Was genau ist Hartz IV und wer hat darauf Anspruch?
Der Begriff Hartz IV steht für das Arbeitslosengeld II (ALG II), das im Zuge der Hartz-Reformen 2005 eingeführt wurde. Es fasst die Sozialhilfe und die bisherige Arbeitslosenhilfe zusammen und soll Arbeitssuchenden eine Grundsicherung bieten. Das ALG II wird zeitlich unbegrenzt gewährt, solange man sich aktiv um einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bemüht, und ist eine reine Sozialleistung des Staates.
Davon abzugrenzen ist das Arbeitslosengeld I (ALG I) als Versicherungsleistung, das zeitlich begrenzt – abhängig von der Dauer der Einzahlung – ausgezahlt wird. Als Sozialleistung ist das ALG II hingegen an den Bedarf gekoppelt. Der Staat legt Regelsätze fest: eine alleinstehende Person hat zurzeit Anspruch auf Unterstützung in Höhe von 416 Euro monatlich – die Kosten für Wohnung, Krankenversicherung, etc. wird ebenfalls übernommen.
Anspruch hat generell, wer mindestens 15 Jahre alt ist und das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, täglich mindestens drei Stunden arbeiten kann und seinen Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern kann. Dazu gehören auch Selbstständige, wenn diese in ihrer Tätigkeit zeitweise zu wenig verdienen, um davon zu leben.
Hintergrund: Warum benötigen viele Freiberufler Hartz IV?
Obwohl die Selbstständigkeit zahlreiche Vorteile mit sich bringt, kann insbesondere die Solo-Selbstständigkeit sehr herausfordernd sein, wenn zum Beispiel vorübergehend Auftragsflaute herrscht. Generell lässt sich bei Betrachtung der Einkommenssituation von Selbstständigen ein sehr starkes Gefälle feststellen: laut DIW verdienen Alleinunternehmer aber durchschnittlich mehr als abhängig Beschäftigte.
Auch der aktuelle Freelancer-Kompass 2018 zeigt am Beispiel der IT- und Engineering-Branche, dass die Freelancer-Tätigkeit mit einem durchschnittlichen Stundensatz von über 90 Euro sehr lukrativ erscheint. Jedoch verfügen Solo-Selbstständige branchenübergreifend relativ häufig über ein monatliches Nettoeinkommen von nur rund 1000 Euro, während sich bei Selbstständigen mit Beschäftigten eine Spitze bei über 2000 Euro zeigt.
Gerade für Freelancer kann es daher schwierig sein kann, langfristig Gewinn zu erwirtschaften und Rücklagen zu bilden. Diese fehlen dann, falls Aufträge ausbleiben oder andere unvorhergesehene Ereignisse eintreffen. Da ein Anspruch auf ALG I nach einer Selbstständigkeit nur unter gewissen Voraussetzungen besteht, zum Beispiel, wenn eine freiwillige Arbeitslosenversicherung abgeschlossen wurde, kann ein ALG-II-Antrag notwendig sein, falls das Einkommen nicht zum Leben reicht.
Auch wenn etwa der Partner kurzfristig seine Arbeit verliert und man als Selbstständiger plötzlich Alleinverdiener ist, kann das Freelancer-Gehalt möglicherweise nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt für den gemeinsamen Haushalt zu erwirtschaften.
Voraussetzungen: Als Freiberufler Hartz IV erhalten
Laut Sozialgesetzbuch II (SGB II) dürfen ALG-II-Empfänger freiberuflich tätig sein. Das heißt, dass umgekehrt auch Selbstständige generell Anspruch auf ALG II haben, wenn sie laut §7 SGB II als erwerbsfähig und hilfebedürftig erachtet werden. Hilfebedürftig ist, wer mit seinem Einkommen seinen Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern kann.
Bezieht man als Selbstständiger ALG II, muss man keine Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit beachten. Wichtig ist, dass die Fortsetzung der freiberuflichen Tätigkeit nur dann gewährt wird, wenn es eine positive Prognose für die Zukunft gibt. Es muss entsprechend absehbar sein und durch eindeutige Zahlen belegt werden, dass die staatliche Unterstützung nur vorübergehend benötigt wird und die Bedürftigkeit in naher Zukunft überwunden werden kann.
