Definition wunder Punkt: Bitte nicht treffen!
Der wunde Punkt, das ist die Schwachstelle einer Person oder einer Sache. Wir sprechen synonym zum wunden Punkt auch vom schwachen oder neuralgischen Punkt. Es handelt sich um die Achillesferse, heißt: Wenn jemand auf dieses bestimmte Thema zu sprechen kommt, dann wird sich sehr wahrscheinlich die Laune des Getroffenen schlagartig verschlechtern.
Die Metapher des wunden Punkts oder der Achillesferse geht zurück auf den griechischen Sagenheld Achilleus, der als nahezu unverwundbar galt. Nahezu deshalb, weil er als Sohn einer Göttin und eines Sterblichen selbst sterblich war. Seine Mutter tauchte ihn deshalb in den Fluss Styx, um ihn unverwundbar zu machen.
Einzig die Stelle, an der sie ihn während des Eintauchens festhielt – seine Ferse – blieb unbenetzt und war somit sein Schwachpunkt. Seit dem Mittelalter ist der Gebrauch von „Wunde“ auch im übertragenen Sinne bezeugt.
Psychologisch betrachtet steckt dahinter meist ein ungelöstes Problem. Irgendetwas in der Kindheit hat Sie sehr verletzt und es fand kein Verarbeitungsprozess statt. Es wird immer an denselben Ängsten gerührt:
- Sie empfinden Hilflosigkeit.
- Sie fühlen sich verlassen.
- Sie haben Existenzangst, also die Angst, es nicht zu überleben.
- Sie fühlen sich nicht gesehen, klein und unwichtig.
Durch das Verhalten einer anderen Person fühlen Sie sich genau an diese Situationen erinnert. Und dementsprechend fällt bei vielen dann die Reaktion aus – im übertragenen Sinne reagieren Sie dabei nicht auf die Person in der Gegenwart, sondern die ist ein Stellvertreter für denjenigen, der damals diese Gefühle ausgelöst hat.
Wird der wunde Punkt getroffen, löst er beim Betroffenen oft ein Gefühl der Wut und Scham aus. Eine Mischung aus Rache und Verteidigung setzt ein. Einerseits ein normaler Reflex, natürlich will jeder sich vor Verletzungen schützen.
Reaktionen, wenn getroffen wird
Wird der wunde Punkt getroffen, rührt das am Selbstwertgefühl einer Person. Sie stellt sich infrage, obwohl sie das eigentlich nicht möchte. Leicht kommt es zu Überreaktionen, das Gegenüber wird harsch angefahren oder der Gekränkte zieht sich beleidigt zurück und meidet fortan den Kontakt.
Passieren solche Kränkungen auf der Arbeit, kann das besonders heftig sein, und zwar aus zweierlei Gründen:
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Identifikation
Viele identifizieren sich mit ihrer Arbeit, sind überzeugt von dem, was sie tun. Ganz gleich, ob Sie sich beispielsweise als Berufserfahrener einen bestimmten Ruf erarbeitet haben oder ob Sie als Berufsanfänger sich mit einem Auftrag besonders viel Mühe gegeben haben: In den meisten Fällen wird jeder nach bestem Gewissen seine Tätigkeit verrichten. Wird das in Zweifel gezogen – weil etwa die langjährige Expertise durch neue Erkenntnisse plötzlich veraltet erscheint oder Ihre Arbeit nicht den Nerv des Kunden trifft – dann kränkt das den Geschmähten.
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Konfrontation
Ein weiterer Grund für heftige Gegenreaktionen ist, dass der Getroffene sich täglich mit dem „Übeltäter“ konfrontiert sieht. Ständig wird er daran erinnert, in welchem Bereich er ungenügend ist. Kein angenehmes Gefühl, das einen emotional gereiften Charakter erfordert, um damit umgehen zu können.
Warum Selbstreflexion wichtig ist
Dummerweise setzt sich nicht jeder mit seinen Stärken und Schwächen auseinander. Wird ein wunder Punkt getroffen, ist es leichter, den anderen als bösen Aggressor abzustempeln – Selbstreflexion dauert länger und erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Person.
Bequemer ist es allemal, einen Sündenbock zu finden.
Wer sich allerdings nicht mit seinen wunden Punkten auseinandersetzt und deren Ursache versteht, schiebt damit die Verantwortung fürs eigene Wohlbefinden auf andere Personen.
Dazu kommen zwei weitere Aspekte: Zum einen die eingangs benannte Tatsache, dass andere Personen jemanden nicht mutwillig verletzten wollen – sofern es sich nicht um eine dezidierte Mobbingsituation handelt.
Zweitens kann Flucht keine Alternative sein. Jeder Mensch kommt von Zeit zu Zeit in die Situation, dass er…
- gekränkt,
- beleidigt,
- verlassen,
- kritisiert oder
- zurückgewiesen
wird. Den Kontakt zu Menschen abzubrechen, die das bewirkt haben oder theoretisch bewirken könnten, ist zwar eine Form von „Sicherheit“ und Schutz vor weiteren Verletzungen, bringt Sie aber auch um schöne Erfahrungen.
