Definition: Was ist kognitive Dissonanz?
Kognitive Dissonanz beschreibt das negative Gefühl, wenn zwei widersprüchliche oder unvereinbare Wahrnehmungen (Kognitionen) entstehen. Diese Kognitionen können Gefühle, Absichten, Wünsche, Ziele, Überzeugungen oder Gedanken sein.
Betroffene empfinden bei kognitiver Dissonanz das dringende Bedürfnis, den inneren Konflikt sofort zu beheben. Dafür erfinden sie Ausreden, rechtfertigen ihr Verhalten oder ignorieren Fakten, um das erwünschte Welt- oder Selbstbild wieder herzustellen.
Teilweise können bei kognitiver Dissonanz sogar körperliche Symptome auftreten, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, starke Nervosität oder Übelkeit.
Dissonanztheorie von Leon Festinger
Die Dissonanztheorie stammt ursprünglich von dem Sozialpsychologen Leon Festinger. Er beobachtete seinerzeit eine Gruppe Gläubiger, an den Weltuntergang an einem bestimmten Tag glaubte. Als der Tag ohne Weltuntergang verstrich, sahen die Menschen darin einen Beweis, dass Gott nur ihren Glauben prüfen wollte. Laut Festinger sind Menschen enorm kreativ darin, mentale Inkonsistenzen zu rechtfertigen.
Kognitive Dissonanz – Beispiele im Alltag
Kognitive Dissonanz kommt im Alltag häufiger vor, als viele meinen. Hier einige Beispiele:
- Sie wollen einen Fernseher kaufen, haben aber nicht genügend Geld – also ist das Gerät überteuert, hat schlechte Eigenschaft und passt sowieso nicht ins Wohnzimmer.
- Sie wollen mehr Sport machen, sitzen aber doch nur auf der Couch – also lag es am Wetter oder einer Erkältung, dass Sie sich nicht mehr bewegt haben.
- Sie haben eine gute Meinung vom Kollegen, erfahren aber, dass dieser den Arbeitgeber beklaut hat – also hatten Sie schon immer so ein komisches Gefühl bei ihm.
- Sie kommen im Job nicht voran, obwohl Sie eine Beförderung wollen – also muss es am schlechten Chef liegen, der Sie mobbt.
- Sie sind überzeugt, die Wahrheit zu kennen – also müssen alle anderen falsch liegen und auch alle Medien lügen.
Die Beispiele aus dem Alltag zeigen, wie Menschen regelmäßig Tatsachen verdrehen oder zum Selbstbetrug neigen, um eine kognitive Dissonanz aufzulösen.
Kognitive Dissonanz in der Partnerschaft
Auch in der Partnerschaft kommt kognitive Dissonanz vor. Zum Beispiel wenn das Verhalten des Partners nicht zu den eigenen Gefühlen passt. Zeigt der andere Unlust, Ablehnung oder gar toxisches Verhalten, beschönigen viele das nach dem Motto: „Das ist nur eine Phase, die geht vorbei!“
Kognitive Dissonanz bei Gefallen
Wir mächtig die kognitive Dissonanz wirkt, zeigt auch der Benjamin-Franklin-Effekt: Danach finden wir Menschen sympathischer, denen wir einen Gefallen getan haben. Den Gefallen müssen wir nicht tun – es kommt zur Dissonanz. Um diese zu lösen, rechtfertigen wir die gute Tat mit Sympathie: Wir mögen den oder die andere, sonst hätten wir nicht geholfen!
Psychologie: Wie entsteht kognitive Dissonanz?
Kognitive Dissonanz entsteht immer dann, wenn Aussagen oder Wahrnehmungen im Widerspruch stehen. Die Ursachen für solche Dissonanzen können unterschiedlich sein. Typisch sind zum Beispiel diese Situationen:
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Falsche Entscheidungen
Treffen wir eine falsche Entscheidung, quält uns der Irrtum. Statt den Fehler zuzugeben oder sich einzugestehen, Geld verspielt zu haben, suchen Betroffene nach Rechtfertigungen, warum die Wahl „damals“ doch richtig war.
