Werbung
Werbung

Gig-Working: Ausbeutung oder Alternative?

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Arbeitsmarkt stark geändert. Technische und digitale Entwicklungen, aber auch ein durch die Weltwirtschaftskrise geschüttelter Stellenmarkt hat Arbeitsformen wie das Gig-Working hervorgebracht. Das ist eine zeitlich befristete Tätigkeit, die neben dem hauptberuflichen Job oder anstelle dessen ausgeübt werden kann. Die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig und hängen vom persönlichen Kenntnis- und Bildungsstand ab. Welche Chancen und Risiken Gig-Working bietet…



Gig-Working: Ausbeutung oder Alternative?

Anzeige

Gig-Work Definition: Von einem Auftrag zum nächsten

Drei Begriffe tauchen im Zusammenhang mit Gig-Working immer wieder auf: Gig-Work, Gig-Economy und Gig-Jobs.

Sie hängen alle miteinander zusammen. Während Gig-Work und Gig-Jobs sich auf Aufgaben bezieht, ist mit Gig-Economy besagter Arbeitsmarkt gemeint, der Arbeitnehmern einen zeitlich befristeten Job anbietet. Als Gig-Working wird bezeichnet, wenn Sie Ihren Lebensunterhalt mit solchen Tätigkeiten bestreiten.

Der Begriff Gig ist aus der Musikbranche bekannt. Man spricht von Gig, wenn Bands einen bezahlten Auftritt haben. So, wie ein Musikauftritt nur von kurzer Dauer ist, sind auch Gig-Jobs nur vorübergehend. Dabei ist Gig-Working auf keine Branche festgelegt.

Klassische Beispiele hierzulande sind Fahrradkuriere für Essenslieferungen wie von Deliveroo oder Foodora. Gleichzeitig gibt es kaum Bereiche, in denen Gig-Working nicht möglich wäre. Grundvoraussetzungen sind meist eigene Arbeitsmaterialien und ein Internetzugang.

Der ist schon allein dafür notwendig, dass der Arbeitnehmer zum Job findet. Gig-Working funktioniert häufig über entsprechende Plattformen, die sich als Vermittler zwischen Auftraggeber und Gig-Worker sehen. Fahrradkuriere bringen ihr eigenes Rad für den Auftrag ein.

Für Gig-Working beim amerikanischen Personenbeförderungsservice Uber brauchen die Fahrer einen eigenen Wagen. Gig-Working lässt sich aber genauso gut als Heimarbeit vom eigenen Laptop aus bewerkstelligen.

Typische Tätigkeiten sind dann Jobs als Designer, Redakteure oder Texter. Freelancer betreiben Gig-Working. Es handelt sich also um freie Mitarbeit, wie sie auch für Promotionjobs bekannt ist.

Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass es keine feste Definition des Gig-Workers gibt. Keynote-Speaker, Redner, Consultants, Contractors und Entrepreneure teilen sich viele Merkmale, ebenso wie beispielsweise der Interim Manager.

Sie alle betreiben Gig-Working, dennoch haben letztgenannte wenig gemein mit Fahrradkurieren oder Uber-Fahrern.

Anzeige

Kennzeichen kurzfristiger Jobs

Die Bezahlung kann auf Stundenlohnbasis erfolgen oder es wird mit Abschluss eines Projektes eine Pauschale vereinbart. Bei längerfristigen Jobs sind auch Gehälter möglich, beispielsweise bei solchen, die in Vollzeitarbeit münden, wenngleich das untypisch ist.

Was bedeutet das für den Arbeitnehmer? Gig-Working steht im Gegensatz zum traditionellen Arbeitsverhältnis, das häufig durch Festanstellung geprägt ist. Dort sind Jobwechsel deutlich seltener und wenn, dann häufig als bewusster Karriereschritt geplant.

Gig-Worker hingegen sind deutlich flexibler und frei in ihren Entscheidungen, welchen Auftrag sie annehmen, für welchen Auftraggeber sie arbeiten möchten. Das ermöglicht beispielsweise eine stärkere Abwechslung bei mehreren gleichzeitigen Jobs.