Der Bewilligungszeitraum für ALG-II-Leistungen beläuft sich grundsätzlich zunächst auf sechs Monate. Wichtig: Der Antrag für ALG-II-Leistungen sollte so schnell wie möglich gestellt werden – sobald die Bedürftigkeit eintritt, da die Leistungen frühestens ab dem Monat gezahlt werden, in dem sie beantragt wurden.
Finanztipps für Selbstständige
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Einbußen erkennen, Engpässe frühzeitig absichern
Da man als Selbstständiger nicht mit einem festen monatlichen Gehalt planen kann und man dementsprechend größeren Gehaltsschwankungen konfrontiert ist, ist es besonders wichtig, einen guten Überblick über das eigene Budget zu behalten und im Fall der Fälle rechtzeitig zu handeln.
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Solides Finanzkonzept erstellen und weiterentwickeln
Ein Finanzkonzept im Businessplan ist gerade am Anfang der Selbstständigkeit besonders wichtig, um eine Orientierung zu haben. Enthalten sein sollte die Kapitalbedarfsplanung, alle Investitionen (ob kurz-, mittel- oder langfristig), sowie die Planung der Finanzierung und der Liquidität. Im Laufe der Zeit sollten die Zahlen weiterhin kontrolliert und je nach aktueller Lage angepasst werden.
Gerade am Anfang der Selbstständigkeit stehen oft die Gründungskosten oder größere Investitionen im Fokus, laufende Kosten dürfen aber ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Dazu zählen nicht nur Kosten für die berufliche Tätigkeit (zum Beispiel Internet, Strom, Versicherungen, Steuern, etc.), sondern auch die laufenden privaten Kosten.
Auch diese müssen durch die selbstständige Tätigkeit gedeckt werden. Die laufenden Kosten sollten daher frühzeitig mit einkalkuliert werden. Zudem kann man sowohl bei größeren Investitionen zu Beginn, als auch bei den laufenden Kosten prüfen, ob es günstigere Alternativen gibt und ob in dem ein oder anderen Bereich Einsparungen möglich sind.
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Steuern im Blick behalten
Die erwartete Steuerlast als Selbstständiger kann mithilfe des Steuer-Rechners des Finanzamtes grob ausgerechnet werden. Das Finanzamt legt für Steuerzahlungen regelmäßige Vorauszahlungen fest, die im Laufe des Jahres geleistet werden müssen. Allerdings können durchaus Nachzahlungen eingefordert werden, die nicht im eigenen Budget eingeplant waren. Hierfür ist ein finanzielles Polster besonders wichtig, das in Zeiten mit höheren Gewinnspannen aufgebaut werden sollte.
Bei größeren Ausgaben und Investitionen lohnt es sich, vorausschauend zu handeln: während kleinere Anschaffungen im Wert von bis zu 410 Euro sofort steuerlich abgeschrieben werden können ist es möglich, größere Investitionen über mehrere Jahre abzuschreiben.
Selbst wenn eine Anschaffung erst in ein paar Jahren geplant ist, kann es sich lohnen dafür bereits jetzt zu sparen, da so ein jährlicher Sparbetrag von der Steuer abgeschrieben werden kann. Jede Investition, die steuerlich absetzbar ist, mindert den zu versteuernden Gewinn, weshalb es sich lohnt, seine Ausgaben genau zu überprüfen.
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Zahlungsfristen im Blick behalten
Da Selbstständige oftmals bei Aufträgen in Vorleistung gehen, kann es passieren, dass trotz lukrativer Aufträge vorübergehend kaum Geld eingenommen wird. Dies kann unter anderem an langen Zahlungsfristen oder daran liegen, dass Kunden im Zahlungsverzug sind.
