Ich denke was, was du nicht hörst
„Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ „Was war Ihr größter Erfolg?“ „Was würden Ihre Freunde über Sie sagen?“ – Manche Fragen sieht man kommen, andere erwischen einen kalt. Aber der Personaler wird noch mehr Fragen stellen – sich selbst vor allem und während des Gesprächs. Wenn Sie sich das bewusst machen, könnte Ihnen das den kleinen, entscheidenden Vorteil bringen. Was der Jobinterviewer wirklich von Ihnen wissen will, ohne es auszusprechen…
10 Fragen, die sich jeder Personaler im Interview stellt
Will ich Tag für Tag mit Ihnen zusammenarbeiten?
„Sympathie ist eine Emotion, die mit gutem Willen korrespondiert“, erklärt Laura Kray von der Uni Berkeley. Die Psychologin hat herausgefunden: Wenn Ihr Verhandlungspartner Sie sympathisch findet, wendet er mehr Energie auf, um eine für beide Seiten gute Lösung zu finden, wird kompromissbereiter. Nun sind Kompromisse beispielsweise in Gehaltsverhandlungen vergleichsweise einfach. Im Vorstellungsgespräch sind sie schwieriger, weil es sich hier letztlich um eine Entweder-oder-Situation handelt.
Grundsätzlich aber: Unterschätzen Sie niemals die Macht der Sympathie. Umso relevanter wird sie, wenn der Jobinterviewer tatsächlich Ihr direkter Kollege sein soll. Findet er Sie unsympathisch, schwinden Ihre Chancen. Eine einfache Taktik, um sich selbst sympathischer zu machen: Wenden Sie die Spiegeltechnik an.
Wie gut haben Sie sich vorbereitet?
Fragt man einen Personaler nach Ausschlusskriterium Nummer 1 für einen Bewerber, dann fällt meist dieser Punkt: Wenn er oder sie unvorbereitet ist. Ein Azubi, der das Unternehmen keiner Branche zuordnen kann. Ein Kandidat, der nicht einmal weiß, welches Produkt die Firma herstellt oder wo die Zentrale sitzt. Eine gute Vorbereitung zeigt sich aber insbesondere an den Rückfragen, die der Bewerber im Vorstellungsgespräch stellt. Intelligente Rückfragen können Sie sich bequem vorab überlegen und während der Konversation einbringen.
Eine empfehlenswerte Rückfrage wäre zum Beispiel: „Wenn Sie sich an Mitarbeiter erinnern, die Sie schon eingestellt haben: Was unterschied die Guten von den Besten?“ Das wäre ein regelrechter Brainteaser für den Interviewer – und das eindeutige Signal, dass Sie zu den Besten gehören wollen. Relativ leichte Punkte für Sie.
Wie spontan sind Sie?
Beispiel Einzelhandel: Als Verkäufer im Ladengeschäft müssen Sie mit den unmöglichsten Fragen, Reaktionen und Wünschen Ihrer Kunden rechnen. Ohne eine Prise Spontaneität und Schlagfertigkeit können Sie den Job nur halb so gut ausfüllen. Sind sie spontan? Im Bewerbungsgespräch lässt sich das wunderbar prüfen. Zum Beispiel durch diese Interviewer-Frage: „Was ist die verrückteste Geschichte, die Ihnen in Ihrem Leben bisher passiert ist?“
Die Aufforderung, eine Geschichte zu erzählen, lockt Sie aus der Reserve – und zeigt, ob Sie ein guter Smalltalker sind. Eine Qualität, die im Vertrieb nicht wegzudenken ist oder im Projektmanagement.
Passen Sie ins Unternehmen?
Die vielbesungene Diversity müsste eigentlich dazu führen, dass der „Cultural Fit“ an Stellenwert verliert. Tut er aber nicht. Unternehmen stellen nicht möglichst viele unterschiedliche Charaktere ein, sondern ausschließlich die, von denen sie glauben, dass sie gut miteinander harmonieren. Das muss man nicht gutheißen, sollte man als Bewerber aber zur Kenntnis nehmen.
Besser daher, sich vorab darauf einzustellen. Wer sich in einem Berliner Startup bewirbt, sollte nicht unbedingt „Sicherheit“ als erstes Grundbedürfnis nennen. Polizeibewerber nehmen die Ohrringe vorsichtshalber einfach raus und in einer Bank kreuzen Sie besser nicht mit einem Irokesen-Haarschnitt auf. Es muss halt einfach alles passen zwischen Ihnen beiden.
Verstricken Sie sich in Widersprüche?
Kleine Lügen erhalten die Freundschaft – führen aber nicht zum Traumjob. Zumindest dann nicht, wenn man sie nicht hinreichend kaschiert. Ihre Vorstellung im Bewerbungsgespräch muss deckungsgleich mit Motivationsschreiben und Lebenslauf sein. Das ist nicht selbstverständlich.