Und gestaltet sich ein Auftrag mal als wenig herausfordernd, dann ist die Langeweile meist nur von kurzer Dauer, so wie der Job insgesamt. Das ermöglicht generell schnelles Handeln, wenn sich eine neue Gelegenheit auftut. Die Mehrheit der typischen Gig-Jobs ist Teilzeitarbeit. Damit lässt sie sich bequem um eigene Termine herumlegen.

Aber das Ganze hat natürlich auch eine Kehrseite. Denn üblicherweise bleiben Sozialleistungen wie eine Krankenversicherung am Arbeitnehmer hängen. Und da das ganze Arbeitsverhältnis auf Kurzfristigkeit ausgelegt ist, ist der Arbeitsplatz nicht besonders sicher, der Arbeitnehmer austauschbar.

Wer seinen Lebensunterhalt mit solchen Jobs bestreitet, hat nicht einfach nur die Wahl, sich seine Auftraggeber selbst aussuchen zu können. Vielmehr muss er mehrere Auftraggeber finden, schon allein aus finanziellen Gründen, da ein einzelner Gig kaum ausreicht – leicht erkennbar am Beispiel eines Kurierfahrers oder Texters.

Gleichzeitig muss dem Finanzamt gegenüber plausibel dargelegt werden, dass mehrere Auftraggeber existieren, um den Vorwurf der Scheinselbständigkeit zu vermeiden.

Anzeige

Ausbeutung oder Chance?

Mit Blick auf die oben bereits angesprochenen Unterschiede muss klar gesagt werden: Wer keinerlei Dienste aus dem technologischen Bereich wie dem Internet anbietet (beispielsweise Software Entwickler) oder sich bereits als qualifizierte Fachkraft (Consultants) oder Führungskraft einen Namen gemacht hat (Interim Manager), wird in der Regel eher weniger von den Vorteilen der Gig-Economy profitieren.

Entstanden ist Gig-Working um 2008 im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die besonders hart in den USA war. Um überhaupt eine Arbeit zu bekommen, haben sich gerade ältere Jobsuchende auf Gig-Working eingelassen und sind teilweise aus dieser Form der Beschäftigung nicht mehr herausgekommen.

Denn für Arbeitgeber ist es praktisch: Einige haben vorübergehenden Bedarf an zusätzlichen, freien Mitarbeitern und können so solche Kosten umgehen, die ihnen durch ein Normalarbeitsverhältnis entstehen würden. Natürlich werden die Produkte dadurch ebenfalls günstiger.

Eine Fahrt mit Uber ist günstiger als ein reguläres Taxi, Übernachtungen via Airbnb sind preiswerter als in Hotels. In Amerika hat das zu einem Anstieg von Gig-Working geführt, der nicht mehr nur so klassische Berufe wie Schauspieler, Musiker, Mitarbeiter aus der Filmproduktion oder Saisonarbeiter betrifft.

Entscheidend dazu beigetragen hat die Digitalisierung und der damit einhergehende Verlust von Arbeitsplätzen. In einigen Fällen ersetzt Software den Arbeitsplatz, in anderen wird deutlich weniger Zeit benötigt.

Anzeige

Gig-Working typisch für Milennials

Gig-Working wird oft mit dem Eintritt der Milennials ins Berufsleben in Verbindung gebracht. Und es scheint zu ihrem Lebensstil zu passen, denn sie wechseln ihre Jobs häufiger. Dieser Generation wird allgemein nachgesagt, dass sie einen größeren Wert darauf lege, dass sich Freizeit und Privatleben gut mit dem Job vereinbaren lassen. Gig-Working ermöglicht ihnen einen deutlich größeren Spielraum als die meisten klassischen Jobs.

Für Larry Alton stellt sich die Situation der Milennials etwas differenzierter dar. Er beschreibt im Magazin Forbes, wie sich zum Zeitpunkt der Weltwirtschaftskrise einige noch in der Ausbildung befanden, andere bereits gerade im Berufseinstieg waren.

Wem dieser geglückt ist, der war fein raus. Auf diejenigen, die während der Krise hingegen einen Job finden mussten, gestaltete sich das deutlich schwieriger. Einstellungsstopps und niedrigere Gehälter waren an der Tagesordnung. Für diese konnte Gig-Working zumindest die kurzfristige Lösung sein.

