Konflikteskalation: 9 Eskalationsstufen nach Glasl

Konflikte sind unvermeidbar und können schnell eskalieren. Dabei erfolgt die Konflikteskalation oft in 9 Eskalationsstufen. So jedenfalls das Eskalationsmodell des österreichischen Konfliktforschers Friedrich Glasl. Immerhin: Wer die typischen Phasen der Konflikteskalation kennt, kann rechtzeitig gegensteuern und eine Auseinandersetzung deeskalieren

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Was sind Eskalationsstufen

Eskalationsstufen beschreiben die verschiedenen Phasen einer Konflikteskalation. Was mit einer einfachen Meinungsverschiedenheit beginnt, kann schrittweise eskalieren und sich zu einer offenen Konfrontation oder gar einem Krieg entwickeln. Dabei wird eine Konfliktlösung zunehmend schwieriger bis unmöglich.

Die Kenntnis der jeweiligen Eskalationsstufen kann helfen, eine Krise, Diskussion oder Auseinandersetzung frühzeitig zu entschärfen und die Konfliktparteien zu einer konstruktiven Lösung zu bewegen – bevor der Streit in eine destruktive Phase eskaliert.

Das Modell der neun Eskalationsstufen von Konflikten basiert auf Studien des österreichischen Ökonomen Friedrich Glasl. Das 1980 entwickelte Modell unterscheidet drei Hauptphasen, die wiederum in drei weitere Eskalationsstufen unterteilt sind:

  1. Hauptphase: Win-Win
    In dieser Phase ist eine einvernehmliche Lösung möglich, von der beide Parteien profitieren.
  2. Hauptphase: Win-Lose
    Der Konflikt wird intensiver, eine Partei versucht auf Kosten der anderen zu gewinnen.
  3. Hauptphase: Lose-Lose
    Der Konflikt eskaliert destruktiv, beide Parteien wollen sich nur noch vernichten – selbst wenn das den eigenen Untergang bedeutet.

Alle drei Hauptphasen mitsamt der jeweiligen Eskalationsstufen beschreiben eine zunehmende Verschärfung und Verhärtung des Konflikts. Die Möglichkeiten zur Deeskalation nehmen dabei mit jeder Stufe ab.

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Konflikteskalation: 9 Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl

Das Phasenmodell der Konflikteskalation ist eines meist genutzten Werkzeuge bei der Analyse von Konfliktsituationen im Konfliktmanagement. Es wird sowohl in der Psychologie wie in der Sozialwissenschaft oder Kommunikationswissenschaft genutzt.

Im Folgenden erfahren Sie, was laut Psychologie in den neun Eskalationsstufen bzw. Konfliktstufen im Ebenenmodell von Friedrich Glasl passiert:

    1. Ebene: Win-Win

  • Stufe 1: Verhärtung

    Konflikte beginnen oft mit subtilen Spannungen und Differenzen, mit denen die Konfliktparteien jedoch falsch umgehen. Statt verschiedene Ansichten und Meinungen zu akzeptieren oder die eigene Haltung zu hinterfragen, pochen beide Seiten auf ihrem Standpunkt – bis sich die Fronten verhärten und die Positionen unnachgiebiger werden.

    Beispiel: Zwei Kollegen streiten darüber, wer bei dem Projekt das letzte Wort und die Leitung hat. Es geht um grundsätzliche Zuständigkeiten und Kompetenzen.

  • Stufe 2: Debatte und Polarisation

    In der zweiten Stufe der Konflikteskalation geht es darum, den anderen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. Beide Seiten entwickeln Strategien, um die eigenen Argumente durchzusetzen: Das können rhetorische Mittel sein oder auch fiese Ad-hominem-Angriffe. Im weiteren Verlauf entsteht ein Schwarz-Weiß-Denken: „Ich habe recht, alle anderen liegen falsch!“

    Beispiel: Im Meeting geht es um die künftige Marketing-Strategie. Jeder versucht den anderen von seiner Idee zu überzeugen – ohne jedoch Gemeinsamkeiten oder einen Kompromiss zu suchen.

  • Stufe 3: Taten statt Worte

    In der letzte Stufe der ersten Phase kommt die verbale Kommunikation zum Erliegen. Gespräche helfen nicht mehr. Stattdessen wollen sich die Konfliktparteien durch Fakten oder vollendete Tatsachen bezwingen. Mitgefühl und Empathie gehen in dieser Stufe verloren.

    Beispiel: Der Klassiker hierzu sind Warnstreiks oder öffentliche Anschuldigungen über die Medien. Allerdings lässt sich in dieser Phase noch ein Streit schlichten.

  • 2. Ebene: Win-Lose

  • Stufe 4: Sorge um Image und Koalition

    Auf der zweiten Ebene wird es mindestens einen Verlierer geben. Auf der vierten Stufe findet eine sachliche Debatte und Auseinandersetzung schon nicht mehr statt. Das einzige Ziel ist jetzt, den Konflikt zu gewinnen und Recht zu behalten. Dafür sucht jede Konfliktpartei Verbündete, Fürsprecher und Sympathisanten, die den eigenen Standpunkt unterstützen. Gleichzeitig redet sie die andere Partei schlecht, um deren Glaubwürdigkeit und Image zu ruinieren.

