Skandal überleben: Was geht mich das an?
In einen handfesten Skandal verwickelt zu werden, der mediale Wellen schlägt, passiert wohl den wenigsten von uns. Zum Glück! Ein solcher Skandal bedroht nicht nur das bisherige Lebenswerk, alles, was man sich aufgebaut, für das man gearbeitet, geschuftet und vielleicht auch gelitten hat, sondern obendrein auch die berufliche Zukunft, womöglich sogar das Privatleben.
Um so etwas brauche ich mir keine Sorgen zu machen, mein Arbeitgeber ist viel zu klein für solch einen handfesten Skandal. Eine weit verbreitete und zum Teil durchaus nachvollziehbare Einstellung. Die Erfahrung zeigt, dass Skandale vor allem im Top-Management und in Großkonzernen passieren. Es sind die Vorstandsvorsitzenden, die Aufsichtsräte, Manger, Geschäftsführer oder hohen Politiker, von denen man in der Zeitung liest und deren Gesichter auf jeder Internetseite abgebildet werden.
Eine Wahrnehmung, von der Sie sich nicht täuschen lassen sollten: Ja, medienwirksame Skandale sind den Persönlichkeiten vorbehalten, die in einer öffentlicheren Position stehen, deren Namen man kennt, die Verantwortung für Millionen Euros und tausende Mitarbeiter tragen.
Das bedeutet aber nicht, dass es Skandale nicht auch in kleinerem Rahmen, aber mit ebenso großen Folgen für die Betroffenen gibt. Dabei landen Sie zwar nicht auf der Titelseite und es gibt auch keine Sondersendungen im Fernsehen, Ihren Job, Ihren guten Ruf und Ihre beruflichen Chancen können Sie aber dennoch los sein.
Wie kann man in Skandale verwickelt werden?
Skandale sind gleich aus zwei Gründen besonders unangenehm: Man muss Sie nicht selbst verursachen, um von ihnen betroffen zu sein und die dahinter stehenden Gründe und Ursachen müssen nicht einmal der Wahrheit entsprechen, damit ein Skandal seine negativen Effekte entfaltet. Wird der eigene Name erst einmal mit einem Skandal in Verbindung gebracht, ist es fast schon egal, ob sich die Anschuldigungen als berechtigt herausstellen – der Schaden ist ohnehin schon entstanden.
Umso ärgerlicher, wenn man selbst überhaupt nichts dafür kann. Es kann schon reichen, dass der Kollege bei einem größeren Gemeinschaftsprojekt ordentlich daneben greift oder der Chef sich mit seinen Entscheidungen in der Branche viele Feinde macht.
Plötzlich steckt man selbst mitten im Skandal, weil der eigene Name nun mal auch im Projekt auftaucht oder man im Gespräch und bei späteren Bewerbungen natürlich seinen letzten Arbeitgeber angibt. Das Ergebnis im schlimmsten Fall: Sie werden von vornherein abgestempelt, werden mit diversen Vorurteilen konfrontiert und erhalten erst gar keine wirkliche Chance.
Auf der anderen Seite kann man natürlich auch ganz alleine für einen Skandal sorgen. Arbeitsmaterialien unerlaubt entfernen, wichtige und geheime Unternehmensinformationen an Außenstehende weitergeben, einem Kunden falsche Tatsachen vorspielen und ihn damit über den Tisch ziehen, beim Lebenslauf lügen und Qualifikationen dazudichten oder möglicherweise auch die eigene Arbeitsweise, mit der man sich in der Branche einen zweifelhaften Ruf erarbeitet hat.
Möglichkeiten für Skandale gibt es viele. Diese wirken vielleicht weniger imposant wie ein Manager, der Millionen veruntreut hat oder ein Konzern, der Zahlen gefälscht hat, doch wirkt ein solcher Skandal genauso den beruflichen Abstieg und verbaut im schlimmsten Fall die berufliche Zukunft.
Skandal überleben: Aber wie?
Einmal ins Rollen gekommen, ist ein Skandal nur noch schwer zu stoppen. Klatsch und Tratsch funktioniert nicht nur innerhalb eines Unternehmens meist sehr gut und so spricht sich schnell in der gesamten Branche herum, wenn etwas im Argen liegt. Wenn sich aber nicht verhindern lässt, dass andere davon erfahren, bleibt die Frage: Wie sollte man reagieren?
Wirklich Mut machen bekannte Beispiele schließlich nicht. Skandale, die in der Öffentlichkeit und in den Medien heiß diskutiert werden, enden in der Regel mit einem Rücktritt, einem Rausschmiss oder schlimmstenfalls mit einer Gerichtsverhandlung. Vorausgesetzt der Skandal beinhaltet keine illegalen Aktivitäten, geht es in erster Linie darum, die Auswirkungen auf den Job so minimal wie möglich zu halten. Aber geht das überhaupt?
Für die Wirtschaft gibt es hierzu kaum nennenswerte Studien – dafür aber für die Politik.
In einer 1996 veröffentlichten Untersuchung* wurden dazu die Laufbahnen von Politikern, die in Skandale gerieten, über einen Zeitraum von 1949 bis 1993 ausgewertet. Das Ergebnis: Die Verteidigungsstrategie hatte erheblichen Einfluss auf deren weitere Laufbahn.
- Rund 24 Prozent der Staatsmänner setzten auf Ehrlichkeit und gestanden ihre Schuld öffentlich ein. Das war dumm. Von ihnen blieb nur ein Drittel im Amt.
- 28 Prozent dementierten die Vorwürfe, stritten alles ab oder spielten das Gezeter herunter. Immerhin rund 44 Prozent von ihnen konnten so ihre Haut retten.
- Die Mehrheit (rund 46 Prozent) aber wählte den erfolgreichsten Weg: Sie rechtfertigten sich, indem sie besondere Umstände oder mangelhafte Informationen anführten beziehungsweise auf höhere Ziele verwiesen. Knapp zwei Drittel von ihnen behielten so ihre Ämter und Würden.
Die Studie zeigt dreierlei:
- In einer solchen Lage nichts zu tun und zu hoffen, dass der Sturm vorüberzieht, führt mit Sicherheit in den Untergang.
- Dementis ohne glaubhafte Begründung verhallen entweder wirkungslos oder entfalten nur geringe Kraft. Am besten bekommt einem die wohlüberlegte Ausrede.
- Der Ehrliche ist tatsächlich der Dumme.
Sollten Sie tatsächlich einmal in einen Skandal geraten und wollen ihre berufliche Situation retten, fahren Sie vermutlich am besten, indem Sie die Schuld jemand anderem oder im Notfall den Umständen fehlerhafter Informationen in die Schuhe schieben.
Allerdings bleibt die Frage, ob Sie diese Strategie auch mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, da Sie bei diesem Vorgehen vermutlich nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst belügen.
*Geiger, Thomas; Alexander Steinbach: Auswirkungen politischer Skandale auf die Karriere der Skandalierten. In: Jarren, Otfried u. a. (Hrsg.): Medien und politischer Prozeß. Westdeutscher Verlag 1996