Bewerben mit Behinderung: Angeben – ja oder nein?
Eine generelle Regel, wie Sie mit einer Behinderung in der Bewerbung umgehen sollten gibt es nicht. Das hängt in erster Linie von der Art und dem Grad der Behinderung (GdB) ab. Tatsächlich gibt es hierbei unterschiedliche Empfehlungen, die überdies von der angestrebten Stelle und der Art der Tätigkeit abhängen.
Grundsätzlich steht es Ihnen frei, eine mögliche Behinderung zu erwähnen oder nicht – solange dies für den späteren Job irrelevant ist: Bei nicht offensichtlichen Behinderungen kann es oft sinnvoll sein, diese erst im Vorstellungsgespräch zu erwähnen, damit die Qualifikationen im Vordergrund stehen. Bei einer schweren oder sichtbaren Behinderung sollten Sie das Handicap hingegen offenlegen, um benötigte Anpassungen frühzeitig zu klären und Nachteile zu vermeiden.
Arbeitsrecht: Muss ich die Behinderung in der Bewerbung angeben?
Arbeitnehmer müssen bei der Bewerbung eine Behinderung generell nicht angeben. Ab einer anerkannten Schwerbehinderung (ab Grad 50) wird dies aber empfohlen: In dem Fall steht Arbeitnehmern gesetzlich mehr Urlaub und ein besonderer Kündigungsschutz zu. Es wäre nicht im eigenen Interesse, darauf zu verzichten.
Hinzu kommt: Unternehmen sind dazu verpflichtet, Menschen mit Einschränkungen einzustellen. Ab einer Größe von 20 Mitarbeitern, sind bei privaten Unternehmen 5 Prozent, bei öffentlichen Einrichtungen 6 Prozent der Stellen an Menschen mit Einschränkungen zu vergeben. Anderenfalls müssen sie monatlich eine Ausgleichsabgabe zahlen. Auch hier kann es also Vorteile haben.
Besonderheit im öffentlichen Dienst
Im öffentlichen Dienst genießen Bewerberinnen und Bewerber mit Behinderung sogar ein Vorzugsrecht: Ab einem Behinderungsgrad von 30 stellen Behörden und Ämter behinderte Bewerber bei gleicher Eignung vor anderen ein. Deshalb ist es hier sogar von Vorteil, offen mit der Behinderung in der Bewerbung umzugehen.
Auch erhalten Menschen ab einem GdB von 30 oder 40 von der Bundesagentur für Arbeit besondere Rechte und Fördermaßnahmen. Ab einem GdB von 50 gelten Betroffene als „schwerbehindert“. Die entsprechenden Regeln zur Gleichstellung und gesellschaftlichen Teilhabe sind im 9. Sozialgesetzbuch (SGB) und § 2 definiert.
Was ist mit dem Schutz vor Diskriminierung?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet eine Diskriminierung von Bewerbern etwa aufgrund von Behinderungen. Das Problem daran ist jedoch die Beweislast: Nur wenn Sie nachweisen können, dass Sie wegen Ihrer Behinderung abgelehnt wurden, steht Ihnen eine finanzielle Entschädigung – oft in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern – zu.
Bewerben mit Behinderung: Wie angeben?
Eine Bewerbung mit Behinderung unterscheidet sich zunächst nicht von jeder anderen Bewerbung. Auch Sie geben die in der Stellenanzeige verlangten Bewerbungsunterlagen auf dem gewünschten Weg ab. Das ist heute in Deutschland überwiegend die Bewerbung per Mail oder die sogenannte Online-Bewerbung per Online-Bewerbungsformular.
Werden in der Stellenausschreibung „vollständige“ bzw. „aussagekräftige“ Unterlagen verlangt, reichen Sie bitte folgende Dokumente ein – in dieser Reihenfolge:
- Bewerbungsschreiben
- Deckblatt (optional)
- Lebenslauf
- Motivationsschreiben (optional)
- Anlagen (Zeugnisse, Zertifikate)
- Arbeitsproben (falls verlangt)
Aufgebaut wird die E-Mail-Bewerbung schließlich nach diesem Muster:
Wenn Sie sich dazu entschieden haben, Ihre Behinderung in der Bewerbung anzugeben, haben Sie dazu zwei Möglichkeiten und Orte: im Anschreiben und/oder im Lebenslauf…
Bewerbung mit Behinderung – Tipps für das Anschreiben
Sie wollen die Behinderung gleich im Bewerbungsschreiben ansprechen? Dazu reichen in der Regel 1-2 Sätze. Formulieren Sie diese jedoch niemals negativ – also als Einschränkung. Das macht sie zum Problem und weckt womöglich Bedenken.
Besser ist, die Beeinträchtigung ganz beiläufig zu erwähnen, sodass Sie diese weder auf dem Bildungs- noch auf dem Berufsweg eingeschränkt hat. Falls die Behinderung auf einem Unfall basiert, können Sie sogar Ihre besondere Disziplin oder mentale Stärke bei der Rehabilitation danach thematisieren.