Aber so generell offen und dem Internet verbunden Milennials auch sind – die Mehrheit (91 Prozent) bevorzugt doch die Annehmlichkeiten eines sicheren Vollzeitjobs.

Zumal sich mit Gig-Working die bis zu 40.000 Dollar hohen Schulden aus der Studentenzeit nur schlecht abbauen lassen.

Situation hierzulande

Nun lassen sich amerikanische Verhältnisse nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Die Zahlen darüber, wie sich Gig-Working weiter entwickeln wird, schwanken. Manche Studien gehen davon aus, dass in Amerika bis 2020 bis zu 40 Prozent aller Arbeitnehmer in irgendeiner Form unabhängig beschäftigt sein werden.

Das McKinsey Global Institute geht ebenfalls von 20 bis 30 Prozent in Europa und den USA aus, die derzeit bereits in Gig-Working tätig sind. Diese Zahlen klingen hoch, entstehen aber dadurch, dass Freiberufler und Freelancer mit festem Kundenstamm ebenso mitgezählt werden wie klassische Gig-Jobs, die über Plattformen vermittelt werden.

Das Hauptproblem ist, dass wenig verlässliche Zahlen zur Plattformökonomie und damit zum Gig-Working vorliegen. Das kritisiert auch Holger Bonin, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kassel und Chefkoordinator für arbeitsmarktpolitische Forschung am privaten Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit.

Er schätzt den Anteil der Jobs der Gig-Economy in den USA auf gerade einmal 0,5 Prozent, und in Deutschland läge er noch darunter. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verhältnisse in Deutschland wie in den USA entwickeln, ist in diesem Bereich nicht abzusehen.

Das hängt zum einen mit dem höheren Bildungsniveau hierzulande zusammen. Tendenziell werden beispielsweise Kurierdienste vor allem von gering Qualifizierten ausgeübt. Zum anderen lassen sich bereits in einigen europäischen Ländern Bestrebungen beobachten, die Absicherungen aus Normalarbeitsverhältnissen auf Gig-Working zu übertragen.

Tipps für Interessierte

Wer sich für Gig-Working interessiert, sollte sich vorab einige Gedanken über seinen weiteren Lebens- und Karriereweg machen. Wer sich bestimmte Dinge leisten und/oder eine Familie gründen möchte, ist auf finanzielle Sicherheit angewiesen.

Dazu kommt, dass Jobhopping im Lebenslauf nicht besonders gern gesehen wird. Es kann als Unbeständigkeit und Konfliktscheue ausgelegt werden.

Andererseits passt Gig-Working typischerweise zu einem bestimmten Alter. Gerade junge Arbeitnehmer wollen sich mehr ausprobieren, Gig-Working gibt ihnen die Gelegenheit dazu. Das ist vor allem ein Vorteil für all diejenigen, die noch nicht so genau wissen, wohin die Reise beruflich gehen soll.

Denn mit Gig-Working gehen sie weder besondere Risiken ein, noch müssen sie große Opfer bringen. Diese Wirtschaft basiert auf Teilzeitjobs und kurzfristige Beschäftigungen, Fluktuation ist also völlig normal. Das erleichtert es Absolventen, Erfahrungen zu sammeln und schneller größere Netzwerke zu bilden.

Allerdings sollten Sie dabei bedenken, dass…

  • Sie genügend Kunden beziehungsweise Auftraggeber haben,
  • Ihre Kunden pünktlich und vollständig zahlen,
  • Sie abgesichert sind, falls Sie durch Krankheit oder Berufsunfall ausfallen,
  • Sie des Weiteren Rücklagen haben, wenn Sie Urlaub oder eine Fortbildung machen wollen.

Letztlich geht es um alle die Sozialleistungen, die ein normaler Arbeitgeber für Sie abführt, also Arbeitslosen- und Rentenversicherung ebenfalls. Vorübergehend mag Gig-Working eine tolle Gelegenheit sein, in verschiedene Tätigkeiten hineinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln.

Dauerhaft sollte das Einkommen so hoch sein, dass Sie mühelos selbst vorsorgen und dennoch Ihren derzeitigen Lebensunterhalt bestreiten können.

Was andere Leser noch gelesen haben

[Bildnachweis: Branislav Nenin by Shutterstock.com]