Was macht destruktive Kritik aus?
Kritik – so unbestritten deren Nutzen auch ist – ist selten angenehm. Da kann das Feedback noch so sensibel und elegant formuliert werden: Wer kritisiert wird, fühlt sich danach selten besser. Es bleibt die Erkenntnis, einen Fehler gemacht oder Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Und jetzt gibt es dafür die Quittung…
Feedback gehört aber zum Leben dazu. Zum Job sowieso. Kritik – positiv wie negativ – ist eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Persönlichkeitsentwicklung. Ohne die Rückmeldung hätten wir kaum Chancen aus unseren Fehlern zu lernen. Und es müssen noch nicht einmal Fehler sein: Kritik kann auch zeigen, wie es besser geht. Motto: „Dein Weg ist nicht schlecht, aber klüger wäre es so…“ So profitiert man auch noch von den früheren Fehlern anderer und deren Erfahrungen.
Doch genau hierin liegt der Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik:
- Konstruktive Kritik will nicht nur Fehler melden, sondern ist stets um eine optimale Lösung bemüht. Konstruktive Kritik ist im Kern respektvoll und förderlich, zeigt Alternativen auf und bemüht sich um sachdienliche eigene Vorschläge zur Verbesserung.
- Destruktive Kritik hingegen will attackieren, schaden, runtermachen. Sie ist in ihrem Wesen weder sachdienlich, noch wohlwollend oder weiterführend. Sondern vielmehr ein Schlag ins Gesicht des Kritisierten. Sie soll diesen treffen und Gefühle verletzen. Je mehr, desto besser.
Klar, dass sich bei der zweiten Variante weder ein Lerneffekt einstellen wird, noch die Beziehung verbessert wird. Wer destruktiv kritisiert wird, fühlt sich – zurecht – mies behandelt, verunsichert, orientierungslos. So manche kämpfen danach auch mit erheblichen Selbstzweifeln – an ihren Fähigkeiten oder ihrer Wahrnehmung. Nicht selten war das sogar beabsichtigt. Gemein!
Indizien: Daran erkennen Sie destruktive Kritik
Tatsächlich lässt sich destruktive Kritik nicht nur am Inhalt, sondern bereits an ein paar verräterischen Wesenszügen erkennen. Destruktive Kritik ist meist…
- persönlich. Destruktive Kritik richtet sich meist direkt an eine Person. Ziel ist es, nicht eine Verhaltensweise zu kritisieren oder Fehler in Zukunft zu vermeiden, sondern den Adressaten grundsätzlich persönlich anzugreifen und schlecht zu machen.
- verletzend. Dies führt dazu, dass destruktive Kritik als äußerst verletzend empfunden wird. Verstärkt wird dies oft durch eine entsprechend grobe, beleidigende und herabwürdigende Wortwahl.
- unbegründet. Konstruktive Kritik ist nicht nur angebracht, sondern konzentriert sich auf konkrete Auslöser. Destruktive Kritik hingegen stützt sich auf Verallgemeinerungen, Pauschalurteile und ist entsprechend unbegründet. Sie kommt häufig „aus dem Nichts“ und trifft den Empfänger unvorbereitet.
- allgemein. Gerade die vernichtende Form der Kritik verallgemeinert stark. „Alle“ sehen das so; „Jeder“ weiß das; „Man“ macht das so und so… Ein einmaliger Fehler bekommt dann schnell den Stempel eines ernsthaften, chronischen Charakterproblems.
- übertrieben. Üblicherweise gibt es kleine und große Kritikpunkte. Nicht bei der destruktiven Kritik: Hier ist alles eine Spur größer, galaktischer, epischer. Der Fehler wird zum unverzeihlichen Desaster, zur kosmischen Katastrophe. Selbst nebensächliche Kleinigkeiten können ausreichen, um Grundsatzdiskussionen auszulösen.
Der größte Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik aber bleibt die dahinterstehende Absicht des Kritikers. Destruktive Kritiker wollen nichts verbessern, sondern – der Name sagt es schon – zerstören. Menschen (Chefs wie Kollegen) greifen meist dann zu destruktiver Kritik, wenn ihnen bei gegenteiliger Meinung die Sachargumente fehlen oder ausgehen. Wenn sie ihrem Gegenüber eins auswischen oder wenn sie sich rächen wollen.
