Eisbergmodell: Kommunikation zwischen den Zeilen

Wir kommunizieren ständig – und verlassen uns meist nur auf das, was gesagt wird. Das Eisbergmodell zeigt aber: Der Großteil zwischenmenschlicher Kommunikation findet nicht auf der sichtbaren Sachebene, sondern der unsichtbaren Beziehungsebene statt. Trotz scheinbar klarer Worte kommt es zu Missverständnissen. Wir erklären das Eisbergmodell mit zahlreichen Beispielen aus dem Alltag…

Eisberg Modell Sachebene Beziehungsebene Grafik

Was ist das Eisbergmodell?

Das Eisbergmodell (auch: Eisberg Modell, Iceberg Theory oder Iceberg Model) erklärt, dass die zwischenmenschliche Kommunikation nur zu rund 20 Prozent auf der Sachebene (sichtbar) stattfindet. Viel größer ist die Beziehungsebene (unsichtbar) mit einem Anteil von 80 Prozent.

Es basiert auf der Analogie eines Eisbergs. Nur 10-20 Prozent der Masse ragen über der Wasseroberfläche und sind sichtbar. Der größte Teil (80-90 Prozent) bleibt unter der Oberfläche verborgen. Das Eisbergmodell übertragt dieses Bild auf die Kommunikation.

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Sachebene und Beziehungsebene im Eisbergmodell

Wichtigste Unterscheidung im Eisbergmodell ist die Kommunikation auf Sachebene (Was wird gesagt?) und der Beziehungsebene (Wie wird es gesagt?). Die beiden Ebenen sind dabei nicht im Gleichgewicht.

    Sichtbare Ebene (Sachebene)

    Die sichtbare Spitze des Eisbergs steht für die bewusste, sachliche Ebene der Kommunikation. Hierzu gehören:

  • Gesprochene Worte
  • Zahlen, Daten und Fakten
  • Argumente
  • Inhalte
  • Unsichtbare Ebene (Beziehungsebene)

    Der größere, unter der Wasseroberfläche liegende Teil, steht für die unbewusste, emotionale Ebene. Hier spielen unter anderem mit:

  • Emotionen und Ängste
  • Werte und Einstellungen
  • Erwartungen
  • Erfahrungen
  • Körpersprache und Mimik
  • Tonfall

Diese unsichtbaren Elemente beeinflussen entscheidend die Wahrnehmung und Interpretation der sichtbaren Kommunikation. Wie wir etwas sagen, kann einer Aussage eine völlig neue Bedeutung geben.

Genau deshalb ist die Beziehungsebene so wichtig. Sie überträgt Emotionen und Stimmungen, Wertvorstellungen, aber auch Absichten und Motive.

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Psychologie: Eisbergmodell von Freud

Das Eisbergmodell ist eine Kombination psychologischer Theorien und literarischer Metaphern. Grundstein ist das Werk von Sigmund Freud, der das menschliche Bewusstsein in drei Instanzen teilte:

  1. Es (Lustprinzip)
    Dieser Teil steht für Triebe, Wünsche, Bedürfnisse und primäre Triebe.
  2. Über-Ich (Moralitätsprinzip)
    Das Über-Ich umfasst Werte, Normen und moralische Prinzipien.
  3. Ich (Realitätsprinzip)
    Das Ich sorgt für einen Ausgleich der beiden Instanzen im Handeln eines Menschen.

Die Übertragung des Modells auf die Kommunikation wird Paul Watzlawick zugeschrieben. Das Es und Über-Ich im Eisbergmodell stehen für die unbewusste Beziehungsebene. Das Ich veranschaulicht, was ein Mensch tatsächlich durch seine Worte sagt.

Eine Weiterentwicklung des Eisbergmodells ist das Vier-Ohren-Modell nach Friedemann Schulz von Thun.