Es bietet sich daher an, Rechnung zeitnah auszustellen und Zahlungsfristen generell so zu setzen, dass die laufenden Kosten gedeckt werden können. Bei längerfristigen Aufträgen kann man eine Entlohnung in Teilzahlungen oder einen Vorschuss vereinbaren.
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Rücklagen bilden
Falls Kunden ihre Rechnung nicht innerhalb der gesetzten Fristen bezahlen, man zeitweise keine neuen Aufträge erhält oder Steuernachzahlungen fällig werden, kann es schnell zu Liquiditätsengpässen kommen.
Um dies zu verhindern ist es wichtig, in Phasen, in denen es finanziell gut läuft, möglichst Geld zur Seite zu legen, das nach Bedarf schnell verfügbar ist. Hier wäre zum Beispiel ein Tagesgeldkonto empfehlenswert.
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Versicherungen
Um sich betrieblich wie privat abzusichern, stehen zahlreiche Versicherungen zur Verfügung. Relevant für private Risiken sind unter anderem die gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung sowie die freiwillige Arbeitslosenversicherung.
Versicherungen für die betriebliche Absicherung sind je nach Geschäftswelt unterschiedlich sinnvoll. Es ist daher ratsam, sich genau über die verschiedenen Versicherungsangebote zu informieren und abzuwägen, welche für die eigene berufliche Situation wichtig sein könnten.
ALG-II-Antrag stellen: So bekommen Freiberufler Geld
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Jobcenter aufsuchen
Kommt man als Selbstständiger in die Situation, ohne staatliche Unterstützung seinen Lebensunterhalt nicht mehr sichern zu können, sollte man sich zunächst beim zuständigen Jobcenter melden. Vor Ort kann man einen formlosen Antrag stellen. Hier werden auch die Daten des Antragstellers aufgenommen, weshalb es sich empfiehlt einen Lebenslauf, gegebenenfalls Nachweise über bereits erhaltene staatliche Leistungen, sowie Dokumente zu Beginn und Art der Selbstständigkeit mitzubringen. Die für die Antragstellung benötigten Dokumente und Checklisten werden dort ebenfalls ausgehändigt. Alternativ können diese auch online heruntergeladen und ausgedruckt werden.
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Einkommens- und Vermögensnachweise
Der Antrag umfasst unter anderem Einkommens- und Vermögensnachweise. Als Vermögen wird alles verstanden, was zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vorhanden ist. Der Gesetzgeber gewährt einen vom Alter und der Lebenssituation abhängigen Freibetrag und nicht anrechenbares Vermögen wie Wohneigentum oder Kraftfahrzeuge, solange diese als angemessen erachtet werden. Als Einkommen wird hingegen all das bezeichnet, das nach der Antragstellung hinzukommt.
Hinweis: Das Einkommen von Selbstständigen im Bewilligungszeitraum kann nur geschätzt werden. Daher ist das Formular EKS der Bundesagentur für Arbeit auszufüllen, in dem die erwarteten Ein- und Ausgaben angegeben werden müssen. Übrigens: seit Beginn 2008 wird das Einkommen nur anhand des Bewilligungszeitraums ermittelt. Das heißt, dass zum Beispiel nur Ausgaben berücksichtigt werden, die in den Bewilligungszeitraum fallen und die als angemessen bewertet werden.
Anhand der Angaben beurteilt das Jobcenter, ob Unterstützung durch das ALG II gewährt werden kann. Zusätzlich ist es möglich, dass Nachweise von tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben der vorherigen sechs Monate oder eine Einnahmen-/Überschussrechnung für das letzte Kalenderjahr angefordert werden.
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Leistungen
Nach Abgabe des Antrags erhält der Antragsteller anhand der vorläufigen EKS einen vorläufigen Bescheid des Jobcenters, ob Unterstützung für den beantragten Zeitraum bewilligt wurde. Dies geschieht jedoch nur unter Vorbehalt: spätestens zwei Monate nach Ende des Bewilligungszeitraums muss der Antragsteller eine abschließende EKS mit den tatsächlichen Ein- und Ausgaben ausfüllen und einreichen. Falls die Schätzung zu hoch oder zu niedrig ausgefallen ist, muss der Antragsteller entweder bewilligte Leistungen zurückzahlen oder hat Anspruch auf eine Nachzahlung.