Denn ebenso werden Sie…
- akzeptiert,
- geliebt,
- vermisst,
- gelobt und
- geschätzt.
Umgang mit dem wunden Punkt
Es soll natürlich keineswegs für einen Umgang mit toxischen Menschen plädiert werden. Nicht jede Schmähung muss mit einem Schulterzucken abgetan werden, entscheidend für Ihre Bewertung ist die Intention Ihres Gegenübers.
Um die zu erkennen, muss der Kontext betrachtet werden, in dem die Kränkung stattgefunden hat und ein klärendes Gespräch mit der Person, die Ihren wunden Punkt erwischt hat. Genau davor scheuen sich allerdings viele Menschen.
Statt eben sich aktiv mit ihren Schwachstellen auseinanderzusetzen und ihr Gegenüber anzusprechen, kompensieren sie lieber: Der Frust wird in Alkohol ertränkt, es wird sich „ein dickes Fell“ angefuttert und verdrängt, was das Zeug hält – zur Not auch die Person.
So ein Verhalten ist langfristig gesehen kontraproduktiv: Nicht nur werden Sie immer wieder Situationen ausgesetzt sein, in denen eine beispielsweise unbekannte Person Ihren wunden Punkt trifft. Auch frisst eine solche Verdrängungshaltung Energien, die Sie für andere Dinge sinnvoller einsetzen könnten.
Außerdem geht letzteres wie angesprochen auf der Arbeit oft nicht. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Schwachstellen sollte aber nicht nur als ein formaler Sachzwang gesehen werden. Vielmehr trägt sie dazu bei, sich und Ihre Bedürfnisse besser zu verstehen und Ihre Persönlichkeit reifen zu lassen.
Wunder Punkt verhilft zu wahrem Selbst
Auch wenn jeder einen wunden Punkt hat, gibt es einige Zeitgenossen, die schnell empfindlich reagieren und andere, die deutlich gelassener sind. Was unterscheidet diese Menschen eigentlich? Meist haben sie ein gewisses Standing, ruhen in sich. Sie kennen sich und ihre Eigenschaften – positiv wie negativ – gut genug und stehen dazu.
So jemand hat keine Angst vor Ablehnung, denn er hat bereits einiges im Leben erlebt und die Erfahrung gemacht, dass er trotzdem überlebt hat. Dieses In-sich-Ruhen passiert nicht über Nacht; Lebenserfahrung ist daher ein wichtiger Aspekt neben Selbstreflexion.
Was aber tun? Lebenserfahrung kann man nicht mal eben so gewinnen und trotzdem ist ein Umgang mit wunden Punkten wichtig. Diese Tipps helfen Ihnen dabei:
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Selbsterkenntnis
Welches ist Ihr wunder Punkt oder Ihre wunden Punkte, was triggert Sie immer wieder, wenn jemand etwas sagt oder tut? Beobachten Sie dabei nicht nur, wer wann was macht, sondern wie Sie damit umgehen. Ziehen Sie sich zurück? Werden Sie aggressiv? Trigger können sein, dass jemand Ihnen mangelnde Intelligenz unterstellt oder mit Stereotypen wie „typisch Mann/Frau/Ossi/Wessi“ arbeitet. Reflektieren Sie auch Ihr eigenes Verhalten, vielleicht hat Ihnen gegenüber jemand bereits sehr empfindlich auf etwas reagiert, das Sie total überrascht hat. Wer für sich Rücksichtnahme in Anspruch nimmt, sollte auch Sensibilität im Umgang mit anderen Menschen beweisen.
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Humor
Versuchen Sie, Dinge mit Humor zu nehmen. Manche Menschen foppen gerne – Sie nehmen ihnen den Wind aus den Segeln, wenn Sie Dinge nicht gleich persönlich nehmen und sich sofort beleidigt zurückziehen. Eine Möglichkeit ist, eine Sache aufzugreifen und ins Absurde zu überhöhen, also mit dem Mittel der Übertreibung zu arbeiten. Beispiel: Ihr Kollege zieht Sie beim Betriebssport auf, Sie seien auch schon mal in besserer Form gewesen. Dann könnten Sie kontern, indem Sie etwas erwidern wie „Ich habe gedacht, heute spiele ich mal extra schlecht, damit Du auch eine Chance hast.“
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Offenheit
Wer ist Ihr Gegenüber? Handelt es sich um eine Vertrauensperson, die Ihren wunden Punkt getroffen hat? Dann sollten Sie es ansprechen, wenn Sie verletzt sind. Weniger als Vorwurf formuliert, sondern vor dem Hintergrund, Verständnis für Ihr Gekränktsein zu wecken. Wer beispielsweise mit seinem Gewicht hadert, muss sich von seinem Gegenüber nicht als „Wuchtbrumme“ oder „Hungerhaken“ veräppeln lassen. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn es sich bei Ihrem Gegenüber um einen Unsympathen handelt – in solchen Fällen verlassen Sie Ihre Deckung, wenn Sie sagen, was seine Äußerungen bei Ihnen bewirken. Da reicht es zu verbalisieren, dass Sie sein Spiel durchschauen (und nicht mitspielen) und in der Tat den Kontakt auf das Notwendigste zu beschränken.
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