    Beispiel: In einem Team oder einer Abteilung bilden sich Lager. Kollegen bilden Koalitionen und stärken das Wir-Gefühl: „Wir gegen die!“ Oft entsteht so typisches Silodenken.

  • Stufe 5: Gesichtsverlust

    In Stufe 5 geht es nur noch darum, dem anderen zu schaden. Dazu werden dem Gegner zum Beispiel moralische Fehler verworfen; die Beleidigungen werden persönlicher und polemischer. Für den Sieg ist nahezu jedes Mittel recht. Die Konflikteskalation ist soweit fortgeschritten, dass jede Seite die jeweils andere demütigt, erniedrigt und öffentlich herabgewürdigt.

    Beispiel: Intrigen im Job, üble Nachrede oder gar Mobbing sind starke Anzeichen dafür, dass Sie sich bereits auf dieser Eskalationsstufe befinden.

  • Stufe 6: Drohstrategien

    In der 6. Stufe der Konflikteskalation kommt es zu Machtspielen durch Drohgebärden. Beide Seiten drohen einander mit Konsequenzen, um ihre Macht und Stärke zu demonstrieren. Wessen Drohung jetzt die größere Glaubwürdigkeit besitzt, hat die Oberhand.

    Beispiel: Betroffene drohen mit dem Anwalt oder damit, die Sache „öffentlich“ zu machen und an die Presse zu gehen. Im Job können Kollegen damit drohen zum Chef zu gehen oder den Betriebsrat einzuschalten.

  • 3. Ebene: Lose-Lose

  • Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

    Ab der dritten Ebene ist die Konflikteskalation soweit fortgeschritten, dass es keine Gewinner mehr geben kann. Beide Seiten haben sich hoffnungslos verkämpft und akzeptieren sogar einen eigenen Schaden. Hauptsache, der andere verliert. Ab hier spielen Moral und Werte keine Rolle mehr. Es geht nur noch darum, den anderen durch gezielte Schläge zu vernichten.

    Beispiel: Verleumdung ist zwar strafbar, hält die Betroffenen aber nicht davon ab, den Ruf des anderen gezielt zu beschädigen.

  • Stufe 8: Zersplitterung

    In der vorletzten Eskalationsstufe richtet sich die Zerstörungswut auch gegen die Unterstützer der Konfliktpartei. Wer Partei für den anderen ergreift, wird sofort und systematisch angegriffen. Teilweise werden Außenstehende auch manipuliert, um sie auf die eigene Seite zu ziehen.

    Beispiel: Bei Kriegshandlungen geht diese Eskalationsstufe soweit, dass man seine Feinde von jeder Versorgung und Überlebenschance abschneidet.

  • Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

    An diesem Punkt akzeptiert jede Konfliktpartei die eigene Vernichtung, wenn der Kontrahent damit mit in den Abgrund gerissen wird. Niemand nimmt noch Rücksicht auf sich selbst oder auf das Umfeld. Beide Seiten wollen nur noch die vollständige und endgültige Zerstörung des anderen – um jeden Preis.

    Beispiel: Beide Seiten sind so zerstritten, dass ein eigentlich gutes Projekt scheitert. Im Job spricht man auch von einer „kaputten Arbeitsbeziehung“ oder einem „zerrütteten Verhältnis“.

Häufige Konfliktarten

Glasl beschreibt übrigens nicht nur die 9 Eskalationsstufen, sondern ebenfalls verschiedene Konfliktarten und Methoden zur Deeskalation. Typische Konflikte sind:

    Beruflich

  • Kündigung
  • Mobbing
  • Gehaltsverhandlung
  • Privat

  • Trennung, Scheidung
  • Sorgerechtsstreit
  • Eifersucht
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Was sind Eskalationsmechanismen?

Egal, ob Interessenkonflikt oder Teamkonflikte: Die meisten Auseinandersetzungen lassen sich sachlich und friedlich lösen.

Allerdings wirken hierbei unterschiedliche Eskalationsmechanismen, die eine Konfliktlösung im weiteren Verlauf erschweren und den Konflikt eher noch anheizen. Sie zu kennen bzw. zu erkennen, ist bereits ein erster Schritt zur Deeskalation:

  1. Wachsende Selbstfrustration

    Unerfüllte Erwartungen (z.B. ausbleibende Beförderung) oder eigene Schwächen führen zu inneren Spannungen und zu Frustrationen. Diese werden dann oft auf andere projiziert, was die Konfliktdynamik verstärkt.

  2. Ausweitung strittiger Themen

    Der Konflikt wird auf mehr Themen und sogenannte Nebenkriegsschauplätze ausgedehnt, wodurch er unübersichtlicher und schwieriger zu lösen wird. Beispiel: Was jemand kritisiert, trifft zu. Deshalb versucht der andere über den „falschen Ton“ zu diskutieren.

