Schulabbrecher: Wie Sie doch noch die Kurve kriegen

Schulabbrecher weisen häufig eine lange „Karriere“ der Verweigerung auf: Keine Hausaufgaben, Unterricht stören, Schule schwänzen. Die Noten gehen in den Keller; der Schulabbruch ist irgendwann nur noch die logische Konsequenz dieses Prozesses. Dabei liegt es oft nicht an mangelnder Intelligenz. Häufig stimmen die Rahmenbedingungen zuhause nicht. Wird der Schüler dann noch aufgrund seines Andersseins gemobbt, kommt der Schulabbruch einer Erlösung gleich. Damit fangen die Schwierigkeiten aber oft erst an. Was Sie tun können, wenn Sie vorzeitig die Schule verlassen haben…

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Schulabbrecher in Deutschland: Schwerer Start ins Berufsleben

In Deutschland ist es so schwer wie kaum woanders im internationalen Vergleich, ohne einen Schulabschluss einen Ausbildungsplatz oder gar einen Job zu finden. Hier legt man großen Wert auf eine fundierte Ausbildung. Das duale Ausbildungssystem vermittelt einen Beruf sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Es sorgt für einen bestimmten Standard, der bei Berufsanfängern mit so einer Ausbildung zu erwarten ist.

Zu diesem Standard trägt unter anderem bereits die Schulpflicht bei. Sie besagt, dass kein Schüler vor Erfüllung dieser Schulpflicht die Schule verlassen darf. Je nach Bundesland sind das neun oder zehn Jahre (Sitzenbleiben zählt mit), die durch eine Berufsschulpflicht oder ein berufsvorbereitendes Jahr ergänzt werden. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass jeder nach Verlassen der Schule eine Chance hat, einen Beruf zu ergreifen: Je höher und umfangreicher die Bildung, desto größer die beruflichen Perspektiven.

Statistik: Mehr Schulabbrecher wegen Corona

Waren es vor wenigen Jahren laut Bundesbildungsbericht noch 50.000 Schulabbrecher, sind die Prognosen derzeit düster: Die Zahl der Schüler ohne Abschluss ist zwischenzeitlich auf 104.000 gewachsen. Und aufgrund der Corona-Pandemie gehen Experten von einer Verdopplung aus. Derzeit sind es zehn Prozent der 18 bis 25-Jährigen, die nicht wenigstens den Hauptschulabschluss erworben haben.

Berühmte Schulabbrecher, die es geschafft haben

Wer die Schule nicht gepackt hat, ist ein Versager? Von wegen! Es gibt eine Reihe von Schulabbrechern, die nicht nur Fuß auf dem Arbeitsmarkt fassen konnten, sondern sogar berühmt und reich geworden sind. Darunter folgende:

  • Joschka Fischer
    Dem ehemaligen deutsche Außenminister fehlt nicht nur das Abitur, er hat sogar einen Ehrendoktor ohne jemals studiert zu haben.
  • Iris Berben
    Die Schauspielerin hat trotz Internats die Schule ohne Abitur verlassen.
  • Richard Branson
    Der mehrfache Milliardär spätere Gründer der Virgin Group verließ die Schule 1966 im Alter von 16 Jahren ohne Abschluss.
  • David Karp
    Der Tumblr-Gründer verließ mit die Bronx Science High School als Schulabbrecher. Heutzutage ist seine Plattform auf Platz neun der meistbesuchten Internetseiten in den USA.
  • Helge Schneider
    Der Entertainer verließ mit 16 Jahren die Schule ohne Schulabschuss.
  • Gisele Bündchen
    Verließ mit 15 Jahren die Schule ohne Schulabschuss, wurde ein weltbekanntes Model.


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Weiterqualifizierung steigert Jobchancen enorm

Der Vollständigkeit halber sei aber auch gesagt: Auch wenn Karrieren für Schulabbrecher möglich sind, sind solcherart erfolgreichen Lebensläufe ohne Schulabschluss die Ausnahme. Zumal die obigen Beispiele zeigen, dass die meisten zumindest Visionäre (Firmengründung für neue Nachfrage) oder Künstler sind. Seit vier Jahrzehnten erscheint eine vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Auftrag gegebene Zusammenfassung von Analysen und Daten zur Bildung.

