Definition: Was ist eine Leistungskurve?
Die Leistungskurve (auch: physiologische Arbeitskurve) beschreibt die Leistungsfähigkeit eines Menschen im Tagesverlauf während der Arbeitszeit. Diese Arbeitsleistung ist nicht konstant, sondern unterliegt starken Schwankungen, die sich auf das Arbeitsergebnis (Produktivität, Qualität) auswirken.
Entdecker und Namensgeber der Arbeitskurve ist der Heidelberger Psychiater Emil Kraepelin. Er erforschte im Jahr 1890 die „Hygiene der Arbeit“ und die psychologische Beziehung zwischen Arbeitszeit und Arbeitsleistung. Seine Erkenntnisse fließen bis heute ein in die Arbeitspsychologie, Arbeitsmedizin, Sportmedizin und Betriebswirtschaftslehre.
Bei genauerer Betrachtung der durchschnittlichen Leistungskurve erkannte Kraepelins Mitarbeiter Otto Graf, dass noch weitere Faktoren den Kurvenverlauf beeinflussen – zum Beispiel der zirkadiane Rhythmus („innere Uhr“, Schlaf-Wach-Rhythmus) eines Menschen. Graf nannte die Kurve daher auch „Fehlerkurve“, weil die Leistungstiefs zu mehr Fehlern bei der Arbeit führen.
Wie sieht die Leistungskurve aus?
Markant an der Leistungskurve ist ihr m-förmiger Verlauf. Dargestellt werden so die Leistungsschwankungen der Arbeitskraft innerhalb von 24 Stunden. Der m-förmige Verlauf gab der Arbeitskurve auch den Namen „physiologische M-Kurve“.
Die Spitzen stellen sogenannte Leistungshochphasen dar. Hier herrscht maximale Produktivität. Die Täler stehen für typische Erschöpfungsphasen, in denen kaum etwas geschafft wird.
Die ursprüngliche Leistungskurve ist allerdings noch recht gob (siehe obige Grafik). Legt man die Lupe an, ergeben sich im Tagesverlauf mehrere kleine und größere Leistungsschwankungen:
Klassische Hochphasen ergeben sich danach vor allem am Vor- und Nachmittag – zwischen 8 und 11 Uhr bzw. 15 und 17 Uhr. Hier wird ein Großteil der Arbeitsleistung erbracht.
Sie müssen sich also überhaupt nicht schlecht fühlen, wenn Sie dazwischen das Gefühl haben, durchzuhängen oder in der vergangenen Stunde nichts erledigt zu haben. Womöglich befinden Sie sich gerade nur in einem Tief und die nächste Hochphase steht erst noch bevor.
Wann ist die Leistungskurve am tiefsten?
Das große Tagestief erleben die meisten Menschen kurz nach der Mittagspause zwischen 12 und 14 Uhr – das sogenannte Schnitzelkoma (auch: Post-Lunch-Dip). Hier kommt die Arbeitsleistung und Produktivität fast zum Erliegen. Blutdruck und Körpertemperatur sacken runter, Körper und Gehirn brauchen eine Pause. Grund dafür ist eine starke Durchblutung der Verdauungsorgane sowie ein Mangel an Sauerstoff im Gehirn.
Wie sieht meine persönliche Leistungskurve aus?
Anfangs können Sie sich gut an der durchschnittlichen Leistungskurve orientieren, um die unterschiedlichen Hoch- und Tiefphasen im Tagesverlauf besser zu verstehen. Individuell bessere Ergebnisse erzielen Sie aber erst, wenn Sie Ihre ganz persönliche Leistungskurve kennen.
Diese Kurve zu finden, ist gar nicht so schwer. Sie brauchen dazu keine komplizierte Berechnung oder aufwändige Tests. Der einfachste Weg sind regelmäßige Notizen und etwas Disziplin: Notieren Sie über 2-3 Wochen hinweg täglich Ihre Arbeitsleistung zusammen mit der jeweiligen Tageszeit. Schreiben Sie auf, wann Sie besonders produktiv sind, wann Ihnen komplizierte Aufgaben leicht von der Hand gehen und wann die Konzentration nachlässt und Sie in ein Produktivitätsloch fallen.