  3. Verflechtung von Ursache und Wirkung

    Die Konfliktparteien sehen sich gegenseitig als Ursache des Problems, was eine Spirale von Vorwürfen, Rechtfertigungen sowie Gegenreaktionen und der Flucht nach vorn („Angriff ist die beste Verteidigung“) erzeugt.

  4. Personifizierung des Konflikts

    Der Fokus der Debatte verschiebt sich von der Sachebene auf die persönliche und Beziehungsebene, wobei die Gegenseite zunehmend als Feind mit alleiniger Schuld angesehen wird.

  5. Pessimistische Erwartungshaltung

    Geht eine Konfliktpartei schon mit einer negativen Erwartungshaltung in eine Verhandlung oder Diskussion, Motto: „Die anderen wollen keine Lösung!“, trägt dies eher zur Verschärfung und Verhärtung der eigenen Haltung bei. Effekt: Die Konflikteskalation wird sogar noch beschleunigt.

Die genannten Mechanismen wurden ebenfalls von Friedrich Glasl identifiziert und zeigen, wie Konflikte zunehmend außer Kontrolle geraten oder eine Deeskalation erheblich erschweren.

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Eskalationsspirale stoppen: Wie Konflikte deeskalieren?

Mit fortschreitender Konflikteskalation braucht es unterschiedliche Methoden und Vorgehensweisen, um eine wachsende Auseinandersetzung beizulegen. Je weiter ein Konflikt auf den Eskalationsstufen fortgeschritten ist, desto schwerer fällt es, diesen zu beenden.

Laut Glasl gibt es – passend zu seinem Modell – verschiedene Werkzeuge, einen Konflikt zu entschärfen:

  • 1. – 3. Stufe: Coaching und Moderation
  • 3. – 5. Stufe: Vermittlung und Schlichtung
  • 4. – 6. Stufe: Soziotherapeutische Maßnahmen
  • 5. – 7. Stufe: Meditation und Supervision
  • 6. – 8. Stufe: Gerichtliches Verfahren
  • 7. – 9. Stufe: Eingriff von außen

Im Job kommt den Führungskräften hierbei eine besondere Bedeutung und Rolle zu. Sie sollten die Konfliktpotenziale frühzeitig erkennen und entschärfen. Auch hier ist wieder eine wichtige Voraussetzung, zu analysieren, auf welcher Eskalationsstufe die Beteiligten gerade stehen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen:

Deeskalation in Stufe 1 bis 3

In frühen Phasen der Konflikteskalation ist noch kein Eingreifen von außen notwendig. Die Konfliktparteien haben es meist noch selbst in der Hand, die Streitigkeiten beizulegen und eine einvernehmliche und gute Lösung zu finden, von der beide Seiten profitieren. Dabei braucht es ab Stufe 3 allerdings manchmal einen neutralen Moderator, der für eine gemeinsame und faire Kommunikation sorgt.

Deeskalation in Stufe 3 bis 5

Wechselt der Konflikt von der sachlichen auf eine persönliche Ebene, benötigen Betroffene meist schon Hilfe von außen. Glasl empfiehlt hierbei eine professionelle Prozessbegleitung etwa durch einen Vermittler, um den Konflikt zu überwinden.

Deeskalation in Stufe 4 bis 6

Mit fortschreitender Konflikteskalation empfiehlt Glasl eine sozio-therapeutische Prozessbegleitung. Diese ist spätestens dann notwendig, wenn die Parteien sich gegenseitig drohen oder bereit sind, einander ernsthaften Schaden zuzufügen.

Deeskalation in Stufe 5 bis 7

Neben der Prozessbegleitung kann eine professionelle Mediation oder Supervision in höheren Eskalationsstufen helfen, um eine weitere Ausweitung des Konflikts zu verhindern und zwischen den Parteien zu vermitteln.

Deeskalation in Stufe 6 bis 8

Ist weiterhin keine Einigung zu erzielen und droht der Konflikt noch weiter zu eskalieren, kann ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden, um zu einer Lösung zu kommen. Eine weitere Möglichkeit ist ein freiwilliges oder verpflichtendes Schiedsgericht, das die Situation ein für alle Mal klärt.

Deeskalation in Stufe 7 bis 9

Sollten alle vorherigen Maßnahmen scheitern und die Konflikteskalation nicht stoppen können, hilft als letztes Mittel nur noch ein externer Machteingriff durch eine höher gestellte Instanz. Sie beendet den Konflikt autoritär und final

Das Eskalationsmodell lässt sich in vielen Bereichen – im Berufsleben ebenso im Privatleben – anwenden. Vor allem im Arbeitsalltag sind gelegentliche Konflikte zwischen Kollegen, Kunden und Vorgesetzten praktisch unvermeidbar.

Das frühzeitige Erkennen von Konflikten, der Eskalastionsphasen sowie eine offene Kommunikation sind entscheidend, um einen Streit zu deeskalieren. Wenn alle Beteiligten die Konfliktdynamik kennen, können sie frühzeitig eingreifen und eine „Win-Win“-Lösung anstreben. Auch regelmäßige Feedbackgespräche und das Vermeiden von Drohstrategien tragen zur Lösung bei.


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