Daraus lässt sich klar ablesen, dass Schulabbrecher in hohem Maße von Maßnahmen profitieren, die den Übergang in eine Ausbildung erleichtern. Konkret in Zahlen: Nach einer Maßnahme steigen die Chancen auf einen Ausbildungsplatz für Schulabbrecher um 32 Prozent! Für ehemalige Förderschüler steigen die Chancen sogar um 50 Prozentpunkte. Hauptargument für solche Maßnahmen ist der bessere Zugang zu attraktiven Ausbildungsberufen und damit verbunden besseren Chancen für den sozialen Aufstieg.

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Was tun bei Schulabbruch?

Ein Schulabbruch muss kein Beinbruch sein. Wichtig ist, dass Sie sich mit Ihrer Situation aktiv auseinandersetzen und ins Handeln kommen. Das können Sie tun:

1. Schulabschluss nachholen

Oftmals ist es so, dass die Schulabbrecher sich nach der Schule mit Gelegenheitsjobs eine Weile über Wasser gehalten haben. Aber irgendwann reift die Erkenntnis, dass das noch nicht alles im Leben gewesen sein kann. Sie beschreiten den sogenannten zweiten Bildungsweg und holen ihren Schulabschluss nach:

Seit gut zehn Jahren haben Schulabbrecher sogar einen Rechtsanspruch auf Förderung beim Nachholen eines nachträglichen Schulabschlusses. Und noch was: Anschließende Ausbildungen lassen sich teilweise verkürzen, wenn entsprechende Vorkenntnisse – zum Beispiel durch die zwischenzeitlichen Jobs – vorhanden sind.

2. Praktikum machen

Nicht selten stellt sich das Berufsleben ganz anders dar als die Schulzeit: Ihren Arbeitgeber und Ihre Kollegen können Sie sich bis zu einem gewissen Grad selbst aussuchen. Um Tätigkeitsbereiche und die Unternehmenskultur kennenzulernen, empfiehlt sich ein Praktikum.

Stimmt die Chemie zwischen Praktikant und Unternehmen, sollten beide Parteien schauen, wie es weitergehen kann. Es gibt auch Berufe ohne Schulabschluss und Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung. Praktika finden Sie übrigens auch hier in unserer Jobbörse!

3. Ausbildungsplatz suchen

Wer seine Schulpflicht erfüllt hat, kann theoretisch auch eine Ausbildung ohne Schulabschluss anstreben. Allerdings spielen die Branche und das Unternehmen keine unwesentliche Rolle dabei. Selbst wenn offiziell kein bestimmter Schulabschluss vorgesehen ist: Bei sehr beliebten Ausbildungsberufen dürften die Chancen eher schlecht stehen.

Umgekehrt: Da wo Fachkräftemangel herrscht, werden die Unternehmen auf solche Abschlüsse am ehesten verzichten. Dazu zählen Berufe in Hotellerie und Gastronomie, Bau und Handwerk sowie in der Pflege. Hier können Sie mit Engagement und Disziplin überzeugen.

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4. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen besuchen

Berufsvorbereitende Maßnahmen richten sich meist an junge Schulabbrecher unmittelbar nach Verlassen der Schule. Diese Bildungsmaßnahmen dauern üblicherweise zehn Monate und werden von der Agentur für Arbeit vermittelt. Junge Erwachsene erhalten darin Einblick in verschiedene Berufsfelder und werden praxisorientiert an die Inhalte des ersten Ausbildungsjahres herangeführt.

Es gibt keine Mindest- oder Höchstförderdauer, vielmehr orientieren sich diese Maßnahmen an den individuellen Bedürfnissen der Schulabbrecher. Eine umfangreiche Kompetenzanalyse stellt die Stärken und Schwächen fest. Somit lässt sich die Förderung exakt an den Teilnehmer der Bildungsmaßnahme ausrichten. Unterstützung erhalten die Teilnehmer durch Bildungsbegleiter, die gleichermaßen Ansprechpartner für die berufliche Eingliederung als auch bei persönlichen Schwierigkeiten sind.

