Bewerbung ohne Anschreiben: Sinnvoll? Für welche Jobs?

Jeder zweite Bewerber hat Probleme mit dem Anschreiben: Es macht Mühe, kostet Zeit, die Formulierungen fallen schwer… Einige Unternehmen gehen daher zur Bewerbung ohne Anschreiben über, um die Hürden zu senken. Aber ist das auch sinnvoll? Und für welche Jobs lohnt sich das? Was ist dran am Trend der „Bewerbung ohne Anschreiben“ – was tun?

Bewerbung Mit Anschreiben Oder Ohne Weglassen

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Bewerbung mit Anschreiben: Warum überhaupt?

Das Bewerbungsschreiben ist ein Klassiker bei der Bewerbung. Neben dem Lebenslauf zählt es zu den wichtigsten Dokumenten – bei der schriftlichen Bewerbung auf Papier ebenso wie bei der E-Mail-Bewerbung bzw. Online-Bewerbung.

Der Grund ist einfach: Der tabellarische Lebenslauf blickt ausschließlich nach hinten („Was bisher geschah“). Er nennt Erfahrungen, Qualifikationen, Kenntnisse – sagt aber wenig über die Motivation oder Zukunft. Das zeigen sogar Studien.

Das Anschreiben blickt dagegen nach vorn: Warum dieser Job, dieses Unternehmen? Was will ich dort bewirken? Eine wichtige Aussage für die Bewerbung, die nicht fehlen sollte. Spätestens im Bewerbungsgespräch kommt das zur Sprache.

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Bewerbung mit oder ohne Anschreiben? Vor- und Nachteile

Es gibt Umfragen, wonach das Anschreiben für Bewerber so amüsant ist wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Ein Auswahl-Dinosaurier sei das. Es mache nur Arbeit – und was drin steht, sei doch nur geschönt oder gemogelt. Weil Druck und Hürde für eine „perfekte Bewerbung“ zu hoch sind, gehen einige Personaler zur Bewerbung ohne Anschreiben über.

Es gibt einige Gründe für eine Bewerbung ohne Anschreiben, ja. Echte Vorteile. Denen gegenüber stehen aber genauso Nachteile und Gründe, die FÜR ein Anschreiben sprechen. Eine Übersicht:

Bewerbung ohne Anschreiben: Vorteile

  • Mehr Auswahl
    Fällt das Bewerbungsschreiben weg, bewerben sich in der Regel mehr Kandidaten. Die Auswahl steigt, der Fachkräftemangel sinkt. Theoretisch.
  • Barrierefreiheit
    Die Bewerbung ohne Anschreiben senkt die Barrieren für Menschen mit Migrationshintergrund oder Sprachproblemen. Das ist vor allem im Handwerk relevant.
  • Innovation
    Unternehmen, die eine Bewerbung ohne Anschreiben anbieten, wirken modern und zeitgemäß. Sie springen auf einen Trend auf, der bei Bewerbern Sympathien bringt.
  • Konzentration
    Ein Hauptargument gegen Anschreiben sind die häufigen Floskeln darin. Austauschbare Sätze senken die Relevanz. Die Konzentration auf die Fakten im CV ist also nur konsequent.
  • Effizienz
    Nicht zuletzt sparen alle bei einer Bewerbung ohne Anschreiben Zeit: Die Bewerber, weil Sie weniger formulieren müssen; die Personaler, weil sie weniger lesen müssen.

Hinzu kommt: In Berufen wie Maler, Bäcker oder Fliesenleger zählt die Praxiserfahrung mehr als das „Schreiben können“. Anders sieht es jedoch in Berufen aus, in denen Kommunikation und Sprachgefühl eine Rolle spielen: bei Journalisten, Verkäufern und Social Media Managern zum Beispiel. Oder bei Arbeitnehmern mit viel Kundenkontakt.

