Definition: Was ist überhaupt rational?
Als rational wird ein vernunftgeleitetes, zweckgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet. Die sogenannte „ratio“ beschreibt wie der vernünftige Verstand arbeitet: nicht intuitiv (aus dem Bauch heraus), sondern berechnend, abwägend, analytisch, logisch, begründet – kurz: rational.
Hinter den Begriffen rational und Rationalität steckt nicht zuletzt unser Bedürfnis, die eigenen Entscheidungen und Handlungen für Außenstehende verständlich und nachvollziehbar zu machen. Ein rationales Denken und Handeln gilt mehrheitlich als angemessen und wohlbegründet. Und wer rational entscheidet, kann für seine (bewusste) Entscheidung gute Gründe nennen – erst recht, wenn er oder sie damit ein bestimmtes Ziel erreichen will.
Dieses rationale Denken kann in Beruf und Privatleben viele Vorteile haben. Kann – muss aber nicht. Ebenso können wir uns nicht alle und jederzeit rational verhalten oder rational entscheiden. Unvernunft und Spontanität können durchaus erfrischend sein. Und nicht zuletzt werden wir von zahlreichen Faktoren beeinflusst, ohne es zu merken.
Rational und wahr sind nicht dasselbe!
Rationalität wird gerade dann als Stärke angesehen, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Nur wer vernünftig nachdenkt, eine ausgewogene Argumentation vorbringt und kognitiv-logisch handelt, kann – so die allgemeine Überzeugung – die besten Ergebnisse erzielen. Weil der Zweck und unsere eingesetzten Mittel abner unterschiedlich bewertet werden, ist es nicht immer eindeutig, was vernünftig oder rational ist. Viele Philosophen der Moderne, darunter Max Weber und Karl-Otto Apel, sehen daher nicht die EINE Rationalität, sondern sprechen von verschiedenen Rationalitäten der einen Vernunft.
Beispielsweise wird von objektiver Rationalität gesprochen, sobald wir etwas nach den Gesetzen der Naturwissenschaften und Mathematik messen können. Allerdings sollten wir niemals den Fehler machen, „rational“ mit „wahr“ gleichzusetzen. Die Bewertung ist immer abhängig von dem aktuellen Wissen. So führen Zeitmangel und Halbwissen immer wieder zu Entscheidungen, die sich in der Rückschau als alles andere als logisch, klug oder rational erweisen.
Was ist das Gegenteil von rational?
In der Philosophie wird das rationale Denken seit der Aufklärung stetig höher bewertet. Der französische Philosoph René Descartes war es, der schon im 17. Jahrhundert den Satz „Ich denke, also bin ich“ prägte und damit das Denken über das Fühlen erhob. Nach dieser Lesart ist rational, wer nachdenkt. Das Gegenteil zum rationalen Denken ist demnach die Emotion oder Intuition – kurz: Handeln nach Gefühl.
Dahinter steckt allerdings ein weit verbreiteter Denkfehler. Die Intuition kann ebenfalls rational sein – in dem Sinne, dass es durchaus einen validen Grund für die Entscheidung gibt. Nur können wir in diesem Fall nicht sofort und ad hoc eine „rationale“ Begründung dafür liefern. Aus der Psychologie und Hirnforschung wissen wir heute, dass unsere Intuition und intuitives Denken und Handeln tatsächlich auf unser gespeichertes Erfahrungswissen zurückgreift. Das Unterbewusstsein arbeitet damit ganzheitlich und wesentlich schneller als unser (rationales) Bewusstsein.
Gefühle sind nicht das Gegenteil von Rationalität
Emotionales und rationales Denken schließen sich nicht aus. Wir können logisch begründbare Entscheidungen durchaus mit großer Leidenschaft und Begeisterung mittragen oder sogar zuerst fühlen, dass es richtig ist und anschließend verifizieren und begründen.
Dass wahre Gegenteil von rational ist irrational. Diese Gedanken und Fehlentscheidungen können zwar unter emotionaler Beteiligung stattfinden – müssen es aber nicht.
Test: Sind Sie ein rationaler Mensch?
Viele Arbeitgeber wünschen sich von Ihren Mitarbeitern Eigenschaften wie schnelle Auffassungsgabe, Analysestärke und rationales Denken. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman konnte unlängst nachweisen, dass Menschen auf zweierlei Arten denken: Schnelles Denken ist häufig fehleranfällig, langsames Denken hingegen oft gründlicher. Kahneman fand heraus, dass das schnelle Denken eher irrational ist, das langsame eher zu rationalem Verhalten führt. Wie Sie selbst ticken, können Sie leicht anhand des folgenden Tests ermitteln – er besteht aus drei Brainteasern:
- Eine Frau ist die leibliche Mutter zweier Söhne, die zur selben Stunde am selben Tag im selben Jahr geboren wurden. Trotzdem sind die Kinder keine Zwillinge. Wie ist das möglich?
