Wie alles anfing
Jahre ist das jetzt her. Damals, als ich mit dem Bloggen anfing, gab es Facebook, Twitter und Youtube noch nicht. Geschweige denn Google+. Es gab nur Bloghoster wie blogspot.com, blog.de, 20six.de, twoday.net oder myblog.de. Auf denen konnte sich jeder mit wenigen Klicks anmelden und auch gleich losschreiben, Zeugs oft, öfter anonym. Es waren die Pionierjahre der Blogs, in denen Katzencontent noch kein Begriff war, dafür die persönliche Befindlichkeit das individuelle Maß und der „Schwanzvergleich“ die offizielle Messlatte für den Erfolg. Für manche jedenfalls.
Viele haben damals wild experimentiert – mit Texten, mit echten Offenbarungen und falschen Enthüllungen, mit echten und mit Möchtegern-Skandalen. Und mit verschiedenen Rollen. Ich gebe zu, ich war auch so einer. Ich war sogar mal eine Frau. Und das offenbar so überzeugend, dass ich seit dieser Zeit und aus der Fanpost weiß: Männer sind wirklich Schweine. Manche jedenfalls.
Irgendwann laborierte ich dann parallel an meinem ersten Buch, der „Karriere-Bibel“. Schreiben war und ist meine große Leidenschaft, die aber manchmal leider auch Leiden schafft. Insbesondere wenn man schon im Fulltimejob als Journalist schreibt und dann abends weiter schreibt und schreibt und schreibt… teils bis 1 Uhr in der Nacht.
Karriereratgeber gab es natürlich damals schon mehr als die Welt je braucht. Doch genau das war meine Idee: Warum all die 15 Regalmeter Erfolgsprosa durchschmökern, die ich schon beruflich in rund zehn Jahren WirtschaftsWoche lesen musste, wenn sich die jeweilige Essenz auch auf ein, maximal zwei Seiten zusammenfassen ließe? Also schrieb ich ein knappes Jahr an dem Buch, destillierte, extrahierte und komprimierte – und kam Dank des Bloggens rasch auf die Idee, das Vademekum in Tagebuchform aufzuschreiben: Datumsangaben statt Seitenzahlen, ein Buch wie ein Blog.
Ab dem Gedanken war es nur ein Umkehrschluss das Buchmarketing selbst in die Hand zu nehmen – und zwar per Blog zum Buch. Die Geburtsstunde von karrierebibel.de.
In meiner bloggenden Adoleszenz hatte ich gelernt, dass so ein Blog rund 1000 Leser am Tag braucht, damit es genügend Aufmerksamkeit erregt und vielleicht auch auf dem Buchmarkt etwas bewegen kann. Weil Buchverlage glücklicherweise Vorlaufzeiten haben, in denen selbst Berliner Flughäfen bauen können, nahm ich mir für den Aufbau von karrierebibel.de ein halbes Jahr Zeit, die sechs Monate vor dem Erscheinungstermin des Buchs.
Das Buch war da natürlich schon fertig, aber ich schrieb mal wieder weiter, bloggte jeden Tag mindestens einen Artikel, kommentierte bei anderen, verlinkte sie, zitierte sie und erregte Aufmerksamkeit. Die Leserzahlen stiegen.
Design oder nicht sein
Und ich investierte. 1500 Euro in mein erstes Blogdesign. Damals viel Geld für so ein neumodisches Blogdings.
Und ich publizierte unter eigener Domain, nicht mehr bei einem Bloghoster. Es sollte eben kein Blog von der Stange sein, sondern einzigartig, unverwechselbar, technisch auf dem neusten Stand und ausgestattet mit allen wichtigen Funktionen und Tools.
Den dreispaltigen Satz zum Beispiel mit zwei schmalen Sidebars am Rand hatten 2007 erst wenige US-Blogs und eine Handvoll deutscher Blogger. Die dominante Farbe damals übrigens: Rot.
Ich bin überzeugt, das Design hat seinerzeit viel dazu beigetragen, dass die Seite schneller populär wurde als gedacht. Zum Starttermin des Buchs jedenfalls zählte Google-Analytics schon mehr als 1200 Leser am Tag. Klar, war ich darauf mächtig stolz.
Das Blog wird selbstständig
Das Buch wurde dann tatsächlich ein Bestseller (PDF), was aber viel überraschender war: Das Blog wuchs schneller und weiter als gedacht. 2500 Leser nach einem Jahr, 3500 Ende 2008. Ich schrieb inzwischen gut und gerne zwei Artikel täglich, entweder früh morgens zum ersten Kaffee des Tages oder nach Feierabend, zwischen 20 und 23 Uhr – so hatte ich auch mein Buch verfasst.
