Was ist Verhandlungsgeschick?
Verhandlungsgeschick ist die Fähigkeit, in Verhandlungen effizient zu kommunizieren, eigene Vorstellungen und Erwartungen durchzusetzen, aber gleichzeitig Gesprächspartner zu berücksichtigen. Im Kern geht es darum, unterschiedliche Vorstellungen zu analysieren, gemeinsame Lösungen und Kompromisse zu finden und ein für alle zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen.
Das ist in der Theorie einfacher, als es in der Praxis umzusetzen ist. Gegensätzliche Positionen müssen in Einklang gebracht werden. Das erfordert Empathie, Fingerspitzengefühl und durchdachtes Vorgehen.
Verhandlungsgeschick: 5 Phasen der Verhandlung
Sie wollen besser verhandeln – dann müssen Sie zunächst verstehen, wie Verhandlungen und die damit verbundenen Gespräche überhaupt ablaufen. Viele stellen sich Gesprächspartner an einem Tisch vor, die Angebote hin und her schieben, bis eine Lösung gefunden wird. Verhandlungsgeschick sieht anders aus. Sie müssen erkennen, welche typischen Phasen die Verhandlungspartner durchlaufen, um geschickt zu agieren und das Ergebnis in Ihre Richtung zu lenken. Experten nennen insgesamt fünf dieser Phasen im Verhandlungsgespräch:
1. Zuhören
„Ich will…“ und „Ich verlange…“ sind keine guten Einstiege. Verhandlungsgeschick beweisen Sie, indem Sie sich zurückhalten und erst einmal zuhören. Sammeln Sie Informationen, um möglichst viel zu erfahren. Was genau sind die Ziele und Vorstellungen des anderen? Bleiben Sie dabei aber nicht nur passiv, das wirkt desinteressiert.
Zeigen Sie Aufmerksamkeit, halten Sie stets Blickkontakt und stellen Sie Rückfragen zu wichtigen Aspekten. Durch aktives Zuhören schaffen Sie eine gute Ausgangssituation.
2. Verstehen
Im zweiten Schritt müssen Sie Ihr Gegenüber besser verstehen und die Informationen deuten. Dafür braucht es ein hohes Maß an Empathie. Sie wollen herausfinden, welche Motive die Gegenseite hat und welche Gründe dahinterstehen. Geld allein ist selten der wahre Grund.
Oftmals sind die Motive hinter den Zielen ein großer Stolz, der Wunsch nach Macht oder das Bedürfnis, das eigene Gesicht zu wahren und einen guten Ruf zu erhalten.
3. Rapport
Durch Aufmerksamkeit und Empathie wissen Sie nun, was Ihr Verhandlungspartner möchte und welche Motive er verfolgt. Ein wichtiger Punkt im Verhandlungsgeschick besteht darin, dem Gegenüber nun Verständnis und Mitgefühl entgegenzubringen. Machen Sie deutlich, dass Sie seine Seite verstehen und nachvollziehen können.
In dieser Phase entsteht ein gewisses Vertrauen, obwohl beide Parteien gegensätzliche Ziele verfolgen. Richtig umgesetzt verliert Ihr Gegenüber die Angst, dass Sie ihn lediglich ausnutzen wollen.
4. Einfluss
Bis zu diesem Zeitpunkt hat noch keine Art der Verhandlung stattgefunden. Sie haben nicht gefeilscht, argumentiert, diskutiert oder Vorschläge gemacht. Mit dem erworbenen Vertrauen ist nun der Moment, um gemeinsam auf eine Lösung hinzuarbeiten.
Statt zwei verhärteter Fronten, die gegeneinander arbeiten, findet Kooperation statt. Beide suchen nach einer Win-Win-Situation, statt lediglich den eigenen Vorteil zu suchen.
5. Anpassung
Die letzte Phase einer erfolgreichen Verhandlung ist die Anpassung des Verhaltens und der Ziele. Ihr Gegenüber macht Zugeständnisse – gleichzeitig müssen Sie selbst bereit sein, einen Schritt auf den anderen zuzumachen. Durch das aufgebaute Vertrauen können Sie Vorschläge unterbreiten, aus denen Kompromisse entstehen.
Trotzdem ist Fingerspitzengefühl gefragt. Selbst kurz vor der Einigung kann diese noch platzen, wenn Sie Ihr Verhandlungsgeschick verlieren. Dreiste Forderungen oder herablassendes Verhalten sind weiterhin Tabu.
Verhandlungsgeschick: Beispiel Gehaltsverhandlung
Gehaltsverhandlungen sind ein klassisches Beispiel, bei dem Sie Ihr Verhandlungsgeschick beweisen können. Im Prozess der Bewerbung müssen Arbeitgeber und Mitarbeiter sich auf die spätere Bezahlung einigen – wobei die Vorstellungen weit auseinander gehen. Arbeitnehmer wollen möglichst viel verdienen, Arbeitgeber die Personalkosten gering halten.