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Bedeutung des Eisbergmodells in der Kommunikation

In der Kommunikation steht das Eisbergmodell für die Bedeutung der unsichtbaren, nonverbalen Kommunikation. Erfolgreiche Kommunikation ohne Missverständnisse und Probleme gelingt nicht nur durch Worte und das tatsächlich Gesagte. Der deutlich größere Teil der Botschaft versteckt sich in dem, was nicht gesagt, aber gemeint (oder vermutet) wird.

So ist das Eisbergmodell eine Erklärung für zwischenmenschliche Konflikte. Wird die Beziehungsebene ignoriert oder falsch interpretiert, werden 80 Prozent der eigentlichen Nachricht nicht oder falsch verstanden.

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Eisbergmodell: Beispiele aus dem Alltag

Ein und dieselbe Aussage kann je nach Kontext und Beziehungsebene völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Im privaten und beruflichen Alltag deuten Sie in jeder Kommunikation, was Ihr Gesprächspartner meint.

Wie sehr Sach- und Beziehungsebene auseinander liegen können, zeigen folgende Beispiele zum Eisbergmodell:

    Beispiel: Teammeeting im Unternehmen

    Ein Projektleiter sagt im Meeting: „Wir müssen die Deadline einhalten.“

  • Sachebene: Die Frist muss eingehalten werden.
  • Beziehungsebene: Je nach Tonfall, Körpersprache und Vorgeschichte kann es als Motivation, Druck oder Vorwurf verstanden werden.
  • Beispiel: Kommunikation in der Partnerschaft

    Ein Partner sagt: „Du bist schon wieder zu spät.“

  • Sachebene: Der andere ist später als erwartet angekommen.
  • Beziehungsebene: Es kann Frust, Enttäuschung oder mangelnde Wertschätzung impliziert sein.
  • Beispiel: Kundengespräch im Verkauf

    Ein Kunde fragt: „Warum ist das Produkt so teuer?“

  • Sachebene: Interesse an Preis-Leistungs-Verhältnis.
  • Beziehungsebene: Möglicherweise Misstrauen oder das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
  • Beispiel: Gespräch mit Kollegen

    Ein Kollege sagt: „Du solltest die Aufgabe übernehmen.“

  • Sachebene: Ein anstehendes ToDo sollte vom Kollegen erledigt werden.
  • Beziehungsebene: Es kann ein echtes Kompliment sein (Motto: „Du bist besonders gut darin und kannst es am besten“) oder ein Vorwurf im Sinne von „Du machst sonst zu wenig.“
  • Beispiel: Dankbarkeit

    Ein Freund sagt: „Danke für deine Hilfe.“

  • Sachebene: Ausdruck von Dank für eine vorherige Handlung.
  • Beziehungsebene: Je nach Situation ist es echte Dankbarkeit für Hilfsbereitschaft – oder eine ironische Anmerkung, weil das Handeln nicht hilfreich war oder es gar keine Hilfe gab.
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Eisbergmodell: Konflikte auf den Ebenen vermeiden

Durch unterschiedliche Interpretationen entstehen Missverständnisse und unterschiedliche Konfliktarten. Immer wieder kommt es dabei zur Eskalation eines Streits. Es wird laut, die Anschuldigungen fliegen durch den Raum.

Mit dem Eisbergmodell vermeiden Sie solche Konflikte. Dafür müssen Sie zunächst identifizieren, auf welcher Ebene die Ursache des Problems liegt – Sach- und Beziehungsebene erfordern unterschiedliche Maßnahmen.

Konflikte auf der Sachebene

Ist es ein reines Sachproblem, wird das Missverständnis meist leicht aus dem Weg geräumt. Es tritt auf, wenn der Zuhörer das Gesagte falsch versteht oder nicht genügend Informationen hat. Typische Gründe für Konflikte auf der Sachebene:

  • Falschinformationen
  • Zu wenig Informationen
  • Fehlinterpretationen
  • Unterschiedliche Gewichtung bei den Gesprächspartnern

Was können Sie tun?

