Definition: Was bedeutet Bootstrapping?
Bootstrapping ist eine Finanzierungsform, bei der die Gründung eines Unternehmens ohne Fremdkapital erfolgt. Die finanziellen Herausforderungen werden aus eigenen Rücklagen und ohne fremde Hilfe gemeistert. Keine Kredite oder Finanzierungshilfen von außen. Gründer gehen nicht zur Bank, um zigtausende Euro Fremdkapital in das Projekt zu investieren. Wer sich mit Bootstrapping selbständig macht, verzichtet auf Schulden und verwirklicht seine Geschäftsidee daher meist mit kleinerem Budget.
Bedeutung: Bootstrapping auf Deutsch
Der Begriff „Bootstrapping“ (synonym auch „Bootstrappen“ oder einfach „Bootstrap“) kommt aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und bedeutet auf Deutsch wörtlich Stiefelriemen. Im Business-Kontext geht es jedoch eher die englische Redewendung „pull yourself up by your bootstraps“ oder „pull yourself over a fence by your bootstraps“. Das heißt soviel wie sich selbst an den Riemen nach oben ziehen.
Im Deutschen passt dazu die Geschichte des Lügenbarons von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus einem Sumpf nach oben gezogen hat. Beide Metaphern beschreiben treffend, worum es beim Bootstrapping geht: Durch eigene Mühe etwas erreichen und ohne fremde Hilfe auskommen.
Bootstrapping in Statistik und Informatik
Der Anglizismus Bootstrapping wird auch in anderen Bereichen verwendet. In der Statistik ist es eine Methode zur Berechnung von Konfidenzintervallen. In der Informatik wird so ein Vorgang bezeichnet, bei dem ein einfaches System ein vielschichtigeres aktiviert. Dieser Artikel behandelt aber die Finanzierungsform.
Prinzipien: So funktioniert Bootstrapping
Ganz ohne zusätzliches Geld gründen? Das scheint fast unmöglich. Schließlich müssen zu Beginn einige Ausgaben getätigt werden, noch bevor überhaupt Umsätze und Gewinne erwirtschaftet werden können. Bootstrapping erfolgt aber nicht aus der Not heraus, weil keine finanziellen Mittel von außen zur Verfügung stehen. Es ist eine gezielte, strategische Entscheidung.
Gründen kann ohne Fremdkapital funktionieren, und externe Finanzierungshilfe ist keine Garantie für den Erfolg eines Unternehmens – so die Meinung von Amar Bhidé, Wirtschaftsprofessor an der Tufts University in Massachusetts. Dabei sind es diese sieben Grundsätze, nach denen erfolgreiches Bootstrapping möglich ist:
1. Schneller Einstieg in das operative Geschäft
Mit einem knappen Budget können Sie nicht ewig warten, planen und vorbereiten. Sie müssen möglichst schnell in das operative Geschäft einsteigen. Gemeint ist damit das Kerngeschäft, mit dem Sie Umsätze erzielen. Wollen Sie etwas verkaufen, müssen Sie dies schnell tun, damit Geld ins Unternehmen fließen kann. Nebengeschäfte, die eher zweitrangig sind und das strategische Geschäft sollten am Anfang nur von geringer Priorität sein.
2. Frühes Erreichen des Break-Even-Points
Ein Kernziel des Bootstrapping ist es, früh den sogenannten Break-Even-Point zu erreichen. Das ist der Punkt der Gewinnschwelle, an dem Kosten und Erlöse gleich hoch sind – es gibt somit weder Verlust noch Gewinn. In der weiteren Entwicklung eines Unternehmens ist nach dem Erreichen des Break-Even-Points mit Gewinnen zu rechnen und Sie fangen an, wirklich Geld zu verdienen.
3. Hochwertige Produkte oder Leistungen anbieten
Erfolgreiches Bootstrapping gelingt am besten, wenn die Gründungsidee auf hochwertige Produkte beziehungsweise Dienstleistungen setzt – bei denen Sie als Gründer selbst viele Bereiche (vor allem den Vertrieb) übernehmen können.
4. Aufmerksame Entscheidungen in der Personalpolitik
Setzen Sie beim Bootstrapping auf junge Talente, die Ihre Vision des Unternehmens teilen und die Unternehmenskultur verstehen. Erfahrene Experten bringen zwar viel Wissen mit, haben aber andere Gehaltsvorstellungen. Top Talente haben das nötige Know-how und große intrinsische Motivation. Sie können sich langfristig mit dem Unternehmen weiterentwickeln.
