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Distanzzonen: Bitte Abstand halten!

Manche Menschen brauchen Abstand. Nicht aus Sozialphobie. Sie schützen ihre Distanzzonen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen auf Warteschlangen, Verkehrsstaus oder Bahngedränge mit enormem Stress reagieren. Nicht wegen des steigenden Termindrucks, sondern wegen der menschlichen Nähe. Sogenannte Crowding-Situationen, in denen wir Fremden näher sein müssen, als uns lieb ist, können regelrecht psychischen Druck auslösen. Dahinter stecken subtile Territorialansprüche, die jeder von uns hat und die der US-Antropologe Edward T. Hall schon 1963 entdeckte und vermaß – eben jene sogenannte Distanzzonen


Distanzzonen: Bitte Abstand halten!

Distanzzonen nach Hall: Bitte Abstand halten!

Distanzzonen-Intimsphaere-Privatshaere

Es gehört zum guten Ton den persönlichen Freiraum eines anderen Menschen zu respektieren. Zu viel Nähe ist einfach unangenehm. Jedenfalls gegenüber Fremden und Menschenmengen.

Das gilt im Fahrstuhl ebenso, wie in der vollen U-Bahn oder an der Schlange vor der Supermarktkasse, wenn uns schon der Atem oder Schweißgeruch des Hintermanns über die Schultern wabert. Brrr…

Im Büro ist das nicht viel anders. Der Kollege, der zum Beispiel in unser Büro hereinstürmt, den Stuhl zu sich heranzieht und sich ohne zu fragen hinsetzt, verletzt demnach schon unsere Privatsphäre. Entsprechend wenig Sympathie bringen wir ihm entgegen.

Das unerlaubte Eindringen in unsere jeweilige Privatsphäre oder gar Intimsphäre wird daher immer als unzulässige Grenzübertretung aufgenommen – als distanzlos eben. Nicht selten beginnen so gar atmosphärische Störungen in der Beziehung.

Der Forscher Edward T. Hall unterschied nach seinen wissenschaftlichen Untersuchungen am Ende vier fundamentale Distanzzonen des Menschen:

  • Die öffentliche Zone.

    Sie umfasst einen Umkreis mehr als 3,60 Meter Abstand und ist für die meisten Menschen unproblematisch. Bei dieser Entfernung nehmen wir sensorische Signale anderer Menschen kaum noch wahr und fühlen uns auch nicht bedroht. Dieser Umkreis ist typisch für die Rolle eines Zuschauers während einer Parade oder während er einem öffentlichen Vortrag lauscht.

  • Die soziale Zone.

    Sie reicht von 1,20 bis 3,60 Meter. Es ist der klassische Abstand zu Fremden, Servicekräften, Beamten oder Wartenden am Bahnsteig. Wer so viel Abstand hält, belästigt niemanden. Erst wenn Sie eine gefühlte Armlänge unterschreiten, dringen Sie in die nächste Distanzzone ein…

  • Die persönliche Zone.

    Diese persönliche Distanzzone oder auch Privatsphäre ist Bekannten oder Kollegen vorbehalten. Sie dürfen dabei zwischen 60 Zentimeter und einen Meter an uns heranrücken. Es ist zugleich die Zone, in die jemand beim Begrüßen oder gegenseitigem Vorstellen eindringt. Der sogenannte Armlängen-Abstand ist auch die unsichtbare Grenze beim Smalltalk, bei Konversationen oder einem Verkaufsgespräch in einem Laden. Deshalb sollten sich Fremde in dieser Gesprächsdistanz nur langsam nähern, wenn sie nicht gleich Vorbehalte schüren wollen.

  • Die intime Zone.