Dabei müssen Sie gar nicht die dicken fetten Lügen auftischen. Auch kleine Schummeleien stoßen sauer auf – und führen zum Aus. Beispiel: Sie geben in Ihrer Bio als Hobby Dressurreiten an. Weil das irgendwie edel und außergewöhnlich klingt. Nun sagen Ihnen aber weder die Figuren „Traversale“ noch „Piaffe“ etwas, auch den Namen „Isabell Werth“ haben Sie noch nie gehört? Da könnte man misstrauisch werden. Noch schlimmer freilich, wenn Ihr fachlichen Kenntnisse in Theorie und Praxis meilenweit auseinander driften.
Haben Sie ein Auge fürs Detail?
Perfektionismus kann unglücklich machen – aber ist die Ausgangsbasis für Qualität. Das Siegel „Made in Germany“ gäbe es ohne deutsche Pedanterie nicht. Ein Ingenieur, der Fünfe gerne mal gerade sein lässt, riskiert, dass seine Brücke hinterher krachend zu Boden stürzt. Also: Haben Sie ein Auge fürs Detail? Das erkennt man – natürlich – an den Details. Sind Sie zehn Minuten vorher da oder fünf Sekunden zu spät? Begrüßen Sie Ihren Gesprächspartner mit Namen? Haben Sie gestern den Artikel über das Unternehmen in der Lokalpresse gelesen? Und was für Socken tragen Sie da eigentlich? Details – manchmal sind Sie unerheblich. Aber Sie müssen es ja nicht darauf ankommen lassen.
Wie stressresistent sind Sie?
Spätestens im Job zeigt sich, ob sie mit Stress umgehen, unter Zeitdruck arbeiten können. Das ist in manchen Berufen wichtiger als in anderen. Mit zunehmender Digitalisierung aber wird der Stressfaktor nicht abnehmen, im Gegenteil. In einer DGB-Studie aus dem Mai 2017 sagten 46 Prozent der Befragten, dass ihre Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung zugenommen habe. Die neue Realität führt offenbar zu noch mehr Stress, noch mehr Zeitdruck.
Wie stressresistent sind Sie also? Brainteaser und Stressfragen können das testen. Zum Beispiel: „Wenn Sie ein Superheld sein könnten, welche Superkraft hätten Sie?“ Eine Frage, die die Stresshormone nur so durch die Luft schleudert. Sie müssen unter Zeitdruck eine vermeintlich richtige“ Antwort finden: eine Superkraft, die mit einer Fähigkeit korrespondiert, die im Job wichtig ist. Stress pur!
Wie gut können Sie zuhören?
„Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören“, schrieb Tucholsky. Das Schöne aber: Im Vorstellungsgespräch hört man Ihnen ganz sicher zu, das Interesse gilt ja vorrangig Ihnen als Bewerber. Was aber, wenn der Interviewer seinerseits das Unternehmen langatmig vorstellt? Wenn er abschweift, ins Detail geht? Hören Sie ihm weiter aufmerksam zu, sind Sie gelangweilt, fallen Sie ihm gar ins Wort? Aktiv zuzuhören ist eine Kunst, die jedem Jobkandidaten gut zu Gesicht steht. Bewerber, die das können, punkten. Daher: Souverän reden, aber zwischendurch auch gut zuhören.
Wie respektvoll sind Sie?
Respekt. Jeder fordert ihn ein, aber selbst geben wollen ihn längst nicht alle. Schon gar nicht Chefs oder Kollegen. Dabei ist Respekt sogar ein relevanter Wirtschafts- und Kostenfaktor, glaubt man den Marktforschern von Gallup. Ihrer Studie zufolge entsteht der deutschen Volkswirtschaft aufgrund fehlender Achtung und Wertschätzung in den Unternehmen – Respekt also – ein Schaden von jährlich rund 100 Milliarden Euro. Lästern Sie im Vorstellungsgespräch darum niemals über Ihren früheren oder aktuellen Arbeitgeber! Oder über ehemalige Kollegen, Vorgesetzte, Geschäftspartner, Kunden. Auch dann nicht, wenn man Sie über Umwege danach fragt, etwa so: „Was denken eigentlich Ihre Kollegen über Ihren früheren Chef?“
Sind Sie ein Schleimer?
In Wahrheit ist Schleimen – so unsympathisch und charakterschwach es auch sein mag – ein Erfolgsrezept. Eine Studie aus dem Journal of Management Studies bestätigte vor einiger Zeit, dass die Karriereleiter hinaufsteigt, wer dem Chef fortwährend schmeichelt. „Ja doch, Chef! Gut gemacht, Chef! Sie sind einfach der Beste, Chef!“ – Lob hört jeder gerne. Auch im Vorstellungsgespräch sind Schleimer im Vorteil. Bewerber, die nicken und den Interviewer fortwährend mit „Jaja“ bestätigen, bekommen den Job eher als kritische Geister, haben Wirtschaftswissenschaftler herausgefunden.
Aber: Wer es mit der Schleimerei übertreibt, wirft sich mitunter auch einen Bumerang zu. Wenn man den Jobinterviewer mit Lobeshymnen überzieht zum Beispiel: „Dieses Unternehmen ist ja wirklich sooo toll!“ Oder mit persönlichen Bemerkungen wie: „Wo haben Sie Ihren Anzug her? Der sitzt einfach top!“ Ja, Schleimen wirkt – aber nur, wenn es der Gegenüber nicht als solches wahrnimmt.
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