Horrorgeschichten das Vorstellungsgespräch
Im Internet, insbesondere in Foren, finden Sie zahlreiche Horrorgeschichten und Legenden um das Vorstellungsgespräch, die meist von Interview-Opfern verbreitet werden. In diesen Erfahrungsberichten mutieren Personaler regelmäßig zu Monstern, die mit heimtückischen Fragen Bewerber quälen, um sie böswillig aus dem Rennen um die verdiente Stelle zu werfen. Das Vorstellungsgespräch wird dabei zur Bewährungsprobe und Überlebenscamp, das von Normalsterblichen nur noch mit Glück und Nahkampfausbildung zu meistern ist…
Das ist natürlich Blödsinn. Lassen Sie sich davon bitte nicht verrückt machen. Natürlich gibt inkompetente und arrogante Personalschinder, die ihre Profilneurose mittels Macht über Bewerber therapieren. Aber die sind die Ausnahme. Und läuft das Jobinterview professionell und gut, schreiben die wenigsten darüber. Deshalb wirken solche Erzählungen im Internet wie ein Negativverstärker: Es gibt sie naturgemäß öfter – das bedeutet aber nicht, dass sie wirklich die Mehrheit der Gespräche abbilden. Tun sie nicht!
Vorstellungsgespräche sind in der Regel harmlos und mit guter Vorbereitung in allen 5 Phasen perfekt zu meistern. Damit Sie wissen, worum es dabei wirklich geht, räumen wir mit häufigen Mythen und angeblichen Gesprächsmustern auf…
Gut gelaufen? Falsche Interview-Mythen
Im Vorstellungsgespräch muss man Fragen richtig beantworten
Wahr ist: Es gibt typische Fragen. Dahinter steckt aber kein standardisierter Kanon mit richtigen Antworten als Jobgarantie. Vielmehr geht es um Ihre spezifische Motivation und Erfahrung im Kontext der jeweiligen ausgeschriebenen Stelle. Dazu hilft kein Auswendiglernen. Klassische Fragelisten zeigen Ihnen lediglich, welche Themengebiete im Vorstellungsgespräch üblicherweise angesprochen werden und was Personaler mit dieser oder jener Frage in Erfahrung bringen möchten. Richtig oder falsch gibt es dabei nicht. Nur authentisch, passend, überzeugend.
Im Vorstellungsgespräch muss ich sofort antworten
Falsch! Wer immer wie aus der Pistole geschossen antwortet, gerät in den Verdacht, auswendig gelernt zu haben. Nehmen Sie sich also ruhig etwas Bedenkzeit (und Luft), um sich eine passende Antwort zu überlegen. Insbesondere, wenn Sie Ihr Gegenüber kalt erwischt hat. So verhindern Sie, ins Schwimmen zu kommen und sich anschließend um Kopf und Kragen zu reden. Ebenso sollten Sie schweigen, wenn Sie mit Ihrer Antwort fertig sind. Bitte nicht einfach weiterreden, weil Ihr Gesprächspartner (noch) nichts sagt und um die scheinbar unerträgliche Stille zu füllen. Die ist nicht zwingend ein Zeichen dafür, dass der Personaler noch mehr wissen will. Vielleicht braucht auch er Zeit, um Ihre Antwort zu verarbeiten. Gönnen Sie ihm die Ruhe.
Im Vorstellungsgespräch wird meine Biografie überprüft
Selbstverständlich. Aber weniger, um Sie der Lüge zu überführen. Ihr Gegenüber will vor allem herausfinden, ob Sie zum Unternehmen passen und die hierfür erforderlichen Qualifikationen besitzen. Deswegen gehen Personaler gerne ins Detail und stellen Fragen zu Ihren bisherigen Aufgaben, Projekten, Positionen: Wie haben Sie was gemacht und warum? Und was haben Sie daraus gelernt? Falls etwas unklar ist, fragen sie natürlich nach. Das können Indizien für verborgene Schwachstellen sein (die vielleicht später gefördert werden müssen) oder für Lügengeschichten. Wer hier ins Schwimmen kommt, kassiert deshalb Minuspunkte. Wer aber bei der Wahrheit bleibt, auch zu seinen Schwächen steht und gute Erklärungen liefert, überzeugt durch Souveränität und Selbstkenntnis.
Im Vorstellungsgespräch weiß der Personaler schon alles
Das ist eines der hartnäckigsten Gerüchte: Der Personaler hat Sie gegoogelt, sämtliche sozialen Netzwerke nach verfänglichen Informationen über Sie durchsucht, Regelanfrage beim Verfassungsschutz gestellt, CIA, KGB und Mossad eingeschaltet – das volle Programm… Quatsch! Hat er natürlich nicht. Dafür hat er keine Zeit. Durchleuchtet wird allenfalls, wer in der Firma später auf einem prominenten Posten stehen wird und dem Image der Firma mit verborgenen Skandalen schaden kann. Über Sie weiß der Personaler meist nur das, was Sie ihm per Bewerbungsunterlagen mitgeteilt haben. Vielleicht hat er noch mit Ihrem früheren Arbeitgeber telefoniert, Referenzen eingeholt, und sich etwas auf Xing oder Linkedin umgesehen. Mehr aber nicht.
Im Vorstellungsgespräch muss ich den Wechselwunsch begründen
Das ist richtig. Das heißt aber nicht, dass Sie den alten Arbeitgeber, die Ex-Kollegen und den ehemaligen Chef schlecht reden sollten. Schlimmstenfalls sogar, indem Sie deren Befähigung infrage stellen. Denn Sie profilieren sich, indem Sie andere herabsetzen. Das wäre keine Stärke, sondern soziale Inkompetenz und damit ein Ausschlusskriterium. Wenn Sie bei der Arbeit später genauso agieren, ist der Betriebsfrieden schnell ruiniert. Statt sich also über andere zu definieren, betonen Sie lieber Ihre Motivation und passgenauen Stärken. So setzen Sie die entscheidenden Akzente.