Einziger Haken – und der wird von den Kritikern meist übersehen: Man selbst gibt dabei keine gute Figur ab. Souveränität und Größe sieht anders aus. Mehr noch: Wer zu solchen Methoden greift, hat es ganz offensichtlich nötig. Wie armselig!
Achtung destruktiv: So sollte Kritik nicht aussehen
Kritisieren will gelernt sein. Nicht jeder ist gleich gut darin. Das gilt sowohl für Freunde und Familienmitglieder. Aber auch für Kollegen und leider auch viele Vorgesetzte. Deren berufliche Position bringt zwar die Notwendigkeit mit, regelmäßig Feedback zu geben. Das bedeutet aber nicht, dass das auch ihre Stärke ist.
So schleichen sich regelmäßig Wörter und Formulierungen ein, die aus einer eigentlich konstruktiven Kritik das Gegenteil machen. Damit Ihnen das nicht passiert, haben wir einige Begriffe und Sätze gesammelt, die Sie aus Ihrer Kritik streichen sollten. Zu groß ist die Gefahr, hierbei ins Destruktive abzudriften:
- „Immer“ oder „Nie“
Solche Verallgemeinerungen sind typisch für destruktive Kritik und damit starke Signalworte beziehungsweise Reizworte im Wortsinn. Bleiben Sie daher stets konkret, wenn Sie Kritik üben wollen. Beziehen Sie sich auf Belege und belastbare Beispiele. So kann der Empfänger nachvollziehen, was Sie meinen. Effekt: Ihre Kritik wirkt fundierter, ehrlicher und wird besser aufgenommen. - Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein?
Wenn etwas wirklich gehörig schief geht, kann einem solch ein Satz schon mal über die Lippen huschen. Mit sinnvoller Kritik hat der allerdings so viel zu tun wie Marschmusik mit Heiterkeit. Natürlich handelt es sich dabei um eine rein rhetorische Frage, die nichts anderes andeuten will, als dass Ihr Gegenüber inkompetent ist. Also eine reine Beleidigung. - Sind Sie stolz auf sich?
Das klingt harmlos. Ist es aber nicht, sobald die Betonung ironisch wird. Tatsächlich wird die Frage so zur platten Anschuldigung. Dahinter steckt die Aussage: „Du hast Mist gebaut und findest das auch noch toll? Schäm dich!“ Mit derlei Rhetorik verlässt man sofort den Boden konstruktiver Kritik. Mehr noch: Sie erhöhen sich und degradieren Ihr Gegenüber zum Dummerle, das wie ein kleines Kind hinterfragt wird. Niemand ist stolz auf seine Fehler. Also was soll die Frage?! - Was haben Sie sich nur dabei gedacht?
Auch hierbei handelt es sich um eine rhetorische Scheinfrage. Natürlich hat sich der oder die andere was dabei gedacht – es war nur leider falsch oder hat nicht geklappt. Passiert. Wenn es Ihnen wirklich um Analyse und Ursachenforschung geht, fragen Sie lieber: „Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?“ Oder: „Was würden Sie künftig anders machen?“ - Sie kriegen aber auch gar nichts hin!
Gleich mehrere Fehler auf einmal: Zunächst ist das ein Pauschalurteil und eine unzulässige Verallgemeinerung („gar nichts“). Des Weiteren ist die Aussage ein persönlicher Angriff, der dem Empfänger jede (berufliche) Qualifikation abspricht.
Unterschied: Ist es destruktive Kritik oder negative?