  • Hören Sie aufmerksam zu.
  • Verwenden Sie klare und eindeutige Ausdrücke.
  • Fragen Sie bei Unklarheiten nach. Ermutigen Sie andere, das Gleiche zu tun.
  • Lassen Sie sich Rückmeldung zum Verständnis geben.
  • Ziehen Sie gegebenenfalls neutrale Dritte hinzu.
  • Stellen Sie allgemein verbindliche Regeln für die Kommunikation auf.

Konflikte auf der Beziehungsebene

Wesentlich komplexer ist ein Konflikt auf der Beziehungsebene. Hier liegt das Problem tiefer und entsteht beispielsweise aufgrund einer bestimmten Erwartungshaltung an den Gesprächspartner. Zusätzlich gibt es weitere Ursachen, die zu Problemen auf der Beziehungsebene führen:

  • Rollenkonflikte

    Gerade in Teams kommt es immer wieder zu Rollenkonflikten. Oft ist dabei die Aufgaben- und Kompetenzverteilung unklar. Sind die Rollen nicht eindeutig geklärt oder verhält sich eine Person anders, als von seiner Rolle in der Gruppe erwartet wird, kommt es zu Konflikten.

    Tipp: Selbstreflexion und Feedback helfen bei einer Rollenverteilung, mit der jedes Teammitglied einverstanden ist. Wichtig ist auch, dass Sie als Teammitglied kommunizieren, wo Sie sich sehen.

  • Wertekonflikte

    Zwei Personen vertreten völlig unterschiedliche Haltungen in einem Punkt. Einigungen und Verständnis sind schwierig bis unmöglich, da Werte eine tiefe persönliche Ebene betreffen.

    Tipp: Vermeiden Sie Wertediskussionen, schauen Sie stattdessen auf Gemeinsamkeiten, den größten gemeinsamen Nenner. Und begreifen Sie unterschiedliche Ansichten als Bereicherung, da beide daraus lernen können.

  • Beziehungskonflikte

    Hier spielen Wahrnehmung, Interpretation und Unterstellung eine Rolle. Schnell werden Du-Botschaften und Vorwürfe formuliert und interpretiert. Teilweise ist es eine reine Frage der Sympathie. Manche Menschen mögen Sie aufgrund der Art und Persönlichkeit einfach nicht.

    Tipp: Vermeiden Sie Anschuldigungen und kommunizieren Sie offen Ihre Position. So erkennt Ihr Gesprächspartner, an welcher Stelle möglicherweise fehlinterpretiert wurde. Hilfreich ist es zudem, den Konflikt auf der Sachebene zu lösen. Gerade bei fehlender Sympathie kommen Sie auf der Gefühlsebene nicht weiter.

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Eisbergmodell in der Unternehmenskultur

Auch in der Unternehmenskultur steht das Eisbergmodell für eine Unterscheidung in einen sichtbaren und einen unsichtbaren Bereich.

Zum sichtbaren Bereich gehören in einem Unternehmen zum Beispiel:

  • Dresscodes
  • Bürogestaltung
  • Schriftliche Regeln und Vorgaben
  • Kommunikation in Gesprächen
  • Offene strategische Ziele

Noch wichtiger ist auch hier das Unsichtbare. Längst nicht alle wichtigen Inhalte der Unternehmenskultur sind sofort sichtbar. Unsichtbare Elemente sind:

  • Werte
  • Visionen und Leitbild
  • Umgang mit Fehlern
  • Umgang mit Kunden
  • Förderung und Weiterbildungen
  • Anerkennung
  • Bedürfnisse nach Sicherheit
  • Machtdynamik

Für eine gute und erfolgreiche Unternehmenskultur müssen beide Ebenen optimiert werden. So gelingt eine Veränderung nicht allein durch eine Anpassung der sichtbaren Elemente. Das Management muss die tieferliegenden Strukturen erkennen und anpassen.


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