Entsprechend groß ist die Differenz zwischen erstem Angebot und Forderung. Nach den obigen Phasen sollten beide Seiten daran interessiert sein, nicht gleich stur auf einer Zahl zu beharren. Bewerber müssen Verständnis mitbringen, dass Unternehmen nicht jeden Gehaltswunsch erfüllen können. Personaler müssen ihrerseits verstehen, dass Kandidaten sich nicht unter Wert verkaufen wollen. Auf dieser Grundlage kann ein gemeinsamer Mittelweg gefunden werden.
Ein unkonventioneller Tipp für das Verhandlungsgeschick bei der Bewerbung kommt von Remigiusz Smolinski, Honorarprofessor für Verhandlungsführung. Kann keine Einigung erzielt werden, empfiehlt er: Bitten Sie den Personaler darum – nachdem alle Daten und Zahlen auf dem Tisch sind – ein faires Angebot zu unterbreiten. Eines, das nicht nachverhandelbar ist. Das Sie als Bewerber entweder annehmen oder ablehnen. Studien würden zeigen, dass die Gehaltsofferte des Unternehmens in diesem Szenario meist relativ großzügig ausfalle.
Kompromiss oder Konfrontation als Verhandlungsgeschick
Zunächst einmal: Beides kann funktionieren. Entscheidend für Ihr Vorgehen sollte die Situation sein. Überlegen Sie sich deshalb gründlich, wie Sie vorgehen wollen.
Konfrontation in Verhandlungen
Wer auf Konfrontation setzen will, braucht das ein oder andere Ass im Ärmel. Nur wenn Sie die nötige Position besitzen, können Sie einen Konfrontationskurs einschlagen. Ein simples Beispiel: Ein Bewerber wird mit Konfrontation nicht weiterkommen. Personaler entscheiden sich einfach für einen anderen Kandidaten, wenn es nicht zu einer Einigung kommt. Hier liegt die Macht auf Seiten des Unternehmens.
Haben Sie eine solche Position, können Sie diese einsetzen. Denken Sie dabei aber an die Folgen. Eine Seite, die mit (rhetorischer) Gewalt, Zwang und Drohgebärden all ihre Forderungen durchsetzt – das gibt es nicht. Und wenn doch, hinterlassen Sie verbrannte Erde. Wer an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert ist, sollte die Brücken hinter sich nicht komplett abreißen.
Kompromisse in Verhandlungen
Klar ist allerdings auch: Am Ende einer erfolgreichen Verhandlung steht fast immer der Kompromiss. Diesen erreichen Sie durch Vertrauen und einen guten Draht zueinander. „Sympathie ist eine Emotion, die mit gutem Willen korrespondiert“, sagt die Psychologin Laura Kray von der Universität Berkeley. „In Verhandlungen kann sie in die Bereitschaft übergehen, Probleme auf eine Art zu lösen, die sonst nicht möglich wäre.“
Gerade in schwächeren Verhandlungspositionen helfen Sympathien, um den angestrebten Kompromiss zu erreichen. Bei einer starken Position besteht hingegen die Gefahr, manipulativ zu wirken, wenn Sie Sympathien erheischen wollen. Auch bei Verhandlungen auf Augenhöhe liefern Kompromisse objektiv betrachtet die besten Ergebnisse. Durch Verhandlungsgeschick und Bereitschaft beider Seiten entsteht eine klassische Win-Win-Situation, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist.
Tipps für mehr Verhandlungsgeschick
Das Wissen über Phasen, Ablauf und Strategien verbessert Ihre Verhandlungen. Mit den folgenden Tipps können Sie Ihr Verhandlungsgeschick noch weiter optimieren:
- Bereiten Sie sich vor
Eine gründliche Vorbereitung ist die halbe Miete für Ihr Verhandlungsgeschick. Gehen Sie nicht naiv in das Gespräch und hoffen auf gute Ergebnisse. Machen Sie sich schlau, sammeln Sie Informationen, überlegen Sie sich Ihre Ziele. Sie müssen wissen, welche Punkte für Sie nicht verhandelbar sind – und wo Sie sich kompromissbereit zeigen. Überlegen Sie sich im Vorfeld, wo Ihre Grenze liegt, wie weit Sie also von Ihrer Vorstellungen abweichen würden. - Punkten Sie mit Argumenten
Verhandlungsgeschick beweist, wer gute Argumente liefert, denen der Gesprächspartner nichts entgegensetzen kann. Legen Sie sich eine Strategie für Ihre Argumentation zurecht. Beginnen Sie mit einigen eher schwachen Aspekten, bevor Sie Ihren Trumpf spielen. Gleichzeitig gehört es zum Verhandlungsgeschick, die Einwände der anderen Seite zu entkräften. Stellen Sie sich darauf ein und halten Sie Antworten parat. - Wechseln Sie die Perspektive
Die besten Ergebnisse erzielen Sie in Verhandlungen, wenn Sie die Perspektive wechseln und sich in die Lage Ihres Gegenübers versetzen. Sie verstehen seine Ziele und Absichten – und können darauf eingehen. Gleichzeitig können Sie antizipieren, wie die Gegenseite die Verhandlung gestalten will und sich darauf einstellen.
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