Destruktive Kritik hat gerade im beruflichen Umfeld eigentlich nichts zu suchen. Ein Unternehmen, das sich um eine gute Arbeitsatmosphäre bemüht, sollte darauf achten, welche Kritikkultur herrscht und wie Kritik geäußert wird. Natürlich gibt es auch ganz unterschiedliche Arten wie Mitarbeiter auf Kritik reagieren (siehe Grafik):
Dazu muss man allerdings nochmal eine Unterscheidung machen, die – fälschlicherweise – oft nicht gemacht wird: die zwischen positiver und negativer Kritik…
- Positive Kritik empfinden die meisten Menschen nicht als Kritik, weil sie eben positiv ist. Schulterklopfen, Lob, Anerkennung – all das sind auch Formen der Kritik, im Sinne von „Beurteilung“ einer Arbeit oder Leistung. Das Urteil fällt hierbei eben nur positiv aus. Allerdings kann auch das destruktiv werden – dann zum Beispiel, wenn die Wertschätzung so lapidar daher kommt, dass sie schon wieder wertlos wirkt beziehungsweise sich selbst entwertet. Bestes Beispiel: Wenn sich jemand 20 Jahre lang für die Firma aufgeopfert hat, dann gekündigt und mit einem hohlen „Wir danken Ihnen für die langjährige Treue“ abgespeist wird. Na, Danke!
- Negative Kritik wiederum muss nicht automatisch destruktiv sein. Hierbei wird zwar gerügt, getadelt, moniert. Das kann (und sollte) aber eben stets konstruktiv geschehen. Motto: Das Feedback muss zwar einen negativen Sachverhalt beanstanden, aber wir finden gemeinsam und auf Augenhöhe eine Lösung.
Ob Kritik positiv oder negativ ist, sagt also zunächst nichts darüber aus, ob sie auch konstruktiv oder destruktiv (gemeint) ist. Uns interessiert daher umso mehr, wie sich mit destruktiver Kritik umgehen lässt, insbesondere wenn man damit – zurecht oder zu unrecht – konfrontiert wird.
Umgang mit Kritik: So reagieren Sie richtig
Grundsätzlich gilt: Auch wenn sie praktisch immer persönlich attackiert – nehmen Sie destruktive Kritik bitte nicht persönlich! Das fällt schwer, tut weh, ärgert. Wissen wir. Aber genau mit dieser emotionalen Reaktion geben Sie dem (destruktiven) Kritiker, was er wollte – und damit nur Öl in sein Feuer. Letztlich kann man das nur trainieren, auf persönliche Angriffe nicht sofort und vor allem nicht persönlich zu reagieren. Machen Sie sich klar, dass Ihr Gegenüber sich eigentlich nur gerade als arme Wurst outet, die solche Mätzchen nötig hat. Eine Sandkastenseele, die sie gerade versucht auf ihr Niveau runterzuziehen. Wollen Sie da wirklich mitziehen? Eben.
Überdies gibt es noch weitere Optionen, auf destruktive Kritik zu reagieren. Sogar ein paar konstruktive Wege – ohne es sich unnötig schwer zu machen oder Energie zu verschwenden. Zum Beispiel diese…
Ignorieren Sie es einfach
Die einfachste Möglichkeit ist zugleich die effektivste: Sparen Sie sich die Reaktion, und gehen Sie über die destruktive Kritik nonchalant hinweg. Konzentrieren Sie sich lieber auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben und auf positive Menschen. Dieser Tipp gilt vor allem in den sozialen Medien, auf Facebook, Youtube, Twitter oder Instagram: „Don’t feed the trolls!“ Blocken Sie Hater, löschen Sie notorische Miesmacher, ignorieren Sie dumme Bemerkungen. Die Kunst ist, dem Impuls zu widerstehen, sich zu rechtfertigen, gerade wenn man persönlich verletzt wurde. Es hilft ungemein, die Meinung anderer nicht überzubewerten und spart Lebenszeit.
Nehmen Sie es nicht persönlich
Destruktive Kritik ist darauf ausgerichtet, Sie persönlich zu verletzen. Und genau das sollten Sie dem unverschämten Kritiker nicht erlauben. Fragen Sie sich lieber, warum der Kritiker versucht, Sie persönlich anzugreifen. Handelt es sich um einen neidischen Kollegen, der einfach nur sein angekratztes Ego aufpolieren will? Je eher Sie die Taktik durchschauen, desto leichter fällt es, sich davon unbeeindruckt und unbeeinflusst zu lassen. Nutzen Sie die Gelegenheit lieber, um Ihre geistige Unabhängigkeit und mentale Stärke zu trainieren.