Die Blogartikel konnte ich in WordPress vordatieren auf den nächsten Tag, sodass sie automatisch online gingen. Nicht wenige davon schrieb ich aber auch am Wochenende vor. Fünf bis sechs Stunden saß ich manchmal am Rechner.
Insbesondere der Samstag gehörte jetzt dem Blog: An den Wochenenden entstanden Serien, Podcast, Blogparaden und Video-Interviews, etwa zur immer gleichen Frage: „Was bedeutet für Sie Erfolg?“.
Doch irgendwann hatte ich mich an meinem eigenen Blog satt gesehen. Ich fand mein Layout langweilig, überholt und viele US-Blogs viel moderner, frischer, innovativer. Mir selbst fehlte das Bling-Bling auf der Seite, kurz: Mir war nach Tapetenwechsel.
Auf der re:publica lernte ich Hannes Kunstreich kennen, einen sehr begabten Grafiker. Er fand die Karrierebibel toll, ich seine Blogideen. Die waren zu der Zeit durchaus gewagt: Ein dreispaltiges Magazin-Layout, kein richtiger Header, sondern ein mit vielen Funktionen ausgestatteter Logoblock. Videos fest auf der Startseite. Best-of-Listen zu jeder Kategorie. Ein Footer ganz im Tenor der Leserkommunikation: Kommentare, Kontaktformular, später auch Tweets. So ein Design gab es noch nirgendwo.
Ich investierte wieder, diesmal deutlich mehr Geld, und im November war es soweit: Die Karrierebibel 2.0 erschien mit einem radikalen Relaunch. Ach, und sie erhielt ihre heutige Farbe: Blaufrisch mit einem Hauch Grün.
Inzwischen waren knapp 1000 Artikel in sechs Rubriken erschienen, es gab weit über 2000 RSS-Abonnenten und im Monat gut 160.000 Leser.
Nach dem Relaunch aber machte die Seite einen Satz: Die Zugriffszahlen stiegen rasant, und die Leser blieben auf der Seite auch länger. Was aber wichtiger war: Sie teilten die Inhalte zunehmend. Es waren die Innovationen des Social Webs, die ich damals sofort ausprobierte, für das Blog umsetzte und die Erfahrungen und Tipps dazu sofort wieder verbloggte (das machen wir übrigens bis heute so, wir geben unser Wissen offen weiter): Karrierebibel gab es nun auf Twitter, auf Facebook, auf Youtube. Und wir hatten als eines der ersten Blogs in Deutschland eine eigene iPhone-App.
Der Wandel als Erfolgskonstante
Es folgten weitere Experimente: 2009 entwickelte ich mit Freunden einen Karriere-Newsletter, der wir allerdings nach einem Jahr wieder einstellten. 1000 Abonnenten waren toll, aber zu wenig für den Aufwand jede Woche.
Dafür erschien mein zweites Buch – „Die Büro-Alltags-Bibel“. Recherchiert hatte ich es ein Jahr lang live im Blog. Das Schreiben ging also deutlich leichter und schneller. Auch so ein Vorteil des Bloggens.
Hinzu kamen Autoren-Wettbewerbe, unsere Jobbörse.
Die Seite lasen jetzt rund 10.000 Menschen am Tag und noch einmal 4000 Abonnenten per RSS-Feed. Achja, 2010 gab es zudem Unterstützung in Form von ersten bezahlten Praktikanten. Sechs waren es seitdem insgesamt, einer davon – Christian Müller – ist heute fest-freier Redakteur auf der Karrierebibel und mir ein guter Freund geworden.
Dennoch kam, was kommen musste: Mitte 2011 hatte ich Layout Nummer 2 schon wieder leid. Es passte nicht mehr zum vernetzten Social-Media-Auftritt, die Datenbank wurde zu komplex (pro Jahr erschienen mehr als 1000 Artikel), die Startseite quoll über. Aus dem Blog war längst ein Portal und ein kleines Unternehmen geworden – mit laufenden Kosten für Admin, Server, Autoren, Bilder, aber erstmals auch Einnahmen über Bannerwerbung.
Vorher hatte ich übrigens alle Kosten aus eigener privater Tasche bezahlt. Von der investierten Zeit mal abgesehen.
Ich sagte mir: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Also investierte ich wieder einige tausend Euro in das nunmehr dritte Design, die heutige Karrierebibel, die Ende 2011 live ging.
Wieder war der Relaunch begleitet von Innovationen auf der Seite: eine wöchentliche Arbeitsrecht-Kolumne, der Arbeitgeber-Check, mein drittes Buch und ein E-Book (PDF), an dem viele Leser mitgeschrieben hatten: die Erfolgsweisheiten in sieben Worten.
Das Ergebnis sind heute knapp 500.000 Visits im Monat und etwas mehr als 930.000 PIs. Wir mussten deswegen inzwischen auf einen eigenen Server (so ein richtig eigenes Blechdeck) umziehen, was aber auch den Ladezeiten sehr gut getan hat.