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Beschönigte Selbstwahrnehmung
Wir sehen uns selbst meist im besten Licht. Bekommen wir dann ein negatives Feedback oder werden kritisiert, führt das Fremdbild zu einer unangenehmen kognitiven Dissonanz. Nicht wenige gehen dann in die Flucht nach vorn und greifen den Kritiker an, um die Selbstwahrnehmung wieder gerade zu rücken.
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Unerfüllte Erwartungen
Dissonanz entsteht ebenfalls, wenn (hohe) Erwartungen nicht erfüllt werden – von anderen oder von uns selbst. Beispiel: Wir wollen endlich abnehmen und uns besser ernähren – und greifen doch immer wieder zu Fast Food und Schokolade.
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Falsche Vorstellungen
Sie haben endlich Ihren Traumjob gefunden und genaue Vorstellungen davon, was Sie auf der Arbeit erwartet… Doch es kommt ganz anders: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine erhebliche Lücke. In der Folge entstehen die typischen Störgefühle der Dissonanz.
Aktuell vermuten Forscher sogar, dass es im Gehirn ein „Dissonanzzentrum“ gibt. Angeblich soll dieses dafür sorgen, Dinge auszublenden, die negative Konsequenzen haben
Kognitive Dissonanz auflösen: Was tun?
Weil kognitive Dissonanz so unerträglich ist, versuchen viele, dies möglichst schnell aufzulösen und die widersprüchlichen Wahrnehmungen wieder zusammenzubringen. Die meisten Methoden zur Auflösung fallen jedoch in die Kategorie Selbstbetrug:
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Selektive Wahrnehmung
Was nicht passt, wird passend gemacht. Das gilt auch für Informationen, die nicht ins eigene Weltbild passen. Zahlen, Daten, Fakten, die Betroffenen nicht gefallen, werden dann einfach geleugnet, ausgeblendet oder ignoriert. Durch die selektive Wahrnehmung gibt es keinen Widerspruch mehr.
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Selektive Beschaffung
Die selektive Beschaffung geht noch einen Schritt weiter: Um erst gar keine Dissonanz zu erleben, ziehen sich Betroffene in eine Art Filterblase unter Gleichgesinnten zurück. Es werden nur noch Medien konsumiert, die die eigene Meinung bestätigen, andere Quellen werden gemieden.
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Schuldzuweisungen
Eine beliebte Strategie gegen kognitive Dissonanz ist die Schuldzuweisung: Statt die Verantwortung für das eigene Entscheiden oder Handeln zu übernehmen, wird diese delegiert – an die Umstände, Zwänge, höhere Gewalt, an einen Sündenbock…
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Neubewertung
Gerade bei Fehlentscheidungen kommt es hinterher häufig zu kognitiven Dissonanzen. In dem Fall werden die Auslöser für die Wahl gerne neu bewertet: Die anderen Alternativen wären noch schlechter gewesen. Hier wird einfach die Einstellung oder das Werturteil geändert, damit die Wahl wieder passt.
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Rechtfertigung
Die häufigste Form, um eine kognitive Dissonanz aufzulösen, ist die Rechtfertigung bzw. Ausrede. Lässt sich ein Irrtum begründen, fühlen wir uns sofort besser. Mit der Erklärung passen wir nicht nur die Wirklichkeit an – wir reden uns diese solange ein, bis wir selber daran glauben. Erst dann verschwindet auch die kognitive Dissonant.
Wirklich auflösen lässt sich eine Dissonanz so aber nur kurzfristig. Wahre Fakten gehen dadurch nicht einfach weg, und wer sich zum Beispiel an der Börse verzockt hat, gewinnt das Geld durch den Selbstbetrug auch nicht wieder (siehe: Concorde-Effekt).
Was wirklich gegen kognitive Dissonanz hilft
Die einzige und zugleich beste Reaktion, um mit einer kognitive Dissonanz umzugehen, ist ehrliche Selbstreflexion – und damit verbunden meist auch ein Sinneswandel oder eine Verhaltensänderung.
Auch wenn es weh tut: Die Dissonanz ist immer ein Symptom, um guter Anlass, sich selbst zu hinterfragen, Kritik zu prüfen und eigene Fehler möglicherweise einzugestehen. Erst dadurch können wir lernen, über uns hinauswachsen und uns weiterentwickeln.
Was sind die Auswirkungen kognitiver Dissonanz?
Wer kognitive Dissonanz auflösen will, versucht in erster Linie sein Selbstwertgefühl und seine Überzeugungen zu schützen. Menschlich verständlich, doch haben all die Auflösungs-Versuche meist auch negative Folgen. Dazu gehören vor allem:
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Selbsttäuschung
Selektive Wahrnehmung, Neubewertung und Rechtfertigungen erleichtern zwar kurzfristig – die Selbsttäuschung führt jedoch in ein Trugbild und eine verzerrte Kognition. Geschaffen wird dadurch eine Art selbsterfüllende Prophezeiung, um sich das spätere Scheitern nicht eingestehen zu müssen. Die große Gefahr aber bleibt: dass das Kartenhaus aus Illusion und Irrtum irgendwann zusammenstürzt.
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Selbstsabotage
Langfristig wirkt der falsche Umgang mit kognitiver Dissonanz toxisch. Das reicht teilweise bis zur Selbstsabotage: Aus Angst zu versagen, stellen wir uns der Herausforderung gar nicht erst – sprechen die große Liebe nicht an, gehen nicht zum Vorstellungsgespräch – und entschuldigen das hinterher mit: „Ich habe mir so eine Enttäuschung erspart.“
Was wirklich passiert, ist, dass wir uns Chancen verbauen, die eigene Entwicklung bremsen und ein Scheinleben führen – eine Seifenblase, die irgendwann platzt oder bei anderen Fremdschämen auslöst.
Belügen Sie sich selbst? 6 Anzeichen
„Ab morgen mache ich…“ oder „Jetzt lege ich richtig los…“ Solche Vorsätze sind oft nur leere Worte. Lassen Sie keine Taten folgen, belügen Sie sich selbst. Sie beruhigen Ihr Gewissen mit tollen Plänen, haben aber eigentlich nie vor, diese umzusetzen.
„Nie läuft etwas richtig“ oder auch „Ich muss immer mehr arbeiten“. Wenn Sie in extremen Kategorien denken und reden, belügen Sie sich zwangsläufig selbst. Eine solche Denkweise führt zu Übertreibungen und Verallgemeinerungen, die schlicht nicht wahr sind. Völlig, immer, nie, alles, absolut, jedes Mal… Das Leben besteht nur sehr selten aus solchen Extremzuständen.
Jeder Mensch macht Fehler. Eine falsche Entscheidung, eine inkorrekte Einschätzung der Situation… Alles ganz normal – doch kann sich das nicht jeder eingestehen. Viele verschweigen eigene Fehler, weisen jede Verantwortung von sich oder sehen schlicht nicht ein, dass sie falsch lagen. Beliebt ist dabei auch die Vorwärtsverteidigung. Statt Fehler einzugestehen, werden andere verbal attackiert.
Wer es immer allen recht machen will, belügt sich selbst. Sie müssen sich verstellen, Ihre Meinungen verschweigen oder ändern, Ihre Ziele anpassen oder Bedürfnisse ignorieren. Durch Ihr großes Harmoniebedürfnis sagen Sie immer Ja, obwohl Sie schon längst Nein sagen und Grenzen setzen sollten.
Ein starker Glaube an die eigenen Fähigkeiten ist gut, doch wenn Sie sich regelmäßig überschätzen, belügen Sie sich. Sie bescheinigen sich selbst Stärken und Kompetenzen, die Sie schlicht nicht haben. Das führt zu Problemen, wenn Sie keine Ergebnisse liefern können, Deadlines überschreiten oder völlig überfordert sind.
Manchmal ist das eigene Bauchgefühl der beste Indikator für Wahrhaftigkeit. Wenn Sie selbst das Gefühl haben, sich häufig zu verstellen oder unecht zu verhalten, sollten Sie die Notbremse ziehen und etwas an Ihrem Verhalten ändern. Je länger Sie sich selbst belügen und dabei sowohl sich als auch anderen etwas vormachen, desto mehr schaden Sie sich und Ihrem Selbstwertgefühl.
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