- Michael guckt Leonie an, Leonie guckt Lars an. Michael ist verheiratet, Lars ist Single. Blickt eine verheiratete Person auf eine unverheiratete?
- Fünf Maschinen stellen fünf Produkte in fünf Stunden her. Wie lange brauchen zehn Maschinen für zehn Produkte?
Die Lösungen finden Sie hier:
Die Frau ist tatsächlich Mutter von Drillingen geworden.
Ja. Falls Leonie (über deren Status keine Aussage getroffen wird) unverheiratet sein sollte, wird sie vom verheirateten Michael angeschaut. Ist sie selbst verheiratet, blickt sie ihrerseits auf eine unverheiratete Person – nämlich Lars.
Fünf Stunden. Die Schnelligkeit der Maschinen für die Herstellung ist unverändert. Die Menge der Produkte ergibt sich aus der Anzahl der Maschinen.
Hätten Sie es gewusst? Besonders rationale Menschen haben mit solchen logischen Knobelaufgaben wenig Probleme und können diese schnell beantworten. Bitte denken Sie aber nicht, dass Sie dumm oder weniger intelligent sind, wenn Sie die Lösung nicht sofort gefunden haben. Das wäre wieder nicht rational!
Handeln wir wirklich immer logisch?
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es durchaus sinnvoll, dass Entscheidungsprozesse möglichst rational und nachvollziehbar ablaufen. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn die Entscheidungen strukturiert, sachlich begründbar und transparent getroffen werden, eine Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigen sowie auf ein konkretes Ziel ausgerichtet sind. Doch genau darin liegt das Problem: Hinter unseren Zielen stehen häufig persönliche Werte oder Wünsche. Sie sind oft alles andere als rational, sondern manipulierbar – und nicht selten erliegen wir dabei unseren eigenen Glaubenssätzen oder Vorurteile.
Ein Beispiel: Reichtum gilt für viele Menschen als erstrebenswert, so wie viele Unternehmer stetig wachsen und ihren Umsatz und Gewinn steigern wollen. Das klingt rational – aber ist es das auch? Reichtum um jeden Preis? Oder nur um Menschen damit zu beeindrucken, die uns herzlich egal sein können und sollten?
Wir sind manipulierbar bis in die Haarspitzen
Gleich mehrere Studien belegen, dass Menschen durch bestimmte Umstände in ihren Entscheidungen leicht zu beeinflussen sind (siehe: Confirmation Bias und Psychoeffekte). Trotzdem erscheinen uns viele unserer Entscheidungen rational – wie kommt das?
Kurze Antwort: Wir schummeln. Es ist ein klassischer Fall von Selbstbetrug: Weil niemand zugeben will, dass er eine Wahl aufgrund von Sympathien (zum Beispiel bei der Bewerbung), persönlichen Vorlieben oder höchst subjektiven und schwer nachprüfbaren Kriterien getroffen hat, erfinden wir rationale Scheinargumente dafür. Motto: „Die Kandidatin hatte aber mehr Erfahrungen…“ Oder: „Wir brauchen dringend jemanden wie…“ Und gerade unter Stress verhalten sich Menschen oft alles andere als rational…
Theorie der rationalen Entscheidung
In den Sozialwissenschaften, in der Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre existiert die „Theorie der rationalen Entscheidung“ (Englisch: „rational choice theory“). Dahinter verbirgt sich eine Handlungserklärung, die davon ausgeht, dass Menschen vernünftig handeln, sodass der größtmögliche Nutzen bei geringstem persönlichen Aufwand herauskommt. Das klingt egoistisch, muss es im Ergebnis aber gar nicht sein. Beispielsweise kann eine NGO versuchen, möglichst viele Dorfbewohner in einem indischen Ort mit frischem Trinkwasser zu versorgen. Sowohl das Ansinnen wie auch das Projektmanagement können rational sein.
Die „Rational Choice“ gibt es ebenfalls in der Kriminologie: Dort beschreibt sie, wie eine Gesellschaft per Gesetz Einfluss auf rationale Entscheidungen der Bürger nimmt. Beispielsweise indem regelkonformes Verhalten belohnt und kriminelles Verhalten bestraft wird. Die Theorie der rationalen Entscheidung liefert damit auch eine plausible Erklärung dafür, warum einige Topmanager trotz hoher Gehälter kriminell werden: Dahinter steckt schlichtweg eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Die Strafen schrecken entweder nicht ab oder die Manager kalkulieren das Risiko, erwischt zu werden, als zu gering ein.
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