Lohnt sich das bloggen?
Auf jeden Fall – und zwar nicht allein monetär. Zahlreiche Leser haben mir in den vergangenen Jahren persönlich per E-Mail geschrieben, dass Sie dank der Blogartikel und Tipps ihre Bewerbung gemeistert und einen Job bekommen haben. Das baut total auf.
Von anderen weiß ich, dass wir ihnen beim Aufbau ihrer eigenen Websites und Blogs Hilfestellung geben konnten und sie teils inspiriert haben. Ich habe über das Bloggen zahlreiche neue Bekanntschaften geschlossen, aus einigen sind sogar richtig gute Freunde geworden.
Dank Twitter und den anderen Netzwerken gibt es eigentlich heute kaum eine Stadt in Deutschland, in der ich mich nicht spontan mit einem Bekannten auf einen Kaffee verabreden könnte. Ein Netzwerk, das ich so nicht in 20 Jahre Journalismus aufgebaut habe.
Und ich wundere mich heute noch, wie aus diesem Blogdings in den knapp sieben Jahren ein rentables Unternehmen mit einer täglichen Reichweite von rund 50.000 Menschen auf sämtlichen Social Media Kanälen werden konnte. Das ist schon irre. So irre wie manche Hater, die es im Netz natürlich auch immer gleich dazu gibt. Die aber eben als nützlicher Erfolgsindikator dienen: kein Hass, keine Reichweite.
Am markantesten aber ist: Aus dem anfänglichen Bloggen wurde eine Profession. Nach 13 Jahren bei der Wiwo und 20 Jahren als Fotograf und Journalist, wechselte ich 2011 in die Wirtschaft und wurde Social Media Manager. Ein Beruf, den es vor ein paar Jahren noch nicht gab. Heute bin ich in dem Bereich sogar selbstständig. Ich berate Unternehmen unter anderem dabei, selber erfolgreiche Corporate Blogs aufzubauen.
Hat sich mein Leben durch das Bloggen verändert?
Aber hallo! Wie gesagt, ich bin dank des Bloggens heute beruflich unabhängig. Zugleich ist es gar nicht mehr so leicht zu sagen, was mein Beruf ist: Berater? Blogger? Autor? Keynote-Speaker? Dozent? Unternehmer? Irgendwie stimmt alles.
Meine Familie hat sich längst daran gewöhnt, dass ich morgens Nachrichten sehe, parallel Feeds lese, erste Tweets raushaue und vielleicht sogar vorblogge.
Auch abends bleibt die Glotze öfter kalt. Dafür hocke ich gemütlich auf der Couch, den Laptop auf dem Schoß, iPad als Zweitbildschirm daneben (fürs Monitoring) und wenn ich was Interessantes finde oder mir eine Idee kommt, blogge, plusse, twittere, pinne oder facebooke ich das.
Am Wochenende wiederum stimmen wir regelmäßig im Redaktionsteam ab. Wie machen die Themenpläne für die nächste Woche, feilen an Überschriften und lernen aus den Zahlen und Reaktionen der vergangenen Woche.
Das alles hört sich nach viel Arbeit an, ist aber gar nicht so wild und geht inzwischen flott von der Hand. Ein paar Stunden in der Woche. Mehr ist das nicht. Das ist eben auch so ein Effekt des Bloggens: Man wird schneller mit der Zeit. Etwas, das sicher viele Blogger bestätigen können.
Was habe ich noch gelernt?
Patentrezepte für erfolgreiches Bloggen gibt es nicht, allenfalls ein paar auffällige Korrelationen. Wie schon gesagt: Modernes Design finde ich sehr wichtig, Grundkenntnisse von SEO und SEM gehören heute sicher ebenfalls dazu und vor allem ebenso interessante wie relevante Inhalte in einer attraktiven, vielleicht sogar lukrativen Nische.
Wer wirklich mit seinem Blog wachsen will, sollte aber unternehmerisch denken. Heißt: Man muss nicht nur Zeit, sondern teilweise auch eigenes Geld investieren. Klar, kann man auch darauf hoffen, dass so ein Blog mit der Zeit organisch wächst. Das passiert in den meisten Fällen auch, aber sehr viel langsamer. Umgekehrt gibt es zwar keine Garantie für den Erfolg, aber wie heißt es so richtig: no guts, no glory!
Ebenso wichtig wie Investitionen sind aber auch Innovationen. Es gibt inzwischen so viele gute Blogs im Netz – um sich abzuheben, muss man also immer wieder etwas wagen und ausprobieren. Nicht zuletzt, um interessant und im Gespräch zu bleiben.
Das muss nicht jede Woche passieren, aber so zwei bis drei Highlights im Jahr schaden nicht…