ist nur, wenn Sie es gar nicht versuchen oder mit Poltereien antreten, wird sich kaum etwas verändern. Außer Ihrem Verhältnis zum Vorgesetzten.
In anderen Worten: Wer nichts sagt, weiß, was passiert – nichts. Wer aber etwas sagt, hat zumindest die Chance, dass sich etwas verändert. Gegenseitige Wertschätzung ist für die Kritik am Chef allerdings Grundvoraussetzung. Wie für jede gute Zusammenarbeit. Und natürlich lässt sich Substanzielles nie mal eben im Türrahmen klären. Solche Kritik braucht also einen Termin.
Bitten Sie den Vorgesetzten oder dessen Assistenten für die Aussprache um ein Gespräch unter vier Augen. Die Intimität erhöht die Chance, dass der Chef die Kritik annimmt. Andernfalls riskiert er sein Gesicht zu verlieren oder für schwach gehalten zu werden.
Kritik am Chef: So geht’s richtig
Worauf müssen Sie beim Gespräch mit dem Chef achten? Schwierige Frage. Auch wenn Feedback und Kritik in vielen Unternehmen eine große Rolle spielen, finden Sie in der Regel nur in einer Richtung statt: von oben nach unten. Vielen Mitarbeitern mangelt es also an Erfahrung, wenn es darum geht, konstruktive Kritik am Vorgesetzten zu üben.
Das richtige Vorgehen ist dabei entscheidend. Sonst stoßen Sie nicht auf offene Ohren, sondern auf Ablehnung und Widerstand. Deshalb haben wir ein paar Tipps zusammengestellt, die Ihnen dabei helfen, Kritik am Chef richtig vorzubringen, ohne die eigene Karriere zu riskieren.
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Perspektive wechseln
Beim Schach gewinnt auch derjenige, der voraus denkt. Wer sich entsprechend vorab in die Lage des Chefs versetzt, baut nicht nur Ärger ab, sondern findet oft Erklärungen für die Debatte. Genauso hilfreich: Der Dialog mit Kollegen. Wie beurteilen diese die Situation? Erhalten Sie durch deren Ansichten vielleicht einen neuen Blickwinkel, der Ihre Argumentation erweitert?
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Atmosphäre schaffen
Der Beginn ist entscheidend – für Sie! Bemühen Sie sich von Anfang an um eine sachorientierte Ebene: „Sie sehen das so, ich sehe das so. Wie kommen wir da zusammen?“ Auch nonverbale Faktoren – wie Kopfnicken oder Blickkontakt – zählen. Behalten Sie sich aber auch ein Quäntchen Selbstbewusstsein: Sollte der Chef abgelenkt werden, hilft nur der Hinweis: „Wenn es Ihnen jetzt nicht passt, können wir auch einen neuen Termin finden.“
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Emotionen unterdrücken
Ihr Chef reagiert anders als erwartet – und nicht in Ihrem Sinne? Dann bleiben Sie erst recht sachlich und bewahren Sie Ruhe. Fragen Sie lieber noch einmal nach den Hintergründen und Argumenten des Vorgesetzten. Allerdings nicht so, dass es wie ein Verhör klingt. Er soll sich nicht rechtfertigen müssen, das wäre unhöflich und respektlos. Aber es ist Ihr gutes Recht, ihn verstehen zu wollen, schließlich sollen Sie danach später handeln. Womöglich gibt es zwischen Ihnen beiden auch nur Missverständnisse statt handfester Meinungsverschiedenheiten.
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Verallgemeinerungen vermeiden
„Jedes Mal“ oder „Sie machen immer“ sind keine passenden Formulierungen für die Kritik am Chef. Verallgemeinerungen bringen niemanden weiter, gefragt ist ein konkreter Punkt, eine Entscheidung oder ein Verhalten, auf das Ihre Kritik gerichtet ist. Benennen Sie genau, wo Sie eine mögliche Verbesserung sehen, anstatt das gesamte Verhalten oder den ganzen Führungsstil des Chefs zur Debatte zu stellen.
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Argumente finden
Zeigen Sie bei Ihrer Kritik stets, dass Sie das Wohl des Unternehmens im Blick behalten. Je konkreter die Punkte vorgebracht werden und je ruhiger der Ton dabei bleibt, desto offener die Ohren beim Gegenüber. „Was ich Ihnen schon immer einmal sagen wollte…“ gehört nicht gerade zu den Highlights der Kritikkunst. Wer den Chef dagegen ausreden lässt, obwohl seine Argumente jedem vernunftbegabten Menschen Kopfschmerzen, bekommt eine Taktikmedaille.
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Vorschläge machen
Kommen Sie nicht mit Problemen zu Ihrem Chef, sondern mit Lösungen. Ein simples „Ihre Idee ist Unsinn“ ist weder eine geeignete Kritik, noch wird es dabei helfen, dass Ihr Anliegen akzeptiert wird. Unterbreiten Se stattdessen Gegenvorschläge. „Wieso versuchen wir stattdessen nicht…“ oder „Eine andere Möglichkeit wäre auch…“ sind Sätze, die Akzeptanz finden. Außerdem erleichtern Sie dem Chef so einzugestehen, dass er sich möglicherweise geirrt hat.
Kritik am Chef bitte immer mündlich!
Äußern Sie Ihre Kritik stets mündlich und unter vier Augen. Alles, was Sie per Mail oder Brief versenden, ist damit dokumentiert und kann womöglich später gegen Sie verwendet werden. Unnötig! Rhetorisch ist es zudem klug, die Kritik in sogenannte Ich-Botschaften oder Fragen zu verpacken. So treffen Sie keine selbstbelastenden Aussagen oder Unterstellungen und wirken zugleich weniger rechthaberisch. Und: Zeigen Sie immer Respekt! Es handelt sich nach wie vor um Ihren Boss.
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