Am Ende des Beobachtungszeitraums tragen Sie die Ergebnisse in einer Grafik zusammen und erhalten Ihre individuelle Leistungskurve. Dabei kommt es nicht auf die genaue Minute an. Entscheidend ist, dass Sie ihre typischen Erschöpfungsphasen erkennen und wann bei Ihnen die Leistungskurve am höchsten ist.
Was bedeutet die Leistungskurve für mich?
Zunächst einmal hat die Leistungskurve keine Auswirkungen auf Ihre Arbeitszeit. Sie werden Ihrem Chef kaum erklären können, dass Sie erst um 10 Uhr zur Arbeit kommen, weil Ihre Leistungskurve erst dann hochschnellt. Dafür können Sie aber die Arbeitsaufgaben am Tag so verteilen, dass Sie Ihre persönlichen Leistungshochs besser ausnutzen.
Wichtige und komplizierte Aufgaben, die eine hohe Konzentration oder viel Kreativität erfordern, legen Sie am besten an den Anfang einer Hochphase. Einfache Tätigkeiten und unwichtigere Projekte erledigen Sie dagegen in den Tiefzeiten – zum Beispiel E-Mails beantworten oder Daten recherchieren.
Die Nutzung der Leistungskurve hat mehrere Vorteile:
- Weniger Stress
- Bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit
- Steigende Arbeitszufriedenheit
- Erhöhte Motivation im Tagesverlauf
- Zunehmendes Selbstvertrauen („Ich schaffe das“)
- Mehr Lob und Anerkennung vom Chef
Leistungskurve: Welche Faktoren beeinflussen sie?
Die persönliche Leistungskurve ist nicht völlig unveränderbar. Sie gibt eine Richtung vor, die als „Normalfall“ bezeichnet werden kann. Allerdings ist nicht jeder Arbeitstag gleich oder normal. Jobs und das Leben verlaufen nicht immer nach Plan. Deshalb können sich ebenso Leistungskurve sowie Hoch- und Tiefphasen verschieben. Folgende Faktoren können die Leistungskurve beeinflussen:
1. Chronobiologie
Den größten Einfluss auf die Leistungskurve hat unsere Chronobiologie bzw. der jeweilige Chronotyp eines Menschen. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden: Frühaufsteher („Lerchen“) – sie kommen morgens schnell in Fahrt und können sofort loslegen. Und Langschläfer („Eulen“) – sie brauchen morgens länger, sind dafür abends länger fit und leistungsfähig.
Umgangssprachlich wird dabei auch vom „Biorhythmus“ gesprochen. Im Vergleich sehen die Leistungskurven der beiden Chronotypen so aus:
2. Arbeitsdauer
Viele Menschen (und noch mehr Chefs) glauben: „Je mehr ich arbeite, desto höher die Produktivität.“ Falsch! Wissenschaftler haben längst das Gegenteil bewiesen: Die Psychologen Robert Yerkes und John D. Dodson entwickelten zum Beispiel die nach ihnen benannte Yerkes-Dodson-Kurve. Danach bringt mehr Arbeitseinsatz anfangs mehr Produktivität – jedoch nur bis zu einem Scheitelpunkt. Danach bringen Überstunden gar nichts – im Gegenteil: Die Leistungskurve sinkt nur schneller.
Zu lange Arbeitszeiten – insbesondere ohne regelmäßige Pausen – können die Leistungskurve eines Tages oder einer Woche vollkommen verändern. Wer das ignoriert und einfach weiterschuftet, schadet seiner Leistung und Gesundheit.
3. Herausforderungen
In jedem Job gibt es Aufgaben und Tätigkeiten, die uns leicht von der Hand gehen und Spaß machen. Und es gibt die anderen: Herausforderungen. Diese können mehr oder weniger groß sein. Sie beeinflussen aber ebenfalls die persönliche Leistungskurve. Besonders deutlich wird dies in der Flow-Theorie: Danach sind Menschen besonders motiviert und leistungsbereit, wenn sie die Aufgabe nicht langweilt und im machbaren Rahmen herausfordert – also knapp über der Grenze zwischen Unter- und Überforderung.
Für die Leistungskurve ist entscheidend, dass Sie möglichst anhaltend kleinen Herausforderungen im Job begegnen. An diesen können Sie wachsen, ohne die Motivation zu verlieren. In allen anderen Fällen wird die Leistungskurve zu einer Linie, die flach am unteren Rand verläuft…
Tipps: Wie kann ich meine Leistungskurve verbessern?