    Auch Intimsphäre genannt. Hier hält unser Gegenüber gerade mal 60 Zentimeter Abstand – eine halbe Armlänge oder weniger persönliche Distanz. Dieser Bereich bleibt üblicherweise nur engsten Freunden, der Familie oder dem Partner vorbehalten – zum Beispiel bei einer Begrüßung mit Wangenkuss. Der Körperkontakt zwischen uns und diesen Menschen wird in der Regel sogar als angenehm empfunden. Wer uns aber unfreiwillig so dicht auf die Pelle rückt, den empfinden wir als Bedrohung, aufdringlich, distanzlos – und reagieren mit Ablehnung oder gar Aggression: „Bitte Abstand halten!“

    Natürlich gilt das nicht für den kurzen Moment des Händedrucks oder wenn uns jemand zum Tanzen bittet. Da kommt man sich schon mal näher. Danach aber gehen alle wieder auf den sogenannten Respektabstand.

Wohlgemerkt: Diese Abstände sind westeuropäische Durchschnittswerte und auch keine verpflichtenden Platzhalter. In anderen Kulturkreisen können diese Distanzzonen des Menschen schon ganz anders aussehen.

Psychologische Distanz: Mentalen Abstand gewinnen

Von psychologischer Distanz (Construal Level Theory genannt) spricht man wiederum im Zusammenhang von mentaler Abstraktion. Gemeint ist damit die Fähigkeit, zu einem Problem oder einer belastenden Situation gedanklichen und emotionalen Abstand zu gewinnen, um das Problem besser lösen zu können. Das schließt die zeitliche, räumliche und soziale Entfernung durchaus mit ein.

Je größer der Abstand zu einem Ort oder einem Ereignis ist, desto abstrakter können wir darüber denken. Das ist zum Beispiel auch das Ergebnis von Studien um die Psychologen Nira Liberman von der Universität in Tel Aviv und Yaacov Trope von der New York Universität. Danach hängen unsere Empfindungen und die Entfernung von Orten, Zeitpunkten und Ereignissen stark zusammen.

Wenn uns etwas zu nahe geht, sind wir kaum noch in der Lage klar zu denken oder eine rationale Entscheidung zu treffen. Die Gedankenreise der psychologischen Distanz und mentalen Abstraktion hilft uns dann, eine andere Perspektive einzunehmen und die Situation nahezu wie ein Außenstehender zu betrachten. Wir gewinnen dadurch wieder Neutralität und können die Lage abstrakter analysieren. Hohe psychologische Distanz ist daher auch ein Zeichen für mentale Stärke und Resilienz.

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Distanzzonen: Ausnahmen und kulturelle Unterschiede

In sogenannten Kontaktkulturen, wie in Lateinamerika oder im arabischen Raum, darf man sich deutlich näher kommen. Ebenso gibt es auch hierzulande einige Ausnahmen: Menschen bestimmter Berufsgruppen etwa dürfen uns temporär deutlich näher auf die Pelle rücken – Ärzte zum Beispiel, Frisöre oder Schuhverkäufer.

Ausnahmen gelten aber auch in Aufzügen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Disco. Diese können aber ebenfalls – wie oben beschrieben – starken Stress und Unbehagen auslösen.

Und nicht zuletzt spielt beim Distanzverhalten auch unsere individuelle Prägung eine Rolle: Extrovertierte Persönlichkeiten kommen Ihrem Gegenüber schon mal näher oder berühren diese sogar. Für manch introvertierten Charakter ist dagegen schon die persönliche Zone zu nah.

Das Wissen um diese jeweiligen Distanzzonen hilft daher, die körpersprachlichen Signale Ihres Gegenübers besser einzuschätzen und auch mögliche Reaktionen besser einzuordnen. So zeigen die Hall’schen Zonen, ab wann mangelnde Distanz in Antipathie umschlagen kann.

Macht Ihr Gegenüber beispielsweise einen Schritt zurück, muss das nicht zwingend ein Signal für Ablehnung oder Desinteresse sein. Sie sind der Person vielleicht nur zu nahe gekommen. Mit entsprechenden Folgen.

Wer diese unsichtbaren Grenzen unterschreitet, findet für seine Ideen und Vorschläge in der Regel kaum Gehör. Das Unbehagen überschattet dann auch den bestgemeinten Rat.

Wer solche Anstands- und Abstandsregeln aber beherzigt, bleibt in der Regel nicht nur sympathischer – er kommt den Menschen auch psychisch deutlich näher.

[Bildnachweis: Doppelganger4 by Shutterstock.com]

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