5. Schnelles Wachstum ist mit Vorsicht zu genießen
Große Wachstumschancen klingen verlockend. Das eigene Angebot kommt gut an und die riesige Nachfrage bietet großes Potenzial. Durch das knappe Budget beim Bootstrapping sollte das Wachstum jedoch lieber langsamer angegangen werden. Mit dem Wachstum steigen auch die Kosten ebenso schnell an. Das kann bei Finanzierung aus eigener Tasche außer Kontrolle geraten.
6. Ständig verfügbare Liquidität ermöglichen
Das Wichtigste in der frühen Phase beim Bootstrapping: Das Unternehmen muss jederzeit liquide sein. Das kann nur funktionieren, wenn Ausgaben minimiert und Einnahmen auf der anderen Seite maximiert werden. Das bedeutet nicht, dass gar nicht investiert wird. Es setzt aber voraus, dass Gründer clevere Investitionsentscheidungen treffen. Vorhandenes Geld muss an den richtigen Stellen eingesetzt werden, um Liquiditätsengpässe zu verhindern.
7. Gutes Netzwerken praktizieren
Auch wenn die Grundidee beim Bootstrapping auf Fremdkapital verzichtet, kann eine externe Finanzierung in einer späteren Geschäftsphase notwendig sein. Als Selbständiger sollten Sie daher gute Kontakte zu Banken pflegen, falls Sie irgendwann doch einen Kredit in Erwägung ziehen.
Voraussetzungen: Für wen eignet sich Bootstrapping?
Einen für alle gültigen Königsweg der Unternehmensgründung und -finanzierung gibt es nicht. Bedeutet: Bootstrapping ist nicht für jeden automatisch der Weg zum Erfolg. Für manchen Gründer ist Bootstrapping möglicherweise sogar die gänzlich falsche Entscheidung. Die gewählte Finanzierungsform muss zur Persönlichkeit, dem geplanten Werdegang in der Selbstständigkeit und den Rahmenbedingungen passen.
Diese Voraussetzungen braucht erfolgreiches Bootstrapping:
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Kapital
Wer kein fremdes Geld nutzt, muss ein gewisses Eigenkapital mitbringen. Aufgestockt wird es später meist durch weitere Finanzierungsmöglichkeiten, anfangs braucht es aber Geld für erste Anschaffungen und Investitionen. Die Klassiker sind Ersparnisse, Zuschüsse durch Familie und Freunde. Auch öffentliche Fördermittel können in der Gründungsphase helfen.
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Risikobereitschaft
Unternehmensgründer mit Bootstrapping als Finanzierungsform brauchen die nötige Risikobereitschaft. Wer Angst davor hat, sein Geld einzusetzen und in die eigene Selbstständigkeit zu investieren, ist beim Bootstrapping falsch aufgehoben.
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Kompromissbereitschaft
Beim Bootstrapping müssen an der ein oder anderen Stelle Abstriche gemacht werden, um mit den geringeren finanziellen Mitteln auszukommen. Vielleicht ist nicht in jedem Bereich die optimale Lösung möglich, sondern Sie müssen den bestmöglichen Kompromiss finden. Hier sind Gründer im Vorteil, die aus jeder Situation das Beste machen können und sich nicht in Vorstellungen von Perfektion verrennen.
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Generalist
Sie können nicht für jeden Bereich einen Fachmann einstellen und für die Expertise bezahlen. Bootstrapping heißt, dass Sie möglichst viele Aufgaben selbst übernehmen müssen. Im Vorfeld sollten Sie sich entsprechend informieren und weiterbilden. Je mehr Sie sich auf sich selbst verlassen können, desto besser passt die Finanzierungsform zu Ihnen.
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Selbstkritik
Gleichzeitig müssen Sie selbstkritisch sein und sich eingestehen, was Sie nicht gut genug können. Wenn Sie sich wochenlang mühsam durch die Programmierung einer Website quälen, ohne ein vorzeigbare Homepage zu erreichen, bringt es sie nicht weiter. Überlegen Sie, was Sie wirklich gut selbst machen können und wo sich die Investition in Fachkräfte rentiert.