Im Vorstellungsgespräch muss ich immer meine Schokoladenseite zeigen
Sicher, schlecht reden sollten Sie sich nicht. Aber einen guten ersten Eindruck haben Sie ja schon hinterlassen. Sonst hätte man Sie nicht eingeladen. Falsch liegt also, wer glaubt, jetzt den idealen Kandidaten mimen zu müssen. Wer eine Rolle spielt, wirkt garantiert nicht echt und verspielt damit seine Chance auf den Job. Wer hingegen ehrlich und natürlich bleibt, warum er oder sie sich genau auf diese Stelle beworben hat, kommt im Jobinterview sympathisch rüber und nimmt sein Gegenüber für sich ein. Darauf kommt es letztlich an: Seien Sie Sie selbst – Sie wollen eingestellt werden, nicht der Typ, den Sie spielen.
Sie merken: Alles halb so wild. Ob Ihr Vorstellungsgespräch gut gelaufen ist, hängt weniger von solchen Mythen ab. Es geht vielmehr um das gegenseitige, persönliche Kennenlernen. Um die richtige Attitüde und darum, ob die gegenseitigen Erwartungen erfüllt werden. Dabei wird man Ihnen in der Regel mit Sympathie und Wohlwollen begegnen – und nicht mit Ablehnung und Misstrauen. Schließlich will man ja auch Sie von der Firma überzeugen.
Wie geht es nach dem Bewerbungsgespräch weiter?
Egal, wie das Vorstellungsgespräch gelaufen ist: Auch in der anschließenden Wartezeit bis zur Antwort können Sie etwas unternehmen. Sei es, um den Vorgang zu Ihren Gunsten zu beeinflussen oder zu beschleunigen. Hier ein paar Tipps dazu:
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Schicken Sie ein Dankschreiben
In Deutschland ist es noch selten, in den USA aber erhalten bereits 39 Prozent der Personaler ein solches Dankschreiben. 41 Prozent finden es zudem wichtig. Ein solcher Brief oder eine E-Mail haben gleich mehrere Vorzüge: Das Dankschreiben hebt von der Masse ab und bietet die Chance, Schiefgelaufenes gerade zu rücken sowie einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Betonen Sie, dass Sie das Gespräch anregend fanden und jetzt erst recht wissen, wie gut der Job zu Ihnen passt. Wiederholen Sie maximal zwei Erkenntnisse des Jobinterviews und beantworten Sie eventuell offene Fragen. Danken Sie für die Zeit und Aufmerksamkeit (falls Sie gemeinsam Essen waren auch dafür), und freuen Sie sich auf eine „baldige“ Antwort. Das alles sollte nicht länger als eine halbe Seite sein.
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Klären Sie die Fristen
Falls Sie im Jobinterview vergessen haben danach zu fragen, dürfen Sie auch jetzt noch nachhaken, wie lange der Bewerbungsprozess üblicherweise dauert und wann mit einer Antwort zu rechnen ist. Frühestens drei Werktage nach dem Vorstellungsgespräch können Sie sich telefonisch erkundigen. Souveräner wirkt, eine Woche damit zu warten. Am Telefon können Sie überdies wieder betonen, wie interessiert Sie an dem Job sind.
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Seien Sie enthusiastisch, nicht nervig
Bei der Bewerbung geht es darum, zu beweisen, wie sehr Sie sich in dem Unternehmen engagieren möchten und wie stark Sie sich auf den Job freuen. Diesen Enthusiasmus sollten Sie auch in der Nachphase behalten. Sorgen lassen Sie dagegen schnell wie ein Bittsteller aussehen. Und Engagement schlägt leicht in Penetranz um. Bei allem Verständnis für Ihren Eifer und die Ungeduld: Übertreiben Sie es nicht. Manche Bewerberauslese dauert länger. Das kann an der internen Bürokratie liegen oder daran, dass ein wichtiger Entscheidungsträger krank ist. In diesem Fall hat die Personalabteilung genug zu tun und mag sich nicht auch noch mit drängelnden Bewerbern rumschlagen. Mit Verständnis und Freundlichkeit kommen Sie in der Regel schneller zum Ziel.
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Bleiben Sie selbstbewusst
Manchmal lassen die Unternehmen gar nichts mehr von sich hören. Keine E-Mail, keine Absage, nichts. Das sogenannte Ghosting ist grob unhöflich und wirft ein negatives Licht auf diesen Arbeitgeber. Spätestens nach zwei Wochen darf man eine Reaktion erwarten – und sei es nur ein Hinweis, dass Sie sich bitte noch gedulden mögen. In diesem Fall dürfen Sie Selbstbewusstsein zeigen und nachfassen: „Ich bin noch immer sehr an der Position interessiert, wann kann ich mit Ihrer Entscheidung rechnen? Ich spreche inzwischen auch mit anderen Unternehmen und muss mich denen gegenüber bald entscheiden.“ Sollten Sie danach immer noch nichts hören, lautet unser Rat: Vergessen Sie den Laden – Gurkentruppe!
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Hören Sie sich weiterhin um
Alles auf eine Karte zu setzen, wäre töricht. Sie verlieren so nur kostbare Zeit. Auch nach einem (aus Ihrer Sicht) erfolgreichen Vorstellungsgespräch, sollten Sie sich weiterhin umsehen und mögliche Einladungen zu Jobinterviews wahrnehmen beziehungsweise sich weiter bewerben. Erstens, weil Sie so die Initiative behalten und zweitens, weil Sie so Ihre Chancen auf einen Traumjob erhöhen.