Bewerbung ohne Anschreiben: Nachteile

Den genannten Vorteilen stehen eine Reihe von Nachteilen gegenüber, die bei der Bewerbung ohne Anschreiben leider gerne übersehen werden:

  • Aussagekraft
    Wird die Bewerbung auf den Lebenslauf reduziert, sinkt deren Aussagekraft. So mancher Kandidat konnte schon durch Kreativität oder ein originelles Anschreiben fehlende Kompetenzen ausgleichen. Das fehlende Dokument kann also weniger qualifizierte Kandidaten ausschließen.
  • Differenzierung
    Ohne Anschreiben haben vor allem Berufseinsteiger kaum Chancen, sich gegenüber Mitbewerbern zu differenzieren oder einen Einblick in ihre Persönlichkeit zu geben.
  • Arbeitsprobe
    In kreativen Berufen und jenen, in denen Texte eine wichtige Rolle spielen, dient das Anschreiben als erste Arbeitsprobe. Bei der Bewerbung ohne Anschreiben können Kandidaten damit nicht punkten.
  • Ausnahme
    Bisher bieten nur wenige Arbeitgeber die Bewerbung ohne Anschreiben an. Die Mehrheit – insbesondere der Mittelstand und konservative Branchen – verlangen weiterhin vollständige Unterlagen. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Absage.
  • Verlagerung
    Fast immer verlagert sich das Problem ins Vorstellungsgespräch: Spätestens hier müssen Bewerber doch wieder über Ihre Motivation sprechen – und Personaler danach fragen.

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Wann kann ich auf das Anschreiben verzichten?

Auch wenn es stets eine individuelle Entscheidung ist, ob Sie eine Bewerbung mit oder ohne Anschreiben verschicken: Es gibt aus unserer Erfahrung nur eine Situation, in der wir die Bewerbung ohne Anschreiben empfehlen: Wenn Sie in der Stellenanzeige und vom Arbeitgeber explizit dazu aufgefordert werden, es wegzulassen!

Wer sich auf eine Stelle ohne Anschreiben bewirbt, der- oder diejenige muss sich beim Lebenslauf deutlich mehr Mühe geben. Die Auswahl konzentriert sich nun auf dieses eine Dokument, und der Lebenslauf wird ausschlaggebend für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch – oder auch nicht.

Bewerben ohne Anschreiben: Firmen Beispiele

Um ganz sicher zu gehen, sollten Sie unbedingt immer die Stellenanzeige des Unternehmens sowie dessen Karriereseite aufmerksam lesen. Manche Arbeitgeber experimentieren noch mit der Bewerbung ohne Anschreiben. Standard ist das nicht.

Folgende Unternehmen geben aber schon Hinweise, welche Bewerbungsunterlagen sie wünschen:

  • Adidas
    Kein Anschreiben – dafür Bewerbungsvideo
  • Aldi
    Anschreiben optional
  • BMW
    Bewerbung mit Anschreiben freiwillig
  • Bosch
    Online-Bewerbung, Anschreiben optional
  • Deloitte
    Bewerbung mit Anschreiben freiwillig
  • Deutsche Bahn
    Kein Anschreiben für Ausbildung, Praktikum Werkstudenten oder Trainees
  • Henkel
    Online-Bewerbung, Anschreiben optional
  • KPMG
    Anschreiben + Bewerbungsfoto sind freiwillig
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Wann eine Bewerbung mit Anschreiben?

Tatsächlich bietet das Bewerbungsschreiben vielen Kandidatinnen und Kandidaten enorme Chancen, auf die sie bei einer Bewerbung ohne Anschreiben verzichten. Zum Beispiel:

  1. Berufseinsteiger
    Die meisten Schüler oder Uni-Absolventen haben kaum Berufspraxis. Ihre Lebensläufe sind oft gleichartig und besitzen wenig Aussagekraft. Hier wird das Anschreiben zum Alleinstellungsmerkmal und wertet die Bewerbung auf.
  2. Quereinsteiger
    Bei Branchenwechslern oder Quereinsteigern passt der berufliche Werdegang per Definition nicht zum neuen Job – die Bewerbung wird erklärungsbedürftig. Der Platz dafür: das Anschreiben.
  3. Downshifting
    Dasselbe gilt für Bewerber, die einen freiwilligen Abschied vom Aufstieg nehmen und künftig ein paar Gänge zurückschalten wollen. Auch das nährt Zweifel an der Belastbarkeit oder Hintergründen. Entkräften lassen sich solche Vorbehalte aber nicht im Lebenslauf.
  4. Jobhopping
    Gerade junge Einsteiger probieren sich oft noch aus und wechseln häufiger den Job. Zu viele Jobwechsel in kurzer Zeit wirken aber irgendwann nach Jobhopping. Auch das wird erklärungsbedürftig.
  5. Kündigung
    Ob noch in der Probezeit oder nach ein paar Jahren im Job: Wer gefeuert wird und sich aus der Arbeitslosigkeit heraus bewerben muss, hat vielleicht nur Pech gehabt. Aber unterstellt wird häufig ein handfester Grund. Der Lebenslauf kann hierüber keinen Aufschluss geben.

Die Liste lässt sich beliebig erweitern: Auf Bewerber, die aus der Selbstständigkeit zurück ins Angestelltenverhältnis wechseln; Bewerbungen mit Ü50 oder Kandidaten die 20 Jahre bei ein und demselben Arbeitgeber waren und nun plötzlich eine berufliche Neuorientierung anstreben: Immer erzählt der Lebenslauf nichts über die Beweggründe – das Anschreiben aber schon.

Genau darin liegt seine Chance: Das Bewerbungsanschreiben erklärt einen dünnen Lebenslauf ebenso wie fragwürdige Brüche darin. Im Anschreiben können Kandidaten einen Bezug zwischen Vita und Job herstellen, Soft Skills betonen, Lernwille und echtes Interesse bekunden – hier blitzt auch etwas auf, was häufig den Ausschlag gibt: Individualität, Leidenschaft und Charakter!

Am meisten profitieren Ein- und Quereinsteiger

Zwar sinken Wert und Notwendigkeit eines Anschreibens, je weiter die Karriere voranschreitet. Eine Führungskraft mit 20 Jahren Berufserfahrung wird kaum wegen des Anschreibens ausgewählt, sondern wegen der Referenzen und bisherigen Erfolge.

Die größte Wirkung entfaltet das Bewerbungsschreiben daher bei Berufsanfängern und Quereinsteigern. Hier liefert es ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und kann Bewerber positiv von der Masse abheben. Und das ist – aus Sicht der Bewerber – der alles entscheidende Sinn und Zweck. Sonst müsste man sich gar nicht erst bewerben.

Was sind Alternativen zur Bewerbung mit Anschreiben?

Die Digitalisierung und Zunahme der Online-Bewerbung hat die Bedeutung des Anschreibens in einigen Branchen und Berufen gesenkt. Gleichzeitig kommen mit der Online-Bewerbung ohne Anschreiben weitere alternative Bewerbungsarten auf den Markt, die ebenfalls eine schnelle Bewerbung ermöglichen:

One-Click-Bewerbung

Die One-Click-Bewerbung ist eine schnelle Bewerbung ohne Anschreiben. Dabei bewerben Sie sich mit den Daten, die Sie bereits in einem Online-Profil hinterlegt haben – meist auf Linkedin oder Xing. Die Profile müssen dazu aktuell und gut gepflegt sein. Durch einen Klick wird dann der dort hinterlegte Werdegang dem potenziellen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, samt allen Kontaktdaten.

Lebenslaufdatenbank

In einigen Jobbörsen wie Stepstone oder Indeed können Sie Ihren Lebenslauf in einer sogenannten Bewerberdatenbank hochladen und angeben, dass die Daten von Personalern durchsucht und Sie bei Interesse angesprochen werden dürfen. Das ist Teil der sog. passiven Bewerbung.

Videobewerbung

Bei der Videobewerbung stellen Sie sich in einem kurzen Video von 2-5 Minuten vor, präsentieren relevante Stärken oder wichtige Qualifikationen für die angestrebte Stelle. Das Bewerbungsvideo ersetzt damit das Anschreiben. Den Youtube-Link dazu (vorher auf „nicht gelistet“ setzen) können Sie dann ausgeschrieben oder als QR-Code in den Lebenslauf einbauen. Authentisch und frei vor der Kamera sprechen, erfordert allerdings etwas Übung.


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