Lesegewohnheiten: Die richtige Antwort gibt es nicht
Natürlich sind nicht alle Menschen Leseratten. Einige lesen Bücher zur Entspannung; andere, um sich zu informieren; dritte, um sich fortzubilden. Es gibt auch Menschen, bei denen das Lesen zum Job gehört – Journalisten etwa. Auf die Frage danach, was Sie gerade lesen, gibt es schlicht keine perfekte Universalantwort, wie bei anderen Interviewfragen ebenfalls. Als Bewerber können Sie sich aber eine kluge Antwortstrategie zurechtlegen…
Was Personaler aus den Lesegewohnheiten lesen
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Mit dieser Frage möchte der Personaler in der Regel mehr über die allgemeine Entwicklung des Kandidaten und sein Streben nach beruflicher Entfaltung erfahren. Findet der Kandidat überhaupt Zeit zum Lesen? Liest er oder sie nur fachspezifische Literatur oder alles Mögliche zur Unterhaltung und Entspannung, ohne seine professionelle Entwicklung zu fördern?
Die Aufzählung einer Literaturliste ist hier keine gute Lösung. Nennen Sie lieber ein bis zwei Bücher, die Sie tatsächlich zuletzt gelesen haben – ein Fachbuch und einen Roman (Achtung: Es könnten Rückfragen zum Inhalt kommen!). Mit dieser Mischung verdeutlichen Sie, dass Ihnen nicht nur die professionelle, sondern auch die persönliche Entwicklung wichtig ist.
Welches Buch lesen Sie aktuell?
Lesen bildet. Entsprechend interessiert sich der Personaler mit dieser Frage vor allem dafür, ob das Lesen für Sie lediglich eine Art Freizeitbeschäftigung am Pool und im Urlaub ist – oder ein permanenter Prozess, der dem lebenslangen Lernen Rechnung trägt. Gleichzeitig stellt er mit der Frage fest, welche Prioritäten der Bewerber aktuell setzt: Was interessiert sie oder ihn gerade? Und warum liest er oder sie genau dieses Buch? Klar, dass Titel wie „Endlich aussteigen“ oder „Besser klarkommen mit Kollege Kotzbrocken“ nicht die besten Assoziationen wecken.
Auf die Frage sollten Sie schnell und souverän antworten. Wenn Sie sich gerade beruflich neu orientieren, nach einer neuen Arbeitsstelle umsehen und das dafür nötige Fachwissen aneignen – klasse! Erwähnen Sie das. Je leidenschaftlicher und faszinierter Sie über die bereits gewonnenen Erkenntnisse parlieren, desto eher sieht der Personaler in Ihnen einen ebenso engagierten wie interessierten und versierten Mitarbeiter in spe.
Welches Buch würden Sie mir empfehlen?
Die Frage ist tricky. Gemeint ist gar nicht mal das aktuelle Buch. Auch geht es bei der Frage weniger um Ihre aktuellen Interessen, wie bei den Fragen oben. Vielmehr steht hier Ihre Empathie auf dem Prüfstand: Wie gut können Sie sich nach dem Smalltalk in Ihren Gesprächspartner einfühlen, in dessen Interessen? Möglich auch, dass Ihre Empfehlung auf eine aktuelle und wichtige Entwicklung aufmerksam macht – und Sie sich damit zugleich als jemand outen, der solche Trends auf dem Radar hat.
Achtung: Die Frage enthält hohes Fettnapf-Potenzial! Nicht nur, dass Sie mit der Empfehlung an den Interessen des Personalers vorbei zielen könnten. Problematisch wird diese, wenn der Buchtipp „vergiftet“ ist – also etwa ein Titel, wie: „Die Recruiter-Bibel: Wie Sie bessere Talente gewinnen“. In so einem Tipp steckt subtile Kritik. Die ideale Antwort ist also entweder ein wirklich bedeutsamer Trend oder ein Roman, der Sie besonders angesprochen hat oder dessen Botschaft Sie unbedingt für erzählenswert halten.
Lesegewohnheiten: Es gibt auch gefährliche Antworten
Die unerwartete Frage nach Lesegewohnheiten stößt manchen Bewerber, der nicht gerne liest, vor den Kopf. In dieser Situation geben manche eine Antwort, die zwar ehrlich, aber vorschnell ist. Und diese Antworten können ihnen zum Verhängnis werden. So sollten Sie nicht antworten:
Ich lese nicht gerne – Zeitverschwendung.
Vielleicht empfinden Sie das so – nur sagen sollten Sie das nie. Lesen ist eine der grundlegendsten Methoden, sich weiterzubilden und neues Wissen anzueignen. Wer so antwortet, hinterlässt garantiert keinen guten Eindruck, sondern wirkt wie ein Ignorant, der kaum über seinen (schmalen) Horizont hinausblicken will.
Ich bevorzuge Filme und Serien.
Aus Filmen lässt sich ebenfalls viel lernen. Ihr Konsum gilt aber immer auch als ein bisschen einfallslos und wenig kreativ. Für die eigene Fantasie und das persönliche Kopfkino bleibt wenig Spielraum. Es ist zwar legitim, dass Sie Filme bevorzugen – das Lesen eines guten Buchs ersetzen sie aber nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb groß, dass Sie damit wenig bis keine Pluspunkte sammeln.
Ich mag erotische Literatur und religiöse Bücher.
Klar, so antwortet keiner. Aber das Beispiel macht klar: Bücher aus diesen Genres sollten unerwähnt bleiben. Das ist zu persönlich und viel zu polarisierend. Im schlimmsten Fall bleibt bei „Fifty Shades of Grey“ oder der „Volxbibel“ zu viel Interpretationsfläche und das Vorstellungsgespräch driftet ab. Erinnern Sie sich lieber an einen Klassiker, den Sie – aus Gründen – nochmal gelesen haben oder an irgendeinen Krimi. Damit bleiben Sie auf neutralem Boden.
Ich habe keine Zeit zum Lesen.
Unwahrscheinlich! Jeder Mensch hat spätestens am Abend und kurz vor dem Einschlafen wenigstens 15 Minuten Zeit, um ein Buch in Etappen zu lesen. Damit erweitern Sie den eigenen Horizont. Falls Sie tatsächlich gerade kein Buch lesen, beschreiben Sie zumindest ein Werk, das auf Ihrer Wunschliste steht, oder dass Sie demnächst lesen wollen.
Bitte nicht lügen!
Noch eine Empfehlung zum Schluss: Tappen Sie bitte nie in die Falle und lügen Sie über Ihre Lesegewohnheiten. Es ist immer möglich, dass der Personaler zufällig gerade dasselbe Buch liest und Sie nach Details fragt. Eine Lüge ist der gravierendste Fehler bei einem Vorstellungsgespräch. Wenn Sie aufgedeckt wird, liegen die Chancen auf die Arbeitsstelle nahe Null.
Denken Sie stattdessen strategisch: Rufen Sie sich ein bis zwei Bücher aus der Fachwelt sowie einige Lieblingsbücher in Erinnerung – oder kaufen Sie sich kurz vor der Bewerbung einen Bestseller. Überlegen Sie sich, was Ihnen beim Lesen am Besten gefallen hat und warum. Bei Personalern kommt das erfahrungsgemäß immer gut an – erst recht Kandidaten, die sich für Bücher begeistern können…
PS: Kennen Sie schon die Bücher zur Karrierebibel?