Beispiele für Bootstrapping
Dass Bootstrapping funktionieren kann, zeigt sich an vielen Beispielen. Zahlreiche Unternehmen haben Ihren Erfolg auf der Selbstfinanzierung aufgebaut, ohne dass es vielen bewusst wäre. Beispiele für die eigene Finanzierung sind diverse Computer- und Programmierungsfirmen wie Microsoft, Dell, Apple oder auch SAP. Es gibt aber auch Bootstrapping in anderen Bereichen:
- MyMuesli: Anbieter für selbst gemischte Müslis
- GitHub: Software zur Versionsverwaltung für Software-Entwicklungsprojekte
- Gopro: Hersteller von Actionkameras
- Patagonia: Firma für Outdoorbekleidung
- Spanx: Firma für Shapeware (figurformende Kleidung)
Vorteile und Nachteile von Bootstrapping
Sie stehen vor der Wahl einer Finanzierungsform und können sich das Bootstrapping grundsätzlich vorstellen? Dann sollten Sie vor der endgültigen Entscheidung die Vorteile, aber auch mögliche Nachteile und Risiken der Selbstfinanzierung abwägen:
Bootstrapping Vorteile
- Sie sind schuldenfrei
Ihr Unternehmen ist nicht von Anfang an verschuldet. Sie müssen nicht über Jahre teils immense Summen an Banken zurückzahlen. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass zukünftig auf Fremdkapital verzichtet werden muss. Spätere Kredite sind immer noch möglich. - Sie gewinnen an Ansehen
Es aus eigener Kraft zu schaffen, stärkt das eigene Selbstbewusstsein. Es beeindruckt aber auch andere. Sie erarbeiten sich so einen guten Ruf vor Kunden und Geschäftspartnern. - Die Gewinne bleiben bei Ihnen
Oftmals profitieren Bootstrapping-Gründer davon, dass keine Anteile abgegeben werden müssen, wie es beispielsweise bei Investoren der Fall ist. Erzielte Gewinne bleiben vollständig in den eigenen Taschen. Ebenso müssen die Gewinne nicht zur Kredittilgung bezahlt werden. - Sie lernen effizientes Handeln
Sie müssen sich von Anfang an auf das Wesentliche konzentrieren, smarte finanzielle Entscheidungen treffen. Zugleich müssen Sie mit sehr knappen Ressourcen sparsam, effektiv und gewinnbringend umgehen. Zudem ist großer Einsatz und eigenes Engagement erforderlich – ein gutes Handwerkszeug für erfolgreiche Gründer. - Sie sind unabhängig
Bei einer Finanzierung durch Bootstrapping kann Ihnen keiner reinreden. Sie sind unabhängig und können sich bei der Umsetzung Ihrer Visionen ausprobieren. Bei Fremdkapital hingegen haben mögliche Investoren ein Mitspracherecht. Und: Es gibt bestimmte Fristen einzuhalten, wann die erste Rate zurückgezahlt werden muss.
Bootstrapping Nachteile
- Der Anfang ist schwer
Fehlende Kapitalgeber – das bedeutet oft fehlende Unterstützung bei Fragen und Problemen. Ein erfahrener Investor und Branchenkenner könnte weiterhelfen. Das Wissen ist gerade zu Beginn und in schwierigen Zeiten nützlich. - Das Unternehmen wächst nur langsam
Schwierig beim Bootstrapping kann die Überwindung erster Hürden sein. Knappe finanzielle Ressourcen machen sofortige Anschaffungen schwierig, stattdessen müssen Sie warten. Das erfordert mehr Geduld, bis Sie wirklich große Umsätze erzielen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass andere mit ähnlichem Geschäftsmodell an Ihnen vorbeiziehen. - Sie weichen vom Plan ab
Werden die finanziellen Ressourcen knapp, sind Zugeständnisse notwendig, die zuvor nicht eingeplant waren. Vielleicht müssen Sie den anfänglichen Plan ändern, um weitermachen zu können. Unter Umständen können sich aus solchen Abweichungen aber auch Chancen ergeben. - Sie tragen doppelte Belastung
Nicht selten wird nebenberuflich gegründet. Denn während das eigene Unternehmen noch kein Geld abwirft, müssen die laufenden Kosten gedeckt sein. Dies führt zur Doppelbelastung. - Sie allein haben das Risiko
Bei Bootstrapping müssen Sie sich und Ihre Aktivitäten selbst ständig im Blick haben. Es setzen Ihr eigenes Kapital aufs Spiel. Bleibt der erhoffte Erfolg aus, bleiben Sie allein auf den Kosten sitzen. Mehrere Fehler können sich Gründer nicht leisten. Geht etwas schief, ist das oft bereits das Ende der Selbstständigkeit.
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