Definition: Was ist eine Anapher?
Die Anapher (griechisch: Rückbeziehung) ist ein rhetorisches Stilmittel. Dabei werden Worte oder Wortgruppen am Anfang aufeinanderfolgender Sätze, Satzteile oder Strophen mehrmals wiederholt.
Anaphern gehören zu den bedeutendsten Stilmitteln in der deutschen Sprache. Es gibt sie in Literatur, Rhetorik und Werbung. Schon in der Antike nutzen Philosophen und Redner die Figur, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
Typische Beispiele für eine Anapher
- „Mein Haus, mein Auto, mein Boot.“
- „Nicht heute, nicht morgen, nicht in dieser Woche!“
- „Carglass repariert, Carglass tauscht aus.“ (Werbung)
Die wesentliche Wirkung einer Anapher ist, dass ein Text oder Vers dadurch strukturiert oder rhythmisch wirkt. Ebenso können durch die Anapher bestimmte Worte oder Inhalte betont und hervorgehoben werden.
Was ist der Unterschied zur Epipher?
Die Epipher ist ein weiteres Stilmittel und das Gegenteil zur Anapher. Nur findet hierbei die Wortwiederholung am Ende von Satzfolgen statt. Beispiel: „Ende gut, alles gut.“
Anapher Beispiele
Wie Sie das rhetorische Mittel der Anapher nutzen können, lässt sich besonders einfach an Beispielen erkennen und erklären. Wir zeigen Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen:
Anapher Beispiel aus der Bibel
Bereits in der Bibel finden sich viele Passagen mit dem rhetorischen Stilmittel. Eines der bekanntesten Beispiele stammt aus der Bergpredigt von Jesus im Matthäus-Evangelium:
- „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“
Im obigen Beispiel ist die Anapher auf drei aufeinanderfolgende Sätze verteilt. Alle drei Verse beginnen mit dem Wort „Selig“. Überdies enthalten alle drei Sätze eine Begründung, die jedes Mal mit „denn“ eingeleitet wird – eine Art doppelte Anapher, die die hoffnungsvolle Zusage noch bestärkt.
Anapher Beispiele in der Literatur
Ob Romane, Balladen, Lyrik, Erzählungen oder Kurzgeschichten: Die Anapher hat in der Literatur einen festen Platz. Schon Goethe oder Schiller setzten die rhetorische Figur häufig ein. Beispiele:
- „Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll, …“ (Goethe, Der Fischer)
- „Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei.“ (Theodor Fontane, John Maynard)
In beiden Beispielen verstärkt die Anapher („Das Wasser“, „Alle Herzen“) die Aussage und betont durch die Wiederholung die Bedeutung des Wortes. Anaphern können allerdings auch innerhalb eines Satzes oder einzelner Satzteile vorkommen.
Anapher Beispiel im Gedicht
Durch die Anapher erhalten viele Gedichte und Strophen erst ihren typischen Rhythmus oder ihre Dynamik. Die Anaphern dienen zugleich dazu, das Metrum oder Versmaß in Versen sicherzustellen. Ein typisches Beispiel für die Rhythmisierung eines Gedichts ist der „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe:
- „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.“
Durch die Wiederholung des Personalpronomens „Er“ in drei aufeinanderfolgenden Satzteilen betont die Anapher die beschützende Rolle des Vaters für seinen Sohn. Die Strophe bekommt zugleich eine erkennbar Struktur, und der Text wirkt melodisch.
Anapher Beispiel im Drama
In Dramen kann die Wiederholung sogar eine nahezu beschwörende Stimmung erzeugen oder mehrere Anaphern ineinander verschränkt werden, wie das Beispiel von Franz Grillparzer zeigt:
- „Pfui über allen Tod! Durch Schwert, durch Feuer, durch Gift, durch Strick, durch Beil, pfui allem Tod!“
Die Aneinanderreihung der Todeswerkzeuge und Wiederholung des Wortes „Pfui“ wird die Entrüstung noch einmal hervorgehoben und die Leser zum Nachdenken angeregt. Ohne die Wiederholung des Wortes „durch“ wäre es nur eine Aufzählung und weniger dramatisch.
Anapher Beispiele aus der Werbung
Die einprägsame Wirkung des Stilmittels macht sich regelmäßig die Werbung zunutze. So finden sich Anaphern in zahlreichen Werbetexten und Slogans wieder. Beispiele:
- „Du willst es. Du kriegst es.“ (Congstar)
- „Gute Preise. Gute Besserung.“ (Ratiopharm)
- „Noch intuitiver. Noch intelligenter. Noch mehr du.“ (Apple)
Gerade das Congstar-Beispiel zeigt die psychologische Wirkung der Anapher auf die Zielgruppe: Beide Sätze beginnen mit der persönlichen Anrede „Du“ und verstärken durch die eindrückliche und intime Ansprache das Nutzenversprechen des Anbieters.
Anapher Beispiele in Reden und Rhetorik
Ursprünglich stammt das Stilmittel der Wiederholung aus der antiken Rhetorik. Es ist eine Form der Redekunst, die bis heute von vielen Rednern und Keynote-Speakern eingesetzt wird, um ihren Vorträgen mehr Wirkung zu verleihen. Beispiele aus unterschiedlichen Epochen:
-
Martin Luther King
„Ich habe einen Traum, dass eines Tages sogar der Staat Mississippi…
Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages…
Ich habe einen Traum heute!“ -
Dwight D. Eisenhower
„Jede Kanone, die gebaut wird; jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu Essen bekommen.“
-
Angela Merkel
„Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das. Wir schaffen das! Und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.“
Anaphern werden häufig in bedeutungsschweren, pastoralen oder politischen Reden genutzt. Oder wenn es besonders emotional werden soll – zum Beispiel bei einer Antritts- oder Abschiedsrede.
Anapher Beispiele im Alltag
Im Alltag begegnen uns Anaphern häufig in Sprichwörtern oder Merksätzen, die dadurch besser im Gedächtnis bleiben oder eine wichtige Botschaft betonen sollen – wie zum Beispiel in positiven Affirmationen:
- „Kommt Zeit, kommt Rat.“
- „Freunde kommen, Freunde gehen.“
- „Aus den Augen, aus dem Sinn.“
- „Andere Länder, andere Sitten.“
- „Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
- „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter…“ (Weihnachtslied)
Viele dieser Aphorismen wirken erst dadurch, dass die Anapher eine Verbindung zwischen den einzelnen Begriffen, Ausführungen oder Bedeutungen herstellt. Durch die mehrfache Verwendung des Stilmittels hämmern sich die Sätze tief ins Gedächtnis ein.
Anapher Wirkung
Anaphern haben in der Sprache und Rhetorik starke, aber unterschiedliche Wirkungen auf Leser oder Zuhörer. Je nach Kontext hat das Stilmittel vor allem diese Funktionen und Effekte:
-
Schlüsselwörter hervorheben
Wer eine starke Botschaft transportieren möchte, hebt durch die Wiederholung bestimmte Worte hervor und steuert so die Aufmerksamkeit der Leser oder Zuhörer. Diese prägen sich dadurch Schlüsselwörter besser ein und erkennen deren wichtige Bedeutung im Text oder in der Rede.
-
Einprägsamkeit erhöhen
Vor allem die Werbung nutzt Anaphern, um emotionale Botschaften zu verstärken damit die Slogans im Gedächtnis bleiben. In der Fachsprache ist auch von einer „Penetration“ der Botschaften die Rede: Je öfter wir etwas hören, desto eher bleibt es in Erinnerung und desto mehr glauben wir es (siehe: Urbane Legenden).
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Texten Rhythmus geben
Mithilfe von Anaphern bekommen Texte oder Verse einen rhythmischen Klang. Die Wiederholungen am Anfang und der Rhythmus lenken den Fokus auf wichtige Botschaften. Das ist vor allem in Liedern oder Gedichten von Bedeutung. Die Anapher erzeugt ein erkennbares Metrum – den Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben in Versen.
-
Inhalt strukturieren
Die Wiederholung am Satzanfang gibt einem Text mehr inhaltliche Struktur oder gliedert diesen in erkennbare Abschnitte. Effekt: Leser und Zuhören bekommen sofort einen Überblick. Die Sätze sind gleich aufgebaut, das vereinfacht das Verständnis. Die Aussagen erhalten durch die Wiederholung zudem mehr Gewicht.
Abgrenzung zu anderen Stilmitteln
Es gibt mehr als 50 verschiedene rhetorische Stilmittel. Einige davon sind der Anapher ähnlich und werden häufig damit verwechselt. Etwa das rhetorische Mittel der wörtlichen Wiederholung (= Repetitio). Zum besseren Verständnis zeigen wir ein paar ähnliche – und doch andere Stilmittel aus der Rhetorik:
-
Alliteration
Erklärung: Wiederholung der Anfangslaute benachbarter Wörter.
Beispiel: „Fischers Fritz fischt frische Fische.“ Oder Werbung: „Lidl lohnt sich.“ -
Anadiplose
Erklärung: Das letzte Wort oder die letzte Wortgruppe eines Satzes wird am Anfang des folgenden Satzes oder Verses wiederholt.
Beispiel: „Als Erstes möchte ich meinen Eltern danken; danken möchte ich aber auch anderen, die mit unterstützt haben.“ -
Kyklos
Erklärung: Das Wort bedeutet „Ring“ oder „Kreis“. Bei der rhetorischen Figur wird das Wort am Satzanfang am Ende desselben oder eines anderen Satzes wiederholt.
Beispiel: „Umgehen kannst du Menschen oder mit ihnen umgehen.“ Oder: „Ein Pferd, mein Königreich für ein Pferd.“ (Shakespeare) -
Parallelismus
Erklärung: Gleiche Anordnung aufeinanderfolgender Satzteile.
Beispiel: „Der Winter ist kalt; der Sommer ist warm.“ -
Symploke
Erklärung: Die Symploke (auch: Complexio) ist eine Verbindung aus Anapher und Epipher. Dabei wird am Anfang und am Ende eines Satzes ein Wort aus dem vorhergehenden Satz wiederholt.
Beispiel: „Was ist der Toren höchstes Gut? Geld! – Was verlockt selbst die Weisen? Geld!“ -
Trikolon
Erklärung: Aussageverstärkung durch Aufzählung mit drei Teilen.
Beispiel: „Verliebt, verlobt, verheiratet.“
Verwendung in wissenschaftlichen Arbeiten?
In wissenschaftlichen Arbeiten und Texten sollten Sie Anaphern besser nicht nutzen. Die Wortwiederholung am Satzanfang lässt die Texte schnell monoton wirken.
Beispiele
Satz mit Anapher (weniger gut):
- „Im Folgenden werden verschiedene Modelle vorgestellt. Es werden deren Ergebnisse präsentiert. Es werden ebenso deren Bedeutung und Auswirkungen in der Praxis erklärt.“
Satz ohne Anapher (besser):
- „Im Folgenden werden verschiedene Modelle vorgestellt und Ergebnisse präsentiert. Erklärt werden vor allem deren Bedeutung und Auswirkungen in der Praxis.“
Tipp: In Forschung und Wissenschaft geht es im Sachlichkeit und Objektivität. Rhetorische Mittel sind hierbei tabu und gehören als Stilmittel eher in Prosa oder Vorträge. Versuchen Sie Ihre Texte und Sätze lieber abwechslungsreich zu formulieren und wiederholende Satzanfänge zu vermeiden. Das macht einen Text ohnehin spannender.
Häufige Fragen zur Klangfigur
Die Anapher ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem mithilfe von Wortwiederholungen am Satzanfang aufeinanderfolgender Sätze die Bedeutung oder Wirkung einer Aussage verstärkt wird. Dabei kann es sich ebenso um Verse, Strophen oder ganze Satzteile handeln.
Der Begriff „Anapher“ stammt vom griechischen Wort „anaphorá“ ab und bedeutet so viel wie „Rückbeziehung“.
Die meisten modernen Beispiele für eine Anapher stammen aus der Werbung:
- „Hier bin ich Mensch, hier kauf’ ich ein.“ (dm)
- „So klein. So fein. So Giotto.“(Giotto)
Rhetorische Mittel wie die Anapher werden besonders häufig eingesetzt…
- in der Literatur (Gedichte)
- in rhetorischen Reden (Politik)
- in der Werbung (Slogans)
Dort können und sollen Sie meist die Eindringlichkeit und Einprägsamkeit von Aussagen erhöhen.
Eine Anapher hat vor allem drei Funktionen in Texten oder Reden:
- Sie soll Botschaften und Schlüsselwörter betonen bzw. hervorheben.
- Sie soll dem Text oder Gedicht einen Rhythmus geben und Verse melodisch klingen lassen.
- Sie soll den Inhalt strukturieren und so insgesamt merkfähiger und einprägsamer gestalten.
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