Übrigens: Als ALG-II-Bezieher hat man Anspruch auf das Einstiegsgeld der Bundesagentur für Arbeit, das als befristeter Zuschlag zur Regelleistung eine Starthilfe für eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit bietet. Dies ist jedoch nur möglich, wenn es sich um einen Neueinstieg in die hauptberufliche Selbstständigkeit oder um einen Übergang einer nebenberuflich ausgeübten in eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit handelt.
Dahinter steht die Idee, dass durch die zusätzliche Förderung der erfolgreiche Start in eine unabhängige Selbstständigkeit erleichtert werden soll. Für die Bewilligung des Einstiegsgeldes ist eine positive Prognose grundlegend: es muss absehbar sein, dass durch die Selbstständigkeit langfristig genügend Einnahmen erzielt werden, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern.
Hartz IV oder zurück in das Angestelltenverhältnis?
Ist absehbar, dass die selbstständige Tätigkeit nicht profitabel wird, man generell nicht mehr eine so große finanzielle Verantwortung tragen oder gar die Selbstständigkeit aufgeben möchte, bleibt der Weg zurück ins Angestelltenverhältnis. Hier gilt es, sich selber genau zu überlegen, welche Aspekte der Selbstständigkeit für die eigene Situation problematisch sind, was man ändern möchte und welche Ziele man sich selber für die Zukunft setzt.
Ein solcher Wechsel kann oftmals viel Geduld erfordern, kann sich aber lohnen. Besonders wichtig ist, im Bewerbungsprozess seine Stärken zu betonen, die man aus der Selbstständigkeit gewonnen hat, wie das Know-how, eigenständiges Arbeiten oder Organisationstalent. Man sollte generell auf eine Strategie „hin zum neuen Job“ setzen und in seinem Anschreiben gezielt auf den eigenen Wechselwunsch hinweisen, sich aber nicht rechtfertigen. Vielmehr sollte man den Fokus auf den Mehrwert, den man dem Unternehmen bringt, sowie die eigenen Ziele setzen.
Fazit: Das müssen Freelancer wissen
Trotz der zahlreichen Vorteile, die die Selbstständigkeit mit sich bringt, sehen sich Freiberufler vielen Risiken ausgesetzt, welche die eigene Existenz bedrohen können. Unter Umständen ist staatliche Unterstützung durch Hartz IV daher zeitweise die letzte Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Als Selbstständiger hat man generell Anspruch auf ALG-II-Leistungen, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, und darf gleichzeitig ohne Stunden-Obergrenze in seiner selbstständigen Tätigkeit weiterarbeiten. Das Beantragen der staatlichen Unterstützung ist jedoch ein relativ aufwendiger Prozess, da durch die Selbstständigkeit kein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftet wird und daher die Bewilligung der Leistungen unter anderem auf Schätzungen beruht.
Dadurch sind spätere Nachzahlungen, aber auch Rückforderungen möglich. Grundsätzlich gilt aber: Es muss belegt werden, dass die Unterstützung nur vorübergehend benötigt wird und die berufliche Tätigkeit in absehbarer Zeit wieder genügend Gewinn bringt.
Generell sollte man gerade zu Beginn seiner Selbstständigkeit seine Einnahmen und Ausgaben genau im Blick behalten und seinen Finanzplan anhand dessen fortlaufend aktualisieren, sodass gegebenenfalls rechtzeitig Möglichkeiten der Finanzierung gefunden werden können und Unterstützung durch ALG II vermieden werden kann.
Über den Autor
Thomas Maas war bereits selbst als Freelancer tätig. Heute ist er CEO von freelancermap und setzt sich auf seiner Plattform dafür ein, dass professionelle Freelancer, Freiberufler, Selbstständige und Unternehmen für die Arbeit an spannenden Projekten zusammenfinden können.
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