Wie gut ist das Betriebsklima wirklich?
Natürlich könnten Sie auch direkt danach fragen, wie gut das Betriebsklima ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie im Bewerbungsgespräch hierauf eine ehrliche Antwort bekommen, geht nur leider gegen Null. Auch wenn es im Jobinterview darum geht, sich möglichst gut kennenzulernen und herauszufinden, ob man zueinander passt, ist es doch wie bei jedem Rendezvous: Jeder präsentiert sich nur von seiner Schokoladenseite – Bewerber sowieso, Arbeitgeber aber auch. Verräterische Indizien gibt es trotzdem.
Wer ein bisschen übt und darauf achtet, zwischen den Zeilen zu lesen oder subtil hinter die Kulissen zu blicken, kann immer noch eine Menge über das Unternehmen erfahren und manch gepimpte Arbeitgeberfassade entlarven. Dazu muss aber gesagt werden: Wie immer bei solchen Indizien handelt es sich um Puzzlesteine. Eine Beobachtung alleine sagt noch nichts über das Unternehmen und seine Arbeitgeberqualitäten aus. Häufen sich aber die Warnzeichen und können Sie dazu vielleicht sogar passende Hinweise im Internet recherchieren, ist Vorsicht geboten.
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9 Dinge, auf die Sie im Umfeld achten sollten
Wie sehen die Parkplätze aus?
Zunächst einmal sollten Sie versuchen, herauszufinden: Gibt es überhaupt Firmenparkplätze? Andernfalls könnte das für Pendler in einem dicht besiedelten Gebiet zu Mehrkosten und hohen Parkgebühren führen, was das Nettoeinkommen natürlich senkt. Viel interessanter ist daran aber ein anderer Punkt: die Hierarchie der Parkplätze. Gibt es etwa feste Parkplätze in Firmennähe für Geschäftsführer und VIPs – oder eher für Kunden, Mitarbeiter mit Kindern und Behinderte. Womöglich gibt es auch schon speziellen Raum für Fahrräder und „Tankstellen“ für Elektrofahrzeuge. All dies verrät schon einiges über die Kultur des Unternehmens, die Modernität und das vorherrschende Statusdenken.
Wie werden Sie empfangen?
Natürlich sind Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, haben also einen Termin. Doch das heißt ja nicht zwangsläufig, dass Sie auch erwartet werden. Nicht wenige Arbeitgeber lassen Bewerber in der Lobby warten. Gut, Termine können sich schon mal verschieben. Aber bietet man Ihnen dann wenigstens einen guten Sitzplatz und etwas zu trinken an? Oder behandelt man sie eher wie einen lästigen Besucher? Und natürlich die Begrüßung selbst: Ist sie herzlich-persönlich, kennt man Ihren Namen und Lebenslauf schon – oder ist es nur ein weiterer Pflichttermin?
Wie gehen die Mitarbeiter miteinander um?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Ihnen beim Bewerbungsgespräch nicht nur ein Mitarbeiter des Unternehmens gegenüber sitzt. In dem Fall achten Sie bitte darauf, wie diese Kollegen interagieren: Sind sie freundlich, respektvoll, herzlich untereinander? Aber eben nicht nur durch gute Manieren, sondern authentisch? Auch daran lässt sich schon etwas von dem Teamgeist oder starken Hierarchiegefälle ablesen.
Wie agieren die Chefs?
Insbesondere wenn mehrere Personen anwesend sind, wird es so etwas wie eine Hierarchie, einen Ranghöchsten oder eine Ranghöchste geben. Nun ist es spannend, wie die mit den anderen umgeht: Lässt sie sich beispielsweise den Kaffee einschenken – oder ist sie eher „oberster Diener“? Gibt der Chef den anderen das Wort und wertschätzt deren Fragen – oder versucht er oder sie das Gespräch zu dominieren? Oft stinkt der Fisch vom Kopf. Und in der Regel stellen derlei Personalchefs Leute ihres Schlages ein…
Was sagt die Körpersprache der Anwesenden?