Schlagen Sie nicht zurück
Der erste Impuls ist oft, es dem anderen heimzuzahlen und seinerseits in den Schlagabtausch zu gehen. Viel Spaß beim anschließenden Beleidigungs-Pingpong! Zurückzuschlagen bringt nicht – es sei denn, Sie wollen die Eskalation und haben Zeit für so einen Quatsch. Demonstrieren Sie stattdessen lieber Souveränität – zum Beispiel mit Humor: „Sie sind wirklich das Letzte!“ – „Stimmt, das Beste kommt immer zum Schluss.“ Wer derart schlagfertig reagiert, nimmt dem anderen jeden Wind aus den Segeln. Eine Beleidigung gar zu ignorieren, beweist hingegen sogar echte Größe.
Stimmen Sie nicht einfach zu
Je destruktiver die Kritik, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass viele der vorgebrachten Aspekte falsch oder zumindest restlos übertrieben sind. Dabei ist es nicht nur Ihr gutes Recht, sondern auch eine wirkungsvolle Strategie, diese falschen Punkte anzusprechen und dazu „Nein“ zu sagen. Widersprechen Sie deutlich und fragen Sie nach: „Wie kommen Sie darauf? Worauf stützt sich Ihre Behauptung?“ Spätestens jetzt ist der Angreifer in Rechtfertigungszwang. Und folgt jetzt nur weitere heiße Luft, ist seine Glaubwürdigkeit dahin. Davon abgesehen sollten Sie sich die destruktive Kritik freilich auch nicht einfach so gefallen lassen.
Sparen Sie sich eine Verteidigung
Sie wollen und müssen sich nicht alles gefallen lassen. Gleichzeitig bringt es wenig, wenn Sie sich immer nur rechtfertigen oder selbst erklären. Das mündet in eine reine Abnutzungsspirale. Sie erinnern sich: Es geht dem anderen bei destruktiver Kritik gar nicht darum, Ihr Verhalten zu verstehen oder eine Besserung zu erreichen. Ebenso wenig ist er oder sie an Ihren Beweggründen interessiert. Wenn Sie versuchen, sich zu verteidigen, liefern Sie am Ende nur mehr Munition. Der bessere Weg: Nicht auf die Unsachlichkeiten eingehen und diese durch Wiederholung verstärken, sondern auf die Sachebene zurück wechseln – per Rückfragen (siehe oben) oder Aufforderung: „Lassen Sie uns doch bitte sachlich bleiben!“
Hinterfragen Sie sich selbst
Der Punkt ist schwerer: Wenn Sie die destruktive Kritik getroffen hat, kann das auch daran liegen, dass ein Kern Wahrheit darin steckt. Das rechtfertigt zwar in keinster Weise den destruktiven Ton, die Art und Weise der Kritik. Wohl aber deren sachlichen Inhalt. Nutzen Sie daher jede Kritik immer auch zur Selbstreflexion, und versuchen Sie so, aus dem Feedback etwas Positives für sich zu ziehen. Zerlegen Sie die Kritik in ihre Einzelteile und suchen Sie sich heraus, woraus Sie etwas lernen können. Die persönlichen Beleidigungen dagegen ignorieren Sie bitte auch weiterhin.
Bedanken Sie sich für die Kritik
Zugegeben, das ist jetzt Masterclass-Niveau. Man greift Sie unsachlich und persönlich an – und Sie sagen auch noch „Danke“ dazu. Wow! Gerade weil diese Reaktion so ungewöhnlich ist, deshalb funktioniert sie auch: Der Kritiker möchte Ihnen schaden und erreichen, dass Sie sich schlecht fühlen. Zeigen Sie das genaue Gegenteil und bedanken Sie sich auch noch dafür, entzieht ihm das jeden Boden. Natürlich denken Sie keine Sekunde daran, den Hass wirklich ernst zu nehmen. Ebenso wenig sind Sie dankbar für etwaige Beleidigungen. Aber allein die gezeigte Dankbarkeit lässt 99 Prozent aller destruktiven Kritiker verdutzt zurück.
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