Beispielformulierungen im Anschreiben:
- Einleitung: „Meine herausragendste Eigenschaft ist mein Durchhaltevermögen. Selbst mein schwerer Autounfall, wegen dem ich seitdem im Rollstuhl sitze, hat mich nicht davon abgehalten mein Masterstudium in Regelstudienzeit zu beenden – noch dazu mit Prädikat.“
- Hauptteil: „Als Blinder habe ich ein besonderes Gespür für Untertöne oder Emotionen in der Stimme und kann daher besonders gut im Call-Center auf die Kundenbedürfnisse eingehen oder Konflikte leichter deeskalieren. Dies konnte ich schon oft einsetzen, zum Beispiel als ich…“
- Schlussteil: „Habe ich Ihr Interesse geweckt? Dann sollten Sie noch wissen, dass ich ein stark eingeschränktes Sehfeld (GdB 50) habe. Die behindert jedoch keinesfalls meine Arbeit am Computer und Bildschirm. Im Gegenteil: Ich lasse mich dadurch weniger leicht ablenken. Ich freue mich auf ein persönliches Kennenlernen.“
Bewerbung mit Behinderung – Tipps für den Lebenslauf
Im tabellarischen Lebenslauf müssen Sie die Behinderung gar nicht angeben – es sei denn, sie hat zu einer erklärungsbedürftigen Lücke im Lebenslauf geführt – etwa, weil Sie während der Reha längere Zeit nicht arbeiten oder weiter studieren konnten.
In dem Fall reicht eine kurze Erwähnung des Zeitraums und der Hinweis, dass Sie inzwischen wieder voll motiviert und einsatzbereit sind. Beispiel:
- MM/JJJJ – MM/JJJJ
Auszeit wegen Autounfalls, anschließend Reha-Maßnahmen. Heute Gdb 50, aber voll motiviert
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Tipps für einen erfolgreichen Bewerbungsprozess
Wenn Sie offen mit Ihrer Behinderung in der Bewerbung umgehen und diese angeben wollen, können diese zusätzlichen Tipps den Bewerbungsprozess ebenfalls erleichtern:
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Beratungsangebote
Lassen Sie sich vorab bei der Jobsuche und Bewerbung von der Agentur für Arbeit sowie vom Integrationsamt oder Sozialverbänden beraten. Die Arbeitsagentur bietet in Ihrer Jobbörse z.B. Stelle speziell für Bewerber mit Schwerbehinderung. Der Sozialverband VdK Deutschland wiederum hat Rechtsberatungsstellen in jedem Bundesland.
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Arbeitgeberwahl
Prüfen Sie vorab, bei welchem Arbeitgeber Sie sich bewerben, also z.B. wie behindertenfreundlich und barrierefrei der Arbeitgeber ist. Unternehmen mit einer entsprechenden Infrastruktur sind auch aufgeschlossener gegenüber Kandidaten mit Einschränkungen.
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Schwerbehindertenvertretung
Nehmen Sie Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung auf. In großen Unternehmen gibt es oft eine Person, die sich um die Belange von Arbeitnehmern mit Handicap kümmert. Setzten Sie sich vor der Bewerbung mit dieser Person in Verbindung. Auch das gehört zu einer gründlichen Bewerbungsvorbereitung.
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Gutachten
Ein ärztliches Gutachten oder eine Kopie des Schwerbehindertenausweises helfen Personalern dabei, zu verstehen, inwieweit Sie die Behinderung einschränkt. Daraus sollte hervorgehen, welche Tätigkeiten Sie nicht ausüben können oder welche Arbeitsbedingungen für Sie gelten. Erwähnen können Sie das Gutachten im Anlagenvermerk des Anschreibens.
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Nebensache
Machen Sie Ihre Behinderung grundsätzlich nicht zum Hauptthema der Bewerbung! Erwähnen Sie diese allenfalls beiläufig. Im Vordergrund stehen weiterhin Ihre Qualifikationen sowie Ihre Motivation für die Stelle und das Unternehmen. Zeigen Sie in der Bewerbung, dass Sie Ihre Einschränkung nicht davon abgehalten hat, bisherige berufliche Ziele zu erreichen. Beispiel: „Ich arbeite seit 10 Jahren erfolgreich als Bankkauffrau, meine Sehbehinderung hat mich bei meinem BWL-Studium oder Ausübung meiner Tätigkeiten nie eingeschränkt.“
Offenheit im Vorstellungsgespräch schafft Vertrauen
Bei einer Einladung zum Vorstellungsgespräch sollten Sie eine starke körperliche Behinderung indes fairerweise ankündigen. Für Rollstuhlfahrer kann der Personaler dann zum Beispiel sicherstellen, dass das Gespräch in Räumen stattfindet, die barrierefrei sind.
Fühlen sich Personaler hierbei überrumpelt (unsicher oder überfordert), belastet das das Vertrauensverhältnis und führt nie zu einem guten Start. Schon aus Gründen der gegenseitigen Fairness sollten Sie spätestens beim Interview offen damit umgehen. Indem Sie Ihrem Gegenüber helfen, mit einer möglichen Unsicherheit besser umzugehen, bauen Sie nicht nur Vorurteile ab, sondern erzeugen sofort mehr Verständnis und Vertrauen.
Hauptsache, Sie bleiben dabei selbstbewusst und betonen vor allem Ihre Qualifikationen und Stärken. Dann spielt die Behinderung in der Bewerbung kaum noch eine Rolle.
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