Schon die Tatsache, dass Sie sich mit Ihrer individuellen Leistungskurve beschäftigen, kann diese verbessern und steigern. Im zweiten Schritt sollten Sie herausfinden, wann Ihre Leistungskurve am höchsten ist und wann für Sie die beste Zeit zu arbeiten ist – jedenfalls für die wirklich wichtigen Aufgaben.
Anschließend müssen Sie diese Erkenntnisse nur noch konsequent umsetzen und möglichst nicht in alte Gewohnheiten verfallen. Weitere Tipps und Empfehlungen sind:
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Nutzen Sie Hochphasen besser
Jeden Tag gibt es Hochphasen in der Leistungskurve. Selbst an schlechten Tagen, an denen Sie nicht gut drauf sind oder sich weniger leistungsfähig fühlen. Gerade an diesen Tagen ist es umso wichtiger, die kleinen Produktivitätsschübe der Leistungskurve zu kennen und seinen Arbeitstag so zu strukturieren und zu organisieren, dass Sie Ihre Bestzeiten optimal ausnutzen. Zähne zusammenbeißen bringt gar nichts. Klüger ist, wer einfache Aktivitäten in Leistungstiefphasen verlegt und wichtige Termine in Leistungshochphasen.
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Machen Sie regelmäßig Pausen
Regelmäßige Pausen sind eine Voraussetzung, um von der Leistungskurve langfristig zu profitieren. Echte Hochphasen ergeben sich nur, wenn Sie auch die Erholungsphasen und Tiefs entsprechend nutzen und dabei neue Kräfte sammeln. Sonst stolpern Sie von einem Tief ins andere. Arbeitspsychologen empfehlen eine längere Pause (10-20 Minuten) alle 90 Minuten. Wer mag, kann hierfür auch die sogenannte Pomodoro-Technik anwenden, die nach Intervallen von 25 Minuten arbeitet.
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Gönnen Sie sich einen Powernap
Gerade nach dem Mittagessen sackt die Leistungskurve bei jedem Menschen dramatisch ab. Das ist die beste Zeit für das sogenannte Powernapping – einen Kurzschlaf („Nickerchen“) von maximal 20 Minuten. Die Produktivität ist jetzt ohnehin am Tiefpunkt, warum also nicht neue Energie durch einen gezielten Powernap schöpfen? Die positive Wirkung ist wissenschaftlich erwiesen – nur das Mittagsschlaf-Image ist schlecht. Zu Unrecht.
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Binden Sie Kollegen ein
Es hilft wenig, wenn Sie Ihre Leistungskurve kennen, die Kollegen im Büro darauf aber keine Rücksicht nehmen. Es kann daher sinnvoll sein, seine typischen Phasen im Tagesverlauf offen zu kommunizieren, Beispiel: „Du, ich bin gerade im Tief. Können wir in einer Stunde darüber sprechen?!“ Klare Kommunikation kann ebenso helfen, dass Sie in den Hochphasen nicht gestört und unterbrochen werden, wenn Sie gerade im Flow sind.
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Schalten Sie nach Feierabend wirklich ab
Feierabend bedeutet Feierabend – keine beruflichen E-Mails mehr, keine Arbeit mit nach Hause nehmen… Nur wenn Sie sich in Ihrer Freizeit erholen, sind Sie am nächsten Tag wieder fit. Halten Sie sich nicht daran, bringt das Ihre Chronobiologie aus dem Rhythmus, der Schlaf verschiebt sich, die Leistungskurve gerät aus dem Takt.
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Kontrollieren Sie Ihre Leistungskurve
Achten Sie darauf, ob sich Ihre Leistungskurve mit der Zeit verändert. Über einen längeren Zeitraum ist es möglich, dass es zu Verschiebungen kommt. Vielleicht merken Sie, dass Sie sich am Nachmittag doch besser konzentrieren können oder die Motivation früher als bisher nachlässt. Sie sollten daher in regelmäßigen Abständen prüfen, ob die Leistungskurve noch dem bisherigen Bild entspricht. Falls nicht, nehmen Sie alle nötigen Anpassungen vor.
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