55-Stunden-Woche erhöht Schlaganfall-Risiko um 33 Prozent
Sie sind über 40? Dann sollten Sie beruflich einen Gang zurückschalten. Kein Scherz und auch keine vorsätzliche Altersdiskriminierung. Anlass zu diesem Rat gibt eine wissenschaftliche Studie aus Australien.
Exzessive Arbeitszeiten und Überstunden sind Gift für die physische Verfassung. Für alle Altersgruppen. Eine Metastudie analysierte allerdings jetzt die Daten von 25 Einzelstudien und 600.000 Personen in Europa, den USA und Australien. Ergebnis: Eine 55-Stunden-Arbeitswoche kann im Vergleich zu einer gewöhnlichen 35- bis 40-Stunden Woche die Gefahr eines Schlaganfalls um 33 Prozent erhöhen. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen lag bei den Vielarbeitern noch um 13 Prozent höher.
Ü40: Kognitive Fähigkeiten sinken nach 25 Stunden
Die langen Arbeitszeiten haben aber noch einen zweiten Effekt: Sie beeinträchtigen massiv unsere kognitiven Fähigkeiten. Kurz: Die Studienergebnisse zeigten, dass sich die Betroffenen schlechter erinnern, konzentrieren oder kreativ sein konnten.
Bemerkenswert daran: Der Effekt trat ab einem Alter von 40 Jahren deutlicher auf. Wer im mittleren Alter von 40 Jahren mehr als 25 Stunden pro Woche arbeitete, baute kognitiv dramatisch ab. „Arbeit kann ein zweischneidiges Schwert sein“, sagt auch Colin McKenzie von der Keio-Universität in Tokio. „Es kann die Hirnaktivität bis zu einem bestimmten Pensum stimulieren. Danach verursacht sie Erschöpfung und Stress, was zu einem spürbaren Abfall der kognitiven Fähigkeiten führt.“ Wer zu viel arbeitet, schadet sich doppelt – gesundheitlich und intellektuell.
Optimale Arbeitszeit: 21 bis 35 Stunden
Das deckt sich mit den Untersuchungen des Psychologen Karl Ericsson von der Florida State Universität. Dieser sagte der BBC, dass Top-Performer im Schnitt nur 21 bis 35 Stunden pro Woche arbeiten, aber nicht mehr als drei bis fünf Tage. Das sei das optimale Pensum und führe laut seinen Studien zu den besten Arbeitsergebnissen – unabhängig vom Alter.
Wer länger arbeitet, schafft ohnehin nicht automatisch mehr. OECD-Studien über die Korrelation von Arbeitsstunden und Arbeitsergebnissen kommen zu bemerkenswerten Ergebnissen: Die Kurve verläuft keinesfalls linear, im Gegenteil: Ab 50 Wochenstunden sank die Produktivität der Probanden rapide. Alles, was über 56 Stunden Wochenarbeitszeit hinaus ging, bezeichneten die Forscher gar als pure „Zeitverschwendung“ (siehe Grafik).
Über 40 nimmt die fluide Intelligenz ab
Auch wenn die Leistungsfähigkeit von Älteren regelmäßig betont wird, das Rentenalter beständig heraufgesetzt wird – es bleibt als Erkenntnis: Ab 40 Jahren ist unser Hirn für eine 40-Stunden-Arbeitswoche, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Normalfall entwickelt hat, im Grunde nicht mehr geeignet. Laut Colin McKenzie bauen wir sogar schon mit 20 ab, wenn es darum geht, logisch zu denken und Probleme zu lösen.
Ab 40 wiederum können wir uns Dinge schlechter merken, Muster erkennen, sind geistig nicht mehr so agil (siehe: „fluide Intelligenz„). Immerhin: Im Alter gewinnen wir aus unseren Erfahrungen und Emotionen neue kognitive Fähigkeiten: So nimmt im Alter nachweislich die Sprachkompetenz und die soziale Intelligenz zu, ebenso die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und Ablenkungen zu ignorieren (siehe: „kristalline Intelligenz„).
Ü40: In der Rush Hour des Lebens
Das Problem daran: Gerade im Alter von Anfang bis Mitte 40 befinden sich viele in der Rush Hour des Lebens. Oder wie die Briten sagen: in den „Sandwich Years“. Zum nervenaufreibenden Job gesellen sich dann vermehrt private Verpflichtungen – schulpflichtige Kinder oder pflegebedürftige Eltern. Im Job zurückstecken ist aus finanziellen Gründen keine Option. Das Haus will abbezahlt, das Studium der Kinder später finanziert und die eigene Altersversorgung gesichert werden. Ein echtes Dilemma.
Zu viel Arbeit: Was tun?
Letztlich bleiben den Betroffenen nicht allzu viele Optionen, um das Problem zu lösen. Die naheliegende ist, die Arbeitszeit zu reduzieren – zum Beispiel durch Teilzeitarbeit. Die muss man sich aber leisten können. Eine Alternative ist das sogenannte Jobsharing. Auch das ist aber mit Einkommenseinbußen verbunden. So bleibt unterm Strich meist nur eine Kombination aus Vertrauensarbeitszeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen und oder Heimarbeit beziehungsweise Homeoffice, um die genannten Auswirkungen wenigstens etwas abzufedern.
Mehr Freiheiten bei der Zeiteinteilung, bei Pausenzeiten und eine bessere Ausrichtung auf den eigenen Biorhythmus können ebenso leistungssteigernd wie motivationsfördernd wirken.
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