Der Körper ist ein Verräter. Gerade Personaler, die sich ja eher in der überlegenen Position sehen, achten kaum auf ihre Körpersprache. Sie aber schon: Beobachten Sie aufmerksam die kleinen Mikrogesten. Sitzen Sie einander gegenüber (distanziert) oder über Eck (kooperativ)? Ist man Ihnen zugewandt, interessiert – oder wirkt das Gespräch eher wie ein Verhör? Sind die Menschen hier eher locker oder steif und streng? Das muss man nicht zwingend moralisch bewerten – aber es muss zu Ihnen passen.
Wie ist die Kleiderordnung?
Apropos locker: Natürlich haben Sie sich als Bewerber dem Dresscode der Branche angepasst und sind im Zweifel lieber over- als underdressed. Es ist aber auch spannend zu sehen, wie die anderen Mitarbeiter im Haus herum laufen. Achten Sie darauf! Denn das wird später auch Ihren Alltag bestimmen – und deutet natürlich ein eher konservativ geprägtes Klima an oder ein eher modern-legeres.
Wie sehen die Arbeitsplätze aus?
Eventuell hatten Sie schon dank Karriereseiten und Employer Branding Video eine Chance, sich vorab ein Bild von dem dortigen Arbeitsumfeld zu machen. Andernfalls spinksen Sie eben ein bisschen vor Ort in die Flure und Büros. Die Büroeinrichtung und das Arbeitsplatzdesign offenbaren ebenfalls viel über die Firmenkultur und Arbeitsweise: Sind die Büros offen, stehen die Türen auf? Sind die Schreibtische groß und aufgeräumt, die Stühle bequem? Oder sieht das alles streng und steril aus? Sind die Büros ergonomisch eingerichtet. Daran merken Sie zum Beispiel wie viel hier wirklich in das angeblich so wertvolle „Humankapital“ investiert wird – oder ob Sie doch nur eine Kostenstelle darstellen. Nicht minder interessant: Gibt es gemütliche Ecken, wo sich Kollegen treffen und austauschen können? Gerade die Gemeinschaftsräume und -ecken sprechen Bände über die Organisation und Kultur – erst recht, wenn sie verwaist sind.
Sind die Mitarbeiter glücklich?
Sicher, Sie können den Kollegen nur bis vor die Stirn gucken. Wie glücklich jemand ist, muss man ihm nicht unbedingt ansehen. Aber achten Sie darauf, wie die Menschen dreinschauen, die Ihnen unterwegs begegnen. Lachen oder lächeln sie – oder wirken sie eher muffelig und gestresst? Das geht schon beim Pförtner los (der immer auch eine Art Visitenkarte des Unternehmens ist) und geht bei den anderen Kollegen weiter: Je gestresster und gereizter die Belegschaft auf Sie wirkt, desto lauter sollten die Alarmglocken klingeln.
Kennen Sie die Toiletten-Theorie?
Die Toiletten-Theorie besagt, dass man sich nur anschauen müsse, wie gepflegt das stille Örtchen ist – schon erkennt man die wahre Firmenkultur. Kurz:
- Sind etwa die Mitarbeiter selbst dafür verantwortlich, dass die Klorollen gewechselt werden beziehungsweise dem Nachfolger ein benutzbares WC hinterlassen wird und geschieht dies nicht, so sagt das: „Hier denkt jeder nur an sich. Ein einziges Hauen und Stechen.“ Und da der Fisch vom Kopf stinkt, hausen in der Teppichetage vermutlich ebensolche Egomanen.
- Ganz anders wenn der stille Ort gepflegt ist, stets sauber und eben keine papierlose Bürozelle. Dann spricht das entweder für eine sehr gute Reinigungskraft (was ja auch was über das Unternehmen sagt, weil die schließlich dafür bezahlt werden muss) oder eben für eine gute Sozialgemeinschaft, bei der man auch an die Kollegen denkt, selbst wenn es um NajaSiewissenschon geht.
Das ist zwar nur eine Theorie, und einen echten empirischen Beweis dafür gibt es nicht. Sollten Sie aber dennoch Ihren Arbeitgeber in spe besuchen, empfehlen wir einen kleinen Besuch des stillen Örtchens, um einen weiteren bis bleibenden Eindruck von dem Laden zu bekommen. Welchen – das steht auf einem anderen Blatt.
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