5. Einstiegsqualifizierung absolvieren

Diese richtet sich vor allem an junge benachteiligte Menschen, die bis zum 30. September noch keine Ausbildungsstelle gefunden haben. Während die Berufsausbildungsvorbereitung ihren Schwerpunkt in sozialpädagogischen Maßnahmen hat und von einem Bildungsträger durchgeführt wird, ist die Einstiegsqualifizierung als betriebliches Langzeitpraktikum angelegt. Das bedeutet, dass sie zu mindestens 70 Prozent in einem Betrieb stattfinden muss.

Wer als Arbeitgeber einem Schulabbrecher durch eine Einstiegsqualifizierung eine Chance geben möchte, kann sich dies durch monatliche Zuschüsse in Höhe von 247 Euro vergüten lassen. Darüber hinaus zahlt die Arbeitsagentur eine Pauschale von 121 Euro am durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitrag für den Praktikanten.

Schulabschluss nebenbei erwerben
Was viele nicht wissen: Wer es schafft, auch ohne einen Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu finden und die Ausbildung erfolgreich absolviert, erwirbt den Schulabschluss nebenbei. Auch Maßnahmen wie die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) und das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) führen automatisch zum Schulabschluss. Die Voraussetzungen dafür schwanken je nach Bundesland und hängen vom Bildungsgang ab. Genauere Informationen geben die zuständigen Arbeitsagenturen.


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Gründe: Wie wird jemand Schulabbrecher?

Psychologen und Sozialpädagogen beobachten eine Reihe von sozialen Risikofaktoren, die einen Schulabbruch begünstigen. Eine große Rolle spielt das Elternhaus. Die Lebenswelt von Schulabbrechern sieht zuhause nicht selten so aus:

  • Alleinerziehender Elternteil
  • Prekäre Lebensverhältnisse
  • Alkohol- oder Drogenprobleme
  • Psychische Probleme

Eltern sind neben der Fürsorge ums leibliche Wohl maßgeblich dafür da, durch Erziehung Werte und Normen zu vermitteln. Also auch das Kind entsprechend zu motivieren, zur Schule zu gehen. Gleichzeitig ist dieser alleinerziehende Elternteil – oft die Mutter – mit der eigenen Lebenssituation völlig überfordert: Wie soll auch jemand, der selbst mit Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit kämpft, seinem Kind eine positive Sicht auf die Zukunft vorleben können? Wie soll er vermitteln, dass es sich lohnt, sich in der Schule anzustrengen, um die eigenen Ziele verwirklichen zu können?

Schulabbrecher oft Außenseiter

Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman beobachtet vor allem mangelnde emotionale und soziale Kompetenz. Viele Schulabbrecher seien Einzelgänger oder vielmehr Außenseiter.

Und wer durch andere tagtäglich Ausgrenzung erfährt, dem fällt es logischerweise schwer, sich selbst zu motivieren. Warum in die verhasste Schule gehen, wenn die Inhalte ohnehin langweilig sind oder erst gar nicht verstanden werden. Kein „guter Grund“, die Schule vorschnell zu schmeißen, sollten hingegen kurze Phasen der Unlust oder der Frustration sein: Beispielsweise weil Ihnen ein Thema nicht liegt oder Sie sich mit dem besten Freund/der besten Freundin zerstritten haben. Solche Phasen sind normal und gehen auch wieder vorbei.

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Konsequenzen des Schulabbruchs

Einer Studie des Bundesbildungsministeriums zufolge können 7,3 Prozent aller Bürger Deutschlands nicht richtig lesen und schreiben. Schulabbrecher sind ganz weit vorne unter den Analphabeten. Was einerseits nachvollziehbar ist, rächt sich dann auf dem Arbeitsmarkt.

Ohne ein vernünftiges Abschlusszeugnis und ohne den eigenen Willen, etwas zu ändern, steuern Schulabbrecher geradewegs auf Jobs als Hilfsarbeiter oder den ALG-II-Bezug zu. Das hat wiederum selbstverstärkenden Effekt und führt häufig zu Armut und erneuter